2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 2 StR 354/10
Die Strafkammer bot zu Beginn der Hauptverhandlung milde Strafobergrenzen im Gegenzug für Geständnisse an. Die Angeklagten gingen auf dieses Angebot nicht ein. Nach mehreren Verhandlungstagen unterbreitet die Strafkammer den Angeklagten erneut ein Angebot. Danach sollten bei Geständnissen die schon früher angebotenen Strafobergrenzen gelten; zudem sollte wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell in Höhe von sechs Monaten erfolgen; ferner sollte von der StA eine Halbstrafenmaßnahme befürwortet werden. Auch auf dieses Angebot gingen die Angeklagten nicht ein.
Erst nach der Beweisaufnahme legten die Angeklagten die Geständnisse ab. Das Gericht stellte danach fest, dass keine Verständigung zustande gekommen sei. Die festgesetzten Gesamtstrafen liegen mäßig über der Strafobergrenze, eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung wurde nicht festgestellt.
Dagegen wandten sich die Angeklagten mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 2. Strafsenat vermag darin keine Verletzung von § 275c StPO erkennen, da eine Verständigung ausdrücklich nicht erfolgt sei. Zudem sei kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Das Angebot, eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festzustellen und durch Vollstreckungserklärung in Höhe von sechs Monaten kompensieren zu wollen, sei erkennbar fernliegend und falle nicht unter § 275c StPO.
Aus dem Wortlaut des Beschluss:
„Es lag auf der Hand, dass eine Art. 6 Abs. I MRK widersprechende Menschenrechtsverletzung nicht vorlag. Es ist schon zweifelhaft, ob durch die Beteiligung an einer solchen, § 257c StPO widersprechenden Absprache überhaupt ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden könnte. Das gilt erst recht für Angebote und Absprachen, welche sich auf Zusagen beziehen, die nach § 257c II StPO schon ihrer Art nach gar nicht Gegenstand von Absprachen sein dürfen, hier also eine Halbstrafen-Aussetzung gem. § 57 II StGB oder deren Befürwortung oder Beantragung.
Im vorliegenden Fall kam es jedoch darauf nicht an, da bereits die Bedingung des Angebots des LG offenkundig nicht eingetreten war.“