Sieben Jahre saß Gustl Mollath zwangsweise in der Psychiatrie. Er hatte seiner Frau und ihrem Arbeitgeber, eine Bank, Schwarzgeldgeschäfte vorgeworfen. Unter anderem soll er daraufhin auch Autoreifen zerstochen und Personen körperlich angegriffen haben. Am Ende wurden die Theorien von Mollath vom Landgericht als Hirngespinste abgetan und der heute 56-Jährige in eine psychiatrische Unterbringung eingewiesen. Später stellte sich heraus, dass die Vorwürfe Mollaths zum Teil der Wahrheit entsprachen.
Der Angeklagte wurde in einem Strafprozess vor dem Landgericht Essen vom Vorwurf des gewerbsmäßigen Fälschens von Schecks freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wehrte sich mit der Revision gegen den Freispruch. Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnt die Revision jedoch als unzulässig ab, da die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war.
Nachdem das Urteil niedergelegt und das Protokoll vom letzten Hauptverhandlungstag vom Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten unterschrieben wurde, ging die Akte am 3. Februar 2012 bei der Staatsanwaltschaft ein. In der Akte war jedoch das letzte Teilprotokoll noch nicht eingeheftet worden. Die Staatsanwaltschaft schickte deswegen die Akte zurück und bat um erneute Zustellung, sobald das Protokoll fertig gestellt sei.
Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes und versuchten Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Gegen die Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Er rügte, dass das Verfahren – bezogen auf die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes – entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen sei, da insofern kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt und somit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis besteht.
Dazu der BGH:
Das Formular des Eröffnungsbeschlusses vom 15. Februar 2011, mit dem die den Tatvorwurf des (besonders) schweren Raubes betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, ist allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Es kann dahinstehen, ob es wegen der fehlenden Unterschriften der beiden Beisitzer bereits an einer notwendigen Förmlichkeit für einen wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt (so BGH, Urteil vom 1. März 1977 – 1 StR 776/76; Beschluss vom 9. Juni 1981 – 4 StR 263/81, NStZ 1981, 448; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 1991 – 1 Ss 43/91, NJW 1991, 2849, 2850; SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 203 Rn. 8; HK-StPO-Julius, 4. Aufl., § 207 Rn. 18; offen gelassen von BGH, Urteil vom 15. Dezember 1986 – StbSt [R] 5/86, BGHSt 34, 248, 249) oder ob, wie die wohl herrschende Ansicht annimmt, eine fehlende oder nicht von allen mitwirkenden Richtern vorgenommene Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses jedenfalls dann an dessen Wirksamkeit nichts ändert, wenn anderweitig nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (s. etwa RG, Urteil vom 3. Februar 1910 – III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 1954 – 5 StR 703/53, NJW 1954, 360; vom 5. Februar 1997 – 5 StR 249/96, NJW 1997, 1380, 1381; vom 8. Juni 1999 – 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Vor § 33 Rn. 6; KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 207 Rn. 29); denn eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vermag der Senat hier nach den konkreten Umständen nicht festzustellen.
Die eingeholten dienstlichen Äußerungen sind unergiebig. Die Beisitzer haben mitgeteilt, sich „an die Fassung des Eröffnungsbeschlusses konkret nicht erinnern“ zu können. Eine tatsächliche Beschlussfassung ergibt sich nicht daraus, dass sie – wie sie ausführen – über den Fall und die für eine Eröffnung ausreichende Beweislage gesprochen haben. Denn allein die Erörterung der Beweislage beinhaltet noch nicht die Willensäußerung, die Eröffnung zu beschließen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Februar 1983 – 3 StR 512/82, StV 1983, 318). Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beisitzer die Gespräche zeitlich nicht näher eingrenzen konnten und damit offen bleibt, ob die Gespräche überhaupt vor oder an dem Datum der vermeintlichen Beschlussfassung stattgefunden hatten.
Die Unwirksamkeit des vermeintlichen Beschlusses vom 15. Februar 2011 ist nicht durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt worden. Eine solche ist insbesondere nicht in dem von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschluss vom 18. April 2011 zu sehen, mit dem sie die den versuchten Computerbetrug betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, beide Verfahren verbunden und die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung bestimmt hat. Denn hieraus ergibt sich mangels entsprechender inhaltlicher Anknüpfungspunkte nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die erste Anklage tatsächlich beschlossen haben (s. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, 151; ähnlich auch BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1988 – 1 StR 223/88; vom 9. Januar 1987 – 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. September 2010 III-3 RVs 117/10, NStZ-RR 2011, 105; OLG Köln, Beschluss vom 26. September 2003 – Ss 388/03 – 199, NStZ-RR 2004, 48, 49). Im Übrigen belegen auch die dienstlichen Äußerungen nicht, dass die Beisitzer im Rahmen der Verbindung eine Eröffnungsentscheidung über die erste Anklage treffen wollten. Vielmehr bestand für eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht schon deshalb kein Anlass, weil sie davon ausgingen, dass auch der Vorwurf des besonders schweren Raubes habe verhandelt werden sollen.
Eine Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert jedenfalls daran, dass die Kammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte, die Eröffnungsentscheidung aber durch die Kammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung – also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen – zu treffen ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09).
Der BGH schließt sich folglich der Auffassung der Revision an. Es liegt damit kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor, welcher allerdings erforderlich ist. Es wird leider nicht deutlich, wie dem Landgericht das „Missgeschick“ unbemerkt passieren konnte. Zumindest stellt das Fehlen eines wirksamen Beschlusses ein nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens gemäß § 467 Abs. 1 StPO zur Folge hat.
BGH, Beschluss vom 29.09.2011, Az.: 3 StR 280/11
3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 30/10
Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden.
Mit der hiergegen eingewendeten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat der Angeklagte Erfolg.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner