Befangenheit im Strafverfahren

Ein faires und unparteiisches Verfahren ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Rechtssystems. Doch was passiert, wenn Zweifel an der Neutralität eines Richters, Schöffen oder Sachverständigen aufkommen? In solchen Fällen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit zu stellen. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Entscheidungen objektiv und ohne unzulässige Einflüsse getroffen werden.

Was bedeutet Befangenheit im rechtlichen Kontext?

Befangenheit bezeichnet die begründete Sorge, dass eine Person, die im Strafverfahren eine Entscheidungsfunktion innehat – wie ein Richter, Schöffe oder Sachverständiger – nicht neutral und unvoreingenommen handelt. Dabei muss keine tatsächliche Parteilichkeit nachgewiesen werden. Es genügt, wenn ein objektiver Dritter den Eindruck gewinnen könnte, dass die betreffende Person nicht unvoreingenommen ist. Dieses Prinzip dient dem Schutz der Verfahrensgerechtigkeit und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz. 

Ein faires Verfahren erfordert, dass alle Verfahrensbeteiligten gleich behandelt werden. Kommt jedoch der Eindruck auf, dass eine Person durch persönliche Interessen, Beziehungen oder Vorurteile beeinflusst ist, kann dies das Ergebnis des Verfahrens verfälschen und das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttern.

Rechtliche Grundlagen und betroffene Personen der Befangenheit

Im Strafverfahren regelt § 24 der Strafprozessordnung (StPO) die Möglichkeit, Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dieses Recht gilt nicht nur für Berufsrichter, sondern auch für ehrenamtliche Richter (Schöffen) und Sachverständige. Auch andere Verfahrensbeteiligte, wie beispielsweise Dolmetscher, können in Ausnahmefällen von einem solchen Gesuch betroffen sein. Ziel dieser Regelungen ist es, die Unparteilichkeit aller Entscheidungsträger im Verfahren zu sichern.

Ein Ablehnungsgesuch kann sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten oder seinem Verteidiger gestellt werden. Es ist dabei entscheidend, dass das Gesuch ausreichend begründet wird, um Erfolg zu haben.

Typische Gründe für die Besorgnis der Befangenheit

Die Gründe, die den Eindruck einer Befangenheit erwecken können, sind vielfältig. Persönliche Beziehungen zwischen einem Richter und einer der Verfahrensparteien, sei es eine Freundschaft, Feindschaft oder eine familiäre Verbindung, stellen ein klassisches Beispiel dar. Auch die vorherige Beteiligung eines Richters am gleichen Fall, etwa als Staatsanwalt oder Rechtsanwalt, kann Zweifel an seiner Neutralität aufkommen lassen.

Ein weiteres Beispiel ist das Verhalten des Richters während des Verfahrens. Abwertende Bemerkungen, parteiisches Verhalten oder eine übermäßige Unterstützung einer Seite können aus Sicht der anderen Partei als Befangenheit gewertet werden. Selbst äußere Umstände, wie private Kontakte zu einer Partei oder die Annahme von Geschenken, können den Eindruck erwecken, dass der Richter nicht unvoreingenommen handelt. 

Besonders heikel sind Fälle, in denen Sachverständige betroffen sind. Ihre Gutachten haben oft erheblichen Einfluss auf den Ausgang eines Verfahrens. Wenn der Sachverständige beispielsweise schon zuvor in ähnlichen Fällen eine deutlich erkennbare Haltung eingenommen hat, kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Wie wird ein Ablehnungsgesuch bezüglich der Befangenheit gestellt?

Ein Ablehnungsgesuch sollte immer sorgfältig vorbereitet und unverzüglich gestellt werden, sobald der Verdacht auf Befangenheit bekannt wird. Im Strafverfahren ist dies gemäß § 25 StPO bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten möglich. Das Gesuch kann schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Es muss den Ablehnungsgrund konkret darlegen und idealerweise mit Beweisen oder Beispielen untermauern.

Das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, entscheidet über das Gesuch, wobei der betroffene Richter nicht an der Entscheidung mitwirken darf. Wird das Gesuch abgelehnt, gibt es im Strafverfahren in der Regel keine unmittelbaren Rechtsmittel dagegen. Die Überprüfung der Entscheidung ist erst im Rahmen eines Rechtsmittels gegen das Endurteil möglich.

Konsequenzen eines erfolgreichen oder abgelehnten Gesuchs aufgrund des Verdachts der Befangenheit

Wird einem Ablehnungsgesuch stattgegeben, scheidet der betroffene Richter, Schöffe oder Sachverständige aus dem Verfahren aus. Dadurch wird sichergestellt, dass die Neutralität und Unparteilichkeit des Verfahrens gewahrt bleiben.

Allerdings kann die Neubesetzung eines Verfahrensbeteiligten das Verfahren verzögern und zusätzlichen organisatorischen Aufwand verursachen.

Ein abgelehntes Gesuch hingegen kann das Vertrauensverhältnis zwischen dem Gericht und dem Antragsteller belasten. Es ist daher ratsam, ein solches Gesuch nur dann zu stellen, wenn der Verdacht der Befangenheit gut begründet ist. Unbegründete oder taktisch motivierte Gesuche können schnell als missbräuchlich gewertet werden.

Befangenheit bei Sachverständigen

Sachverständige nehmen eine Schlüsselrolle im Strafverfahren ein, da ihre Gutachten häufig maßgeblichen Einfluss auf die gerichtliche Entscheidung haben. Zweifel an ihrer Unparteilichkeit können daher erhebliche Auswirkungen haben. Besonders relevant ist dies, wenn der Sachverständige in einer früheren Angelegenheit für eine der Parteien tätig war, persönliche Verbindungen zu einer der Parteien unterhält oder sich in der Vergangenheit öffentlich zu dem Verfahren geäußert hat. Die gleichen Grundsätze wie bei Richtern gelten hier entsprechend.

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