Verhalten bei Verhaftung
Der Haftbefehl: Die Staatsanwaltschaft beantragt beim zuständigen Ermittlungsrichter einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten, wenn sie diesen einer Straftat für dringend verdächtig hält, ein Haftgrund besteht und der Haftbefehl im Hinblick auf den Tatvorwurf nicht unverhältnismäßig ist sowie die Sicherung des Verfahrens nicht durch andere, weniger einschneidende Mittel erreicht werden kann. Haftgründe sind namentlich Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und Wiederholungsgefahr.
Auf den ersten Blick scheinen an eine Verhaftung hohe Anforderungen geknüpft zu sein – in der Praxis wird jedoch häufig Gebrauch von dem Instrument gemacht wie unlängst das Beispiel der Inhaftierung der No-Angels Sängerin gezeigt hat.
Sollten Sie vorläufig oder aufgrund eines Haftbefehls festgenommen werden (Verhaftung), sollten Sie unbedingt folgende Grundregeln und Tipps zur Verhaftung befolgen.
Wichtig ist, dass Sie bei Erhalt eines Haftbefehls bzw. bei Verhaftung keine Zeit verlieren und auf Ihr Recht bestehen, Ihren Anwalt zu kontaktieren oder jedenfalls einen Bekannten, der dies für Sie erledigt. Ohne Anwalt sind Sie den Justizbehörden schutzlos ausgeliefert. Der Strafverteidiger kennt die nötigen Schritte, die jetzt eine entscheidende Rolle für Sie spielen (nicht nur während der Verhaftung).
Die erste Aufgabe des Strafverteidigers wird es sein, zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft vorliegen und ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen als die Vollstreckung des Haftbefehls anzuwenden sind. Als einfachstes Mittel kommen hier die Abgabe des Reisepasses oder konkreter Argumente wie die Zusammengehörigkeit der Familie in Betracht. Aber auch das Angebot der Mitwirkung bei der weiteren Aufklärung kann bereits überzeugen. Allerdings sollten derartige Schritte vorher mit dem Rechtsbeistand abgesprochen werden oder bestenfalls aus dessen Händen stammen. Die Abgabe eines voreiligen Geständnisses, nur um aus der Untersuchungshaft zu kommen, wirkt sich im späteren Verlauf des Verfahrens häufig fatal aus.
Machen Sie bei Verhaftung keine Aussage
Deshalb gilt auch bei der Verhaftung (beim Haftbefehl) die Devise: Machen Sie keine Aussage bei der Verhaftung! Selbst wenn die Polizei oder später die Staatsanwaltschaft den Eindruck vermittelt, eine Aussage sei hilfreich für Sie und würde der „raschen Aufklärung“ dienen (nach der Verhaftung), sollten Sie in keinem Fall etwas zu dem Tatvorwurf sagen. Das gilt immer beim Haftbefehl! Beschränken Sie also ihre Antworten auf die Angaben zu ihrer Person und nur auf das Nötigste. Alles was Sie sagen, kann im späteren Verfahren auch zu Ihren Lasten sein und lässt sich durch einen Strafverteidiger in den seltensten Fällen korrigieren.
Im Übrigen ist es im Prozess und in Folge der Verhaftung bis zur letzten Verhandlung möglich, eine Aussage zu machen bzw. ein Geständnis abzulegen, ohne dass es zu Ihrem Nachteil ist. Die vorangegangene Verhaftung spielt dabei keine Rolle. Mithin ist die Polizei sowieso nur zuständig für die Ermittlung und entscheidet nicht über das Urteil in einem etwaigen Prozess (Sie führt die Verhaftung nur durch). Eine voreilige Aussage hat daher wenig Sinn und kann den Prozess später kaum positiv, sondern im Gegenteil oftmals negativ beeinflussen.
Wird der Beschuldigte von der Polizei verhaftet (Verhaftung), so wird er innerhalb von 48 Stunden dem Haftrichter vorgeführt. Dieser entscheidet dann, ob der Haftbefehl aufrechterhalten bleibt (§115 Abs. 4 StPO) oder ausgesetzt wird (§120 StPO). Der Haftrichter kann auch den Vollzug vorläufig aussetzen (§116 StPO). An dieser Stelle entscheidet sich der weitere Ablauf des Verfahrens.
