Ist ein Gefängnisausbruch strafbar?

In letzter Zeit gelang Inhaftierten immer wieder die Flucht aus Justizvollzugsanstalten. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist der Gefängnisausbruch eigentlich strafbar? Grundsätzlich ist der Ausbruch aus einem Gefängnis in Deutschland nicht strafbar. Bereits im 19. Jahrhundert respektierte der deutsche Gesetzgeber den natürlichen Drang nach Freiheit. Aus diesem Grund sollte niemand aufgrund eines Ausbruches erneut bestraft werden.

Es gibt jedoch einige Fallstricke, die in der Praxis doch zur Strafbarkeit führen können.

Typische strafbare Begleittaten eines Gefängnisausbruchs

In den seltensten Fällen steht die Tür des Gefängnisses offen, so dass der Gefangene einfach herausspazieren könnte. Daher kommt es häufig zu sogenannten Begleittaten bei einem Gefängnisausbruch.

Wird beispielsweise körperliche Gewalt gegen Personen angewandt, sind häufig die Straftatbestände der Körperverletzung oder sogar gefährlichen bzw. schweren Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) erfüllt. Auch die Bestechung (§ 334 StGB), Bedrohung (§ 239 StGB) oder Geiselnahme (§ 239b StGB) von Beamten stellt eine typische Begleitstraftat bei einem Ausbruch dar.

Bei der Beschädigung von Sachen, beispielsweise von Stacheldrahtzäunen, ist ferner der Straftatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu beachten. Kompliziert ist auch die Frage des Diebstahls. Werden Gegenstände aus der Anstalt mitgenommen, steht nämlich der Tatbestand des Diebstahls (§ 242 StGB) im Raum. Dies kann zum Beispiel bei entwendeten Schlüsseln oder auch bei der Haftkleidung der Fall sein. Maßgeblich kommt es in diesen Fällen dann auf die Zueignungsabsicht an, die bei Anstaltskleidung, der sich in der Regel schnell entledigt wird, zumeist nicht gegeben ist. Bei einem Schlüssel, der als Fluchtmittel mit aus der Anstalt genommen wird, kann dies ganz anders aussehen.

Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB) – straffrei oder nicht?

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Straffreiheit der Flucht stellt die Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB) dar. Dabei wirkt der Straftatbestand jedoch nur auf den ersten Blick wie eine Ausnahme. Denn zur Verwirklichung des Straftatbestandes muss mindestens eine weitere Straftat erfüllt sein. Es muss nämlich eine Nötigung, eine Tätlichkeit oder eine Sachbeschädigung vorliegen, damit ein Straftatbestand überhaupt in Frage kommt.

Ferner müssen sich Gefangene „zusammengerottet“ haben. Dabei reichen grundsätzlich zwei Gefangene aus. Sie müssen aber mit gemeinsamen Kräften eine der genannten Handlungen begehen.

Somit bestraft die Gefangenenmeuterei auch nicht die einfache Flucht und stellt damit keine Ausnahme zur grundsätzlichen Straflosigkeit dar. Sie erhöht lediglich den Strafrahmen, wenn mit vereinten Kräften Begleitstraftaten zur Flucht begangen werden. Die Meuterei von Gefangengen im Sinne des § 121 StGB wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen, zum Beispiel beim Mitführen von Waffen, droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Strafbarkeit von hilfsbereiten Dritten / Fluchthelfern

Da die reine Flucht aus dem Gefängnis nicht strafbar ist, wäre grundsätzlich auch die Hilfeleistung zur Flucht nicht strafbar. Weil der Gesetzgeber aber nur den Freiheitsdrang des Einzelnen nicht unter Strafe stellen möchte, wäre dieses Ergebnis unbefriedigend.

Aus diesem Grund gibt es den Straftatbestand der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB):

Wer einem Gefangenen bei seiner Flucht hilft oder ihn zu seiner Flucht verleitet, kann mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um einen Strafgefangen, einen Untersuchungsgefangenen oder gar um einen nur vorläufig Festgenommenen handelt. Der Straftatbestand kann sogar dann erfüllt sein, wenn einem Gefangen die Flucht aus dem offenen Vollzug ermöglicht wird.

Strafvereitelung und Strafvollstreckungsvereitelung

Für Dritte, die einem Gefangenen bei der Flucht helfen, kommt ferner die Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht.

Der Absatz 1 sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe für den denjenigen vor, der absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.

Der Absatz 2 sanktioniert zusätzlich die Strafvollstreckungsvereitelung. Dieser Absatz kann nur nach dem rechtskräftigen Urteil einschlägig sein. Also wenn der Gefangene sich nicht dem Strafverfahren entzieht, sondern lediglich der Vollstreckung der Strafe.

Grundsätzlich gilt das zu Absatz 1 Gesagte. Typische Tathandlungen sind hier beispielsweise das Bereitstellen eines Fluchtfahrzeuges oder die Organisation des Untertauchens im Ausland. Reines sozialadäquates Verhalten, zum Beispiel das Zusammenleben mit dem Flüchtigen oder das Versorgen mit Obdach und Lebensmitteln, erfüllt den Straftatbestand jedoch noch nicht.

Der wohl wichtigste Teil versteckt sich jedoch in Absatz 6. Das sogenannte Angehörigenprivileg kann nämlich zur Straffreiheit führen. Demnach können sich Angehörige des Gefangen nicht der Strafvereitelung strafbar machen. Als Angehörige gelten beispielsweise Verwandte und Verschwägerte gerader Linie (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel und deren jeweiligen Ehepartner), der Lebenspartner (inklusive dem Verlobten), Geschwister und deren Lebenspartner. Diese Straffreiheit gilt jedoch nur für die Strafvereitelung. Wird Hilfe zu anderen Straftaten bei der Flucht geleistet, zum Beispiel bei einer Sachbeschädigung oder einem Diebstahl, bleibt die Strafbarkeit bezüglich dieser Taten bestehen.

Zusammenfassung

Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, gibt es bei der grundsätzlich straffreien Flucht auch viele strafrechtliche Fallstricke. Dies betrifft nicht nur den Gefangene selbst, sondern auch hilfsbereite Dritte. Darüber hinaus sollte bedacht werden, dass nach einer Wiederergreifung zwar keine strafrechtlichen Sanktionen, jedoch haftinterne Konsequenzen drohen können. Das kann nicht nur den Entzug von Haftlockerungen bedeuten, sondern auch Auswirkungen auf eine mögliche Reststrafenaussetzung haben. Bei einer Flucht oder auch nur einem Fluchtversuch wird es dann mit der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach 2/3 der Strafe eher schlecht aussehen.

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