Vom Diamantenfieber und Anlagebetrug

BGH, Beschluss vom 14.04.2011, Az.: 1 StR 458/10

Das Landgericht Baden-Baden hat den Angeklagten H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 81 Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Anlagebetrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Angeklagte B. hat das Landgericht wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 78 Fällen und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Jeweils ein Jahr der verhängten Strafen wurde als Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt.
Daneben hat das Landgericht gegen die Angeklagten für die Dauer von drei Jahren ein Berufsverbot für den Beruf eines Vermittlers bzw. Verkäufers von Diamanten verhängt und festgestellt, dass die von drei Adhäsionsklägern geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach gerechtfertigt seien.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts machten sich die Angeklagten selbstständig und verkauften m Zeitraum von September 2000 bis Januar 2003 in 78 Fällen Diamanten minderer Qualität zu überhöhten Preisen an Privatanleger und versuchten dies in zwei weiteren Fällen. Die Diamanten sollten als Wertanlage dienen. Dabei verwendeten die Angeklagten ein System, wobei sich die Kunden durch die wahrheitswidrigen Angaben der Angeklagten oder deren entsprechend instruierten Verkäufer täuschen ließen. Zunächst verkauften die Angeklagten den Kunden Diamanten im „richtigen“ Wert und später dann zu überhöhten Preisen. Nach Ermittlungen der Polizei wurde der Betrieb 2003 eingestellt. Anschließend wurden die Angeklagten aber wieder als Verkäufer für Diamanten tätig und verwendeten wieder ihr zuvor praktiziertes Betrugs-Modell. Die Angeklagten haben dabei nach Feststellungen des Gerichts  insgesamt rund 6,5 Millionen Euro erbeutet, die sie nach eigenen Angaben vollständig verbraucht haben.
Im Prozess wurde ein Sachverständiger gehört, obwohl die Strafverteidigung einen Ablehnungsgesuche gegen den Sachverständigen gestellt hatte. Diesen hatte das Gericht abgelehnt.

Dazu der BGH:

„Die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche ist rechtsfehlerhaft. Das festgestellte Verhalten des Sachverständigen P, ist geeignet, bei einem vernünftigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.“

„Ein Sachverständiger kann gemäß § 74 Abs. 1 StPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. So kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er durch mündliche oder schriftliche Äußerungen den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2007 – 1 StR 331/07 mwN, NStZ 2008, 50; BGH, Urteil vom 2. August 1995 – 2 StR 221/94, BGHSt 41, 206, 211). Es entscheidet – ohne eigene Ermittlungen – als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. September 2007 – 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229; BGH, Beschluss vom 23. März 1994 – 2 StR 67/94, NStZ 1994, 388; bei Becker NStZ-RR 2002, 66 mwN).“
„Zwar geht die Strafkammer zutreffend davon aus, dass weder auf die von der Verteidigung behaupteten Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen noch auf den Umstand, dass der Sachverständige eine wissenschaftliche Meinung vertritt, die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken könnte, ein Befangenheitsantrag gestützt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2006 – 2 StR 436/06; BGH, Beschluss vom 20. November 2001 – 1 StR 470/01; BGH, Urteil vom 2. August 1995 – 2 StR 221/94). Indes erschließt sich dem Senat ein Bezug zwischen vorangehenden Äußerungen der Verteidigung über die gutachterliche Tätigkeit des Sachverständigen und dem vom Sachverständigen im Zusammenhang mit seiner Anfrage als „hilfreich“ bezeichneten Hinweis im Schreiben vom 22. Mai 2009 nicht; dieser enthält keine sachliche Richtigstellung. Unabhängig davon, dass der „Hinweis“ in seinem Tatsachenkern zwar nichts Unzutreffendes enthält, ist nicht ersichtlich, welche Rolle der Mandatsstruktur eines Verteidigers bei der Wertbestimmung von Diamanten zukommen könnte. Der „Hinweis“ ist in seinem Kontext geeignet, den Eindruck zu erwecken, als stellte der Sachverständige demgegenüber einen solchen Zusammenhang her. Dem kommt vorliegend deswegen besondere Bedeutung zu, weil (wovon die Strafkammer auch im Urteil ausgeht) speziell die in Rede stehende Bewertung von Farbdiamanten – anders als etwa bei typisierten Analyseverfahren oder wissenschaftlich objektivierten Untersuchungsverfahren – nicht unwesentlich Ausfluss der auf persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen basierenden Sachkunde des jeweiligen Sachverständigen ist. Deshalb ist hier ein strenger Maßstab an die Unbefangenheit des Sachverständigen anzulegen. Die beanstandeten, außerhalb eigener wissenschaftlicher Publikationen erfolgten Äußerungen des Sachverständigen können aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Angeklagten Zweifel begründen, ob der Sachverständige, der auf seinem Fachgebiet ein besonderes, nicht allgemein verfügbares Wissen besitzt und mit dieser Sachkunde das Gericht bei der Wahrheitserforschung im zu entscheidenden Fall unterstützen soll, die ihm obliegende Aufgabe unvoreingenommen und unparteiisch erfüllen werde.“

