Glaubwürdigkeit im Strafprozess bei einer Vergewaltigung

Wird ein Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, muss grundsätzlich die Bedeutungslosigkeit begründet werden.

Das Landgericht Freiburg verhandelte im Strafprozess gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

Er soll eines Nachts seine Tochter und deren 17-jährige Freundin abgeholt haben, um sie zu seiner geschiedenen Frau zu bringen. Als er die Wohnung erreichte, soll er seine Tochter aus dem Wagen gelassen und gesagt haben, dass er mit ihrer Freundin noch etwas besprechen müsste.

Anschließend soll er den Wagen verschlossen, die junge Frau zu seinem Nachtclub gefahren und sie dort vergewaltigt haben.

Die strafrechtliche Verurteilung basiert primär auf der Aussage der Geschädigten. Im Strafprozess verurteilte das Gericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

Die Strafverteidigung rügt mittels Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil.

Der Senat teilt die anwaltlichen Bedenken bezüglich der Glaubwürdigkeit der Geschädigten und zählt einige Anhaltspunkte auf. So zeigte die Frau die Tat erst mit zeitlicher Verzögerung an. Auch sagte sie gegenüber einer Freundin noch aus, die sie zur Polizei begleitet hatte, dass die Vergewaltigung im Fahrzeug erfolgt sei. Gegenüber ihrem Bruder erklärte sie dagegen, dass sie im Wohnhaus des Angeklagten vergewaltigt worden wäre.

Die Strafkammer des Landgerichts ging über diese Widersprüche hinweg, indem sie ausführte, dass der Freundin lediglich der Anfang der Tat geschildert wurde. Die falsche Angabe gegenüber dem Bruder erklärt die Kammer mit dem soziokulturellen Hintergrund der Familie, nachdem ein Nachtclub anrüchig sei.
Auch sagte eine Zeugin im Prozess aus, dass das mutmaßliche Opfer ihr gegenüber wenige Monate nach der hier angeklagten Tat behauptete, dass sie von ihrem Bruder vergewaltigt wurde.

Den Antrag auf ein psychologisches/psychiatrisches Glaubwürdigkeitsgutachten des Anwalts lehnte die Kammer mit der Begründung ab, dass damit lediglich eine Hilfstatsache bewiesen werden soll und es nicht ersichtlich ist, welche Schlüsse daraus für die Bewertung der Aussage der Geschädigten gezogen werden können.

Damit wurde der Antrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Grundsätzlich führt der Senat des BGH dazu aus:

Auch Vorfälle, die dem angeklagten Vorwurf zeitlich nachfolgen, und an denen der Angeklagte nicht beteiligt war, können im Einzelfall auf die Beurteilung des konkreten Falles wichtige Schlüsse zulassen und dadurch Bedeutung erhalten.

Im Kern kommt es darauf an, ob im konkreten Fall nach allgemeiner – oder jedenfalls richterlicher – Erfahrung der aufgezeigte Zusammenhang erkennbar ohne weiteres sicher zu verneinen ist

Der BGH führt aus, dass eine mögliche Bedeutungslosigkeit vom Gericht begründet werden muss. Ebenfalls müssen die hierfür maßgeblichen Erwägungen dargelegt werden. Dies fehlt hier jedoch. Zwar kann ausnahmsweise eine nähere Begründung entbehrlich sein, dazu müssten die Gründe aber evident auf der Hand liegen. Das ist hier nicht der Fall, da die Zeugin mehrfach unterschiedliche Varianten der Tat erzählte. Damit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung, die Revision der Strafverteidigung war insoweit erfolgreich.

BGH, Beschluss vom 5. Februar 2013, Az.: 1 StR 553/12

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