Beweis

  • 1. Strafsenat des BGH, Az. 1 StR 218/09

    Die Angeklagten worden vom Landgericht Landshut wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren  bzw. wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wanden sich beide Angeklagte mit ihrer Revision, über die der Bundesgerichtshof (BGH) nun zu entscheiden hatte.

    Während der Hauptverhandlung hatten beide Angeklagten beantragt, den Vater der Betroffenen als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er von der  Mutter gegen 5:03 Uhr zu seiner Arbeitsstelle gefahren worden sei und sie daher nicht zu diesem Zeitpunkt am heimischen PC gewesen sein könne.

    Das Landgericht lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, dieses Beweismittel sei völlig ungeeignet, und führte dazu aus: Es widerspreche „der gesicherten Lebenserfahrung, dass der Zeuge im Hinblick auf den langen Zeitablauf und das Fehlen einer früheren Vernehmung noch eine Erinnerung an die präzise zeitliche Einordnung der in sein Wissen gestellten Tatsachen haben könnte“.

    In der Revision rügen Beide über Ihre Strafverteidiger daher einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO – mit Erfolg: Nach Auffassung des 1. Strafsenats durfte das LG Landshut mit dieser Begründung die Beweisanträge nicht ablehnen.

    So heißt es im Wortlaut des Beschlusses:

    „Als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann einzustufen, wenn das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis sagen kann, dass sich mit diesem Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht wird erzielen lassen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 und 15). Die absolute Untauglichkeit muss sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Bei der Annahme, die Erhebung eines Beweises erscheine von vornherein gänzlich nutzlos, ist ein strenger Maßstab anzulegen.“

    Des Weiteren trifft dieses nur dann zu, wenn Umstände vorliegen, welche eindeutig dagegen sprechen, dass der Zeuge bei seiner Aussage vor Gericht etwas zur Sachaufklärung beitragen könnte. Entscheidend ist hier, ob der Vorgang für den Zeugen bedeutsam gewesen ist oder er sich lediglich auf Erinnerungshilfen stützen kann. Sollte bei dieser Prüfung nur ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert herauskommen, darf dieser dennoch nicht von vornherein als völlig ungeeignet angesehen werden.

    Angesichts dieser Grundsätze gebietet die Annahme des Gerichts, der benannte Zeuge könne sich nicht mehr genau erinnern an den Vorgang, keine ausreichende Grundlage zur Ablehnung des Beweismittels und insbesondere der Begründung des Beweismittels als „völlig ungeeignet“.

    Im vorliegenden Fall lag die Tag zum Zeitpunkt der Verhandlung lediglich rund 8 Monate zurück, so dass die Zeitspanne nicht derart lang ist, als dass die Erinnerungen des Zeugen als von vornherein als ausgeschlossen anzusehen wäre. Zudem hatte der Ehemann an diesem Tag Geburtstag, was auch die Mutter bei ihrer Zeugenaussage als Erinnerungsbrücke angab. Des Weiteren ist es auch möglich, den Fahrtenschreiber des Ehemannes auszulesen und so die Erinnerungen aufzufrischen.

    Anbetracht dessen ist die Ablehnung des Beweisantrages als „völig ungeeignet“ rechtswidrig

    Es ist daher nicht auszuschließen, dass von diesen Festestellungen ausgehend die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin bei ordnungsgemäßer Beweisaufnahme anders beurteilt hätte werden können und dies insgesamt zu einem für den Angeklagten günstigeren Schuldspruch oder zu einer Freisprechung geführt hätte. Aus diesem Grund kann das Urteil auf diesen Verfahrensfehler beruhen. Der Revision war daher erfolgreich  und das Verfahren zwecks erneuter Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

  • 3. Strafsenat des BGH Az. 3 StR 451/09

    Der Angeklagte war vom Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH),  mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

    Nach Feststellung des LG hatte der Angeklagte den Transport von 10kg Heroin mittels eines LKWs aus der Türkei nach Deutschland organisiert und plante, dieses gewinnbringend weiter zu verkaufen. Als der Angeklagte mit seinem LKW in K. angekommen war, veranlasste er den Mitangeklagten A, das Betäubungsmittel abzuholen. Kurz nach der Übergabe wurden der Mitangeklagte A, der Fahrer und in etwa zeitgleich auch der Angeklagte sowie Mitangeklagte C. festgenommen.

    Im späteren Verfahren hatte sich der Angeklagte dahin eingelassen, dass es sich seiner Meinung nach bei der Ladung um geschmuggelte Antiquitäten handele, „die er für einen erkrankten Bekannten entgegennehmen wolle“. Um dieses zu beweisen, verwies er auf einige Telefonate mit seinen Verwandten in der Türkei. Im Verfahren bzw. der Hauptverhandlung beantragte der Strafverteidiger des Angeklagten sodann die Vernehmung des Neffen des Angeklagten, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Türkei befand und bestätigen sollte, dass es sich hierbei in der Tat lediglich „um einen Freundschaftsdienst im Zusammenhang mit dem Schmuggeln von Antiquitäten“ handele.

