Es droht einerseits eine hohe Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren und zum anderen führt ein Strafverfahren im Bereich der Sexualstraftaten für den Beschuldigten oftmals zu erheblichen privaten und beruflichen Konsequenzen. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschuldigte zu Unrecht dem Vorwurf der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung oder ähnlichen Delikten ausgesetzt wird. Notwendig für die Verteidigung ist die Spezialisierung des Strafverteidigers.
Sexueller Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB)
Der § 177 StGB beinhaltet verschiedene Straftatbestände. Die Norm beginnt mit dem sogenannten sexuellen Übergriff in Absatz 1. Dieser Straftatbestand ist neu und setzt die Schwelle für eine Strafbarkeit im Bereich des Sexualstrafrechts deutlich herab. Er umfasst Fälle, in denen der Täter gegen den erkennbaren Willen des Opfers eine sexuelle Handlung vornimmt.
Sexuelle Handlung + entgegenstehender Wille des Opfers = Sexueller Übergriff
Bei einem sexuellen Übergriff droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Um eine Strafbarkeit zu begründen, wird – anders als nach der alten Rechtslage – keine Nötigungshandlung mehr vorausgesetzt. Das bedeutet, dass bereits ein „Nein“ des Opfers zu einer strafbaren Handlung führen kann, wenn der Täter sich darüber hinweggesetzt hat. Der entgegenstehende Wille des Opfers muss für den Täter jedoch ausdrücklich erkennbar sein – entweder durch eine verbale Äußerung („Nein“) oder durch das Verhalten des Opfers (zum Beispiel Weinen oder Weggehen).
Wann ist Widerwille erkennbar?
Der Straftatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB stellt Verhaltensweisen unter Strafe, bei denen der Täter den erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers ignoriert. Es muss also klar sein, welche Handlungen vom Opfer nicht gewollt sind. Das Einverständnis des Opfers schließt die Strafbarkeit nach § 177 StGB aus. In der rechtspolitischen Diskussion wird dieser Grundsatz oft mit „Nein heißt Nein“ zusammengefasst, was bedeutet, dass jede ablehnende Erklärung des Opfers des sexuellen Übergriffs entscheidend ist. Der natürliche Wille des Opfers reicht aus und dieser muss für den Täter erkennbar sein. Die Erkennbarkeit wird dabei aus der Perspektive eines objektiven Dritten bewertet, wobei hypothetisch davon ausgegangen wird, dass dieser alle relevanten Fakten der Situation kennt. Subjektiv muss der Täter den Widerwillen des Opfers ebenfalls erkannt haben. Widerwille ist erkennbar, wenn das Opfer diesen entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten deutlich macht. Ein bloßer innerer Vorbehalt ist dabei nicht ausreichend. Wenn das Verhalten des Opfers ambivalent oder neutral wirkt, wird dies zu dessen Nachteil gewertet. Nicht allein der formale Wortlaut zählt, sondern auch vorherige Absprachen, die darauf hinweisen können, dass Äußerungen oder Signale des Widerwillens nicht ernst gemeint sind. Ohne eine entsprechende Kommunikation lässt sich der entgegenstehende Wille nicht aus äußeren Umständen ableiten; in solchen Fällen ist § 177 Abs. 2 StGB anzuwenden.
Sexuelle Ausnutzung sonstiger Umstände (§ 177 Abs. 2 StGB)
Auch der § 177 Abs. 2 StGB wurde im Jahr 2016 reformiert und führte zu einer weiteren Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Vorschrift stellt es unter Strafe, wenn der Täter eine Situation für die Vornahme sexueller Handlungen ausnutzt, in der das Opfer keinen klaren entgegenstehenden Willen bilden konnte.
Sexuelle Handlung + Ausnutzen, dass das Opfer keinen klaren entgegenstehenden Willen bilden kann = Sexuelle Ausnutzung sonstiger Umstände