Strafverfahren

  • Ebenfalls wurde vom Bundesrat am 7.05.2010 ein Gesetzesentwurf zur „Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens“ beschlossen und in den Bundestag eingebracht (BR-Drucks. 120/10).

    Angesichts der begrenzten Ressourcen der Justiz bestehe ein Verbesserungsbedarf in den unterschiedlichen Abläufen des Strafverfahrens. Hierbei sei es das Ziel, die Strafverfahren zu beschleunigen ohne dabei die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen oder gegen berechtigte rechtsstaatliche Interessen des Bürgers, aber auch des Rechtstaatsprinzips zu verstoßen. Viele Vorschläge seien in der Literatur und auch rechtspolitischen Diskussion bereits aufgetaucht, jedoch herrsche hier eine gewisse Uneinigkeit.

    Im Hinblick auf strukturelle Reformen forderte der Bundesrat bereits vor einigen Jahren (BR-Drucks. 660/06) einen Gesetzesentwurf zur Effektivierung des Strafverfahrens. Von dem Entwurf wurden jedoch nur einige Teile umgesetzt. Hier bestünde noch weiterer Bedarf.

    Der derzeitige Entwurf sieht beispielsweise die Einführung einer Pflicht vor, dass Zeugen auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen haben. Diese Pflicht soll das Ermittlungsverfahren vereinfachen und beschleunigen. Ferner sind die Erstreckung des §153a StPO auf das Revisionsverfahren und eine Modifizierung der gerichtlichen Zuständigkeit bei den Entscheidungen nach §454 b Abs. 3 StPO in dem vorgelegten Entwurf vorgesehen.

  • (Mehr) Transparenz im Strafverfahren
    von Dr. Böttner, Strafverteidiger aus Hamburg

    In der 5. AG des 34. Strafverteidiger-Tage in Hamburg wurde sich primär mit dem Gesetzentwurf des Strafrechtsausschusses der BRAK zur Verbesserung der Wahrheitsfindung im Strafverfahren vom 18.02.2010 auseinandergesetzt, der den verstärkten Einsatz von Bild-Ton-Technik mit sich bringt. Doch ist die Videoaufzeichnung ein sinnvoller und vor allem zeitgemäßer Schritt zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder führen solche Methoden der Videovernehmung zu einer Totalüberwachung?

    Für die Polizeibehörde bedeutet die Videovernehmung eine neue Art der Kontrolle, die sich der vernehmende Polizeibeamte im späteren Verfahren ausgesetzt sehen könnte und eine konkrete Überprüfung der Vernehmung und dessen rechtstaatlicher Durchführung ermöglicht. Diese hat auch für einen bewusst täuschenden oder lügenden Vernehmungsbeamten Folgen.

    Anders sehen es jedoch die Teilnehmer der AG. Die Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Aussage und insbesondere eines Geständnisses bedeutet für den Strafverteidiger, sich zwar auf der einen Seite über Risikofaktoren und Begleitumstände zu informieren und auch sein persönliches Geschick zu nutzen, jedoch ist die Verwendung von authentischen Protokollen unabdingbar. Der Einsatz von Videovernehmungen erschafft darüber hinaus nicht nur ein solches Wortprotokoll, sondern bietet deutlich mehr Platz für die Überprüfung des tatsächlichen Ablaufes der Vernehmung.

    Aus diesem Grund begrüßen die Teilnehmer der AG den BRAK-Entwurf zur Videodokumentation und führen noch einige Ergänzungen an:

    Das Video als Protokollbefehl sollte nach Vorstellung der Teilnehmer nach jedem Hauptverhandlungstag zu den Akten genommen werden. Zusätzlich müsste das Video noch in der laufenden Hauptverhandlung gemäß §147 StPO für die Verteidigung einsehbar sein, so dass weitere Unklarheiten in der Beweisaufnahme und sonstige fehlerhafte Abläufe aufgeklärt werden könnten. Hierzu weisen die Teilnehmer der 5. AG darauf hin, dass eine Videoaufnahme der Hauptverhandlung – wie sich in anderen Rechtskreisen bereits zeigte – einen „gewissen Disziplinareffekt auf die Verfahrensbeteiligten“ hat.

    Des Weiteren bietet die Videodokumentation auch die nahe liegende Erweiterungsmöglichkeit, sich auch auf das Ermittlungsverfahren auszudehnen und beispielsweise bei Beschuldigtenvernehmungen durch die Videoaufzeichnung Manipulationen und Fehler aufzuzeigen, jedenfalls durch diese Kontrolle zu minimieren.

    Interessant ist ferner, inwiefern der Einsatz von Videoaufzeichnungen das Aussageverhalten der Beschuldigten verändert und dieser durch eine solche technische Kontrolle einer (auch subjektiv empfundenen) anderen Situation ausgesetzt wird. Empirische Studien und eine wissenschaftliche Begleitung über das eventuell geänderte Aussageverhalten sind wünschenswert.

    Allerdings kritisieren die Teilnehmer der 5. AG, dass der neue Entwurf zur Videodokumentation in § 136 StPO nF nicht die Belehrungspflicht über die Videovernehmung vorsieht. Es wird aufgrund der eventuell bedeutsamen Rolle der Videoaufzeichnung für das spätere Verfahren eine zwingende Verteidigerbeiordnung bei der geplanten Videovernehmung des Beschuldigten gefordert, um bei dem Beschuldigten zu keinem (späteren) Nachteil zu sorgen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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