    Diesen Antrag lehnte die Strafkammer gemäß §244 Abs. 5 S. 2 StPO ohne weitere Begründung mit der Erwägung ab, „auch bei Erwiesenheit der unter Beweis gestellten Tatsache sei kein direkter Schluss darauf möglich, ob der Angeklagte die Tat begangen habe oder nicht“. Auch zwei weitere Anträge der Verteidigung, die die Vernehmung von zwei Zeugen aus der Türkei vorsahen, wurden von der Strafkammer nach §244 Abs. 5 S. 2 StPO abgewiesen, da sie nur mögliche, aber nicht zwingende Schlüsse bezüglich der unter Beweis gestellten Tatsachen hinsichtlich des Freundschaftsdienstes des Angeklagten zuließen.

    Der BGH sieht darin keine ausreichende Begründung für die Zurückweisung der drei Beweisanträge und führt dazu aus:

    “Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach pflichtgemäßer Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich somit nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit rechtsfehlerfreier Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können oder dass ein Einfluss der Aussage auf seine – des Tatrichters – Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. nur BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; BGH NJW 2005, 2322, 2323 m. w. N.).“

    Zudem bedarf eine dementsprechende Ablehnung eines solchen Beweisantrages eines Gerichtsbeschlusses nach §244 Abs. 6 StPO mit dazugehöriger Begründung. Damit soll sichergestellt werden, dass der Antragsteller davon unterrichtet wird, wie das Gericht den Antrag bewertet hat, und infolgedessen sich in seiner Verteidigung auf den weiteren Verfahrensgang und den Folgen des Ablehnungsbeschlusses einstellen kann. Des Weiteren wird durch den Ablehnungsbeschluss „dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung ermöglicht“.

    Die drei Ablehnungsbeschlüsse erfüllen jedoch nicht die genannten Voraussetzungen, wie der 3. Strafsenat des BGH im Folgenden feststellt:

    „Diesen Anforderungen werden die genannten Beschlüsse nicht gerecht. Sie enthalten noch nicht einmal im Ansatz eine antizipierende Würdigung des zu erwartenden Beweisergebnisses vor dem Hintergrund der bis dahin erhobenen Beweise. Damit ließen sie zum einen den Antragsteller über die Einschätzung der Strafkammer über die Beweissituation und die insoweit bestehende Verfahrenssituation völlig im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen hat. Auf diese Rechtsprüfung ist der Senat beschränkt; er kann insbesondere die notwendige vorweggenommene Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht durch eine eigene Bewertung ersetzen (BGH NJW 2005, 2322, 2323).“ [..] Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob die Ausführungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein könnten, es habe trotz seines ausdrücklichen Hinweises auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO in der Sache die Beweisanträge nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO als aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ablehnen wollen; denn die Beschlüsse genügen auch insoweit den an ihre Begründung zu stellenden Anforderungen nicht (s. hierzu Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 145 m. w. N.).“

    Angesichts dieser dargelegten Verfahrensfehler im Sinne des §337 Abs. 1 StPO ist nicht auszuschließen, dass das LG zu einer abweichenden Beweiswürdigung auf Grund der drei erhobenen Beweisanträge und dieser Beweisbehauptungen gelangt wäre, die sich für den Angeklagten bei der Strafzumessung milder ausgewirkt haben könnte. Das Urteil ist insofern aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückzuweisen.

  • OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2009 – Az. 311 SsBs 49/08

    Der Betroffene war wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel zu einer Geldstrafe von 250 Euro vom Amtsgericht verurteilt. Während der Polizeikontrolle stellten die Beamten die Daten des Betroffenen fest und nahmen mit Einverständnis des Betroffenen einen Drogentest vor. Anschließend ordnete der Zeuge PK K. eine Blutentnahme an, ohne jedoch eine richterliche Anordnung hierfür zu erlangen, und begründete dies mit „der Gefahr von Verzug wegen der Gefahr von Beweisverschlechterung“. Hiergegen wendete der Betroffene die Rechtsbeschwerde ein.

    Das OLG Celle hob das Urteil auf und sprach den Betroffenen frei. Begründet wurde dies damit, dass keine Gefahr im Verzug vorlag und die zuständigen Beamten genug Zeit gehabt hätten, sich eine richterliche Anordnung im Sinne des Richtervorbehalts nach §81a StPO einzuholen. Aus diesem Grund liegt ein Verfahrensfehler vor, der zum Beweisverwertungsverbot führt:

    „Der so festzustellende Verfahrensverstoß führt vorliegend zu einem Beweisverwertungsverbot, also zur Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung. Zwar führt grundsätzlich nicht jeder Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr bedarf es nach der vom BVerfG gebilligten Auffassung (ZfS 2009, 46) einer an den Umständen des Einzelfalls sich orientierenden umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen, wobei das Ergebnis maßgeblich vom Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes bestimmt wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O; NStZ-RR 2009, 185). Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers kann dabei ein Verwertungsverbot nach sich ziehen.“

    Letztlich führt dies zum Ergebnis, dass es an einer zulässigen Grundlage für den Nachweis einer Fahrt des Betroffenen unter Drogeneinfluss fehle und auch keine anderen Erkenntnisse hierfür sprechen würden. Somit ist der Betroffene durch den Senat gemäß §79 Abs. 6 OWiG freizusprechen.

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