Wenn der Haftbefehl aufgehoben oder ausgesetzt wird, wird der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ermittlungen eingestellt werden. Das Ermittlungsverfahren wird fortgesetzt. Lediglich der Vollzug der Untersuchungshaft ist beendet oder ausgesetzt. Versucht sich der Beschuldigte zu entziehen oder erfüllt er ihm auferlegte Auflagen nicht, wird erneut ein Haftbefehl erlassen.
Entscheidet sich der Richter für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und erlässt er diesen schriftlich, kommt der Beschuldigte in die Untersuchungshaft. Hier ist er zwar von den verurteilten Inhaftierten räumlich getrennt, dem Grunde nach aber vergleichbaren Zuständen ausgesetzt. Der Beschuldigte muss jedoch keine Gefängniskleidung tragen und kann einige Vorzüge genießen wie individuelle und angenehmere Verpflegung bzw. Unterbringung.
Während der Untersuchungshaft ist dem Beschuldigten ein ständiger und persönlicher Kontakt mit seinem Anwalt erlaubt, der nur in besonders schwerwiegenden Fällen kontrolliert werden darf (§148 StPO). Das exakte Vorgehen ist eine Frage des Einzelfalls.
Die Länge der Untersuchungshaft ist abhängig vom konkreten Verfahren und dessen Umfang. Häufig dauert die Untersuchungshaft (z.B. in Hamburg) bis zum weiteren Prozess 6-12 Monate. Eine unzumutbare Verzögerung des Verfahrens mit einer Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zu mehreren Jahren wurde vom Bundesverfassungsgericht mehrmals höchstrichterlich für verfassungswidrig erklärt. In diesem Fall kann der Strafverteidiger eine Haftbeschwerde einlegen (auch bereits zu Beginn der Verhaftung). Oftmals ist eine solche aber nicht der „klügste“ Schachzug. Denn wird die Haftbeschwerde mangels guter Begründung abgelehnt, kann sich dieses negativ auf den weiteren Prozess auswirken und im schlimmsten Fall die „Schuld“ des Beschuldigten im Kopf des Richters bestätigen.
Immerhin wird die Untersuchungshaft nach §51 StGB auf eine spätere Geld- oder Freiheitsstrafe angerechnet. So können die Monate in der Untersuchungshaft bereits zur Absetzung der Strafe beitragen, die erst später im Urteil angeordnet wird.
Eine Untersuchungshaft im Ausland (mit teilweise noch schlimmeren Zuständen im Gefängnis) wird aufgrund der zusätzlichen Härte teilweise mit einem zusätzlichen Faktor höher zugerechnet.
Wird der Untersuchungshäftling im späteren Prozess freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Richter abgelehnt, besitzt der Beschuldigte einen Anspruch auf Schadensersatz für Schäden, die er durch die Untersuchungshaft oder weiteren Maßnahmen der Strafverfolgung erlitten hat. Gleiches gilt auch, wenn das Strafverfahren eingestellt wird.
Die Höhe und Geltendmachung des Schadensersatzanspruches richtet sich dabei nach dem Strafrechtentschädigungsgesetz. Wird das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt, muss der Betroffene innerhalb von einem Monat einen Antrag auf Feststellung des Anspruches stellen. Wird das Verfahren durch den Richter beendet, wird von Amts wegen der Entschädigungsanspruch geprüft.
Das genaue Vorgehen nach und während der Verhaftung ist im Einzelfall oftmals eine Frage des Fingerspitzengefühls und kann nur durch einen erfahrenen Strafverteidiger geplant werden. Es ist daher unbedingt notwendig, sich bereits bei einem drohenden Haftbefehl an einen Fachanwalt für Strafrecht zu wenden und mit diesem das konkrete Vorgehen zu besprechen.
Haben Sie weitere Fragen zur Verhaftung? Dann kontaktieren Sie uns und vereinbaren schnellstmöglich einen Termin. Im Falle einer Untersuchungshaft (Verhaftung) in Hamburg und anderen Städten können unsere Mandanten die Kanzlei von Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Böttner aus Hamburg über unsere Notrufnummern 24 Stunden am Tag telefonisch erreichen.
Rechtsprechung zu den Gründen der Verhaftung
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Strafverteidiger)
Kanzlei für Strafrecht in Hamburg und Frankfurt am Main und Neumünster | Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht bundesweit.