Damit stellt der BGH klar, dass hier besondere Anforderungen an die Unbefangenheit des Sachverständigen zu stellen sind. Diese seien nicht erfüllt.

Danach machte der BGH Ausführungen zur Betrugs-Strafbarkeit:

„Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögensschaden entstanden ist, bestimmt sich auch in Fällen sogenannten Anlagebetrugs grundsätzlich anhand der Differenz zwischen dem vereinbarten oder dem gezahlten Preis und dem nach allgemeinen Kriterien zu bestimmenden (Markt)Wert des Anlageobjekts (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – 1 StR 550/82, NStZ 1983, 313). An einem Schaden fehlt es, soweit die Vermögensminderung durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird. Bei der deshalb – wie stets – gebotenen Gesamtsaldierung ist jedoch auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines sachlichen Beurteilers eine (möglicherweise sogar objektiv gleichwertige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 16. August 1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 407; Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 178; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 121). Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Tatopfers dann anzusehen sein, wenn ein Anleger über Eigenart und Risiko des Geschäftes derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud”), die empfangene Gegenleistung für ihn mithin in vollem Umfang unbrauchbar ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22; Beschluss vom 14. Juli 2010 – 1 StR 245/09; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rn. 127 mwN).“
„So verhält es sich hier, weil nach den Feststellungen der Strafkammer die verfahrensgegenständlichen Farbdiamanten von so geringer Qualität waren, dass sie – entgegen den Angaben der Angeklagten – nicht zur Kapital-, Wert- oder Geldanlage geeignet waren. Eine den von den Geschädigten gezahlten Kaufpreis erbringende Weiterverkaufsmöglichkeit bestand für derartige Diamanten nicht. Da die Anleger – wie den Angeklagten bekannt war und was diese bewusst für ihre Täuschungshandlung ausnutzten – ausschließlich aus Gründen der möglichst gewinnbringenden Kapitalanlage Diamanten erwerben wollten, besteht aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch keine andere Verwendung, die den Kaufpreis aufwiegen könnte.“
„Die Strafkammer legt – zutreffend – als strafzumessungsrelevanten Vermögensschaden die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und einem auch ohne Vorhandensein eines geregelten Marktes ermittelbaren objektiven Wert der Farbdiamanten zugrunde. Letzteren hat sie jedoch (als absoluten Wert oder mittels eines Zuschlags) „den Ausführungen des Sachverständigen P.  entnommen“ (UA S. 215) und sich „von der Richtigkeit der Bewertungen des Sachverständigen P.  “ insoweit überzeugt, als dieser Abweichungen zu anderen als den von ihm dargelegten Bewertungsparametern und -ergebnissen nachvollziehbar habe erläutern können (UA S. 220 ff.). Damit stützt die Strafkammer ihre Strafzumessungserwägungen maßgeblich auf die Bewertung jenes Sachverständigen, der begründeten Anlass zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit hat aufkommen lassen. Dies betrifft auch die Fälle, in denen die Strafkammer als Basis für die Errechnung eines „Mindestschadens“ den von den Angeklagten bezahlten Einkaufspreis annimmt, den sie – entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen (UA S. 217) – für eher hoch ansieht. Der Strafausspruch ist daher aufzuheben und die Sache unter Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen an das Landgericht zurückzuverweisen.“

Damit bestimmt der BGH, dass er sich hier um einen Betrugsschaden handelt, soweit die „Diamanten“ von geringer Qualität waren. Es handelte sich dabei um etwas anderes, als die Anleger eigentlich erwerben wollten – nämlich einen echten Diamanten als Wertanlage.
Aus diesen Gründen hat der BGH das Urteil des Landgerichts Baden-Baden aufgehoben.


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