3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 111/11
Die Beschuldigte wandte sich mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen die vom Landgericht angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschuldigte befand sich zum Tatzeitpunkt in einem Behandlungstermin. Als sie Angst und Panik empfand, wurde sie „zunehmend angespannt und aufgeregt“. Kurz darauf hörte sie Stimmen, infolge dessen sie ein in ihrer Handtasche mitgeführte Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm ergriff. Die Zeugin T. wich sofort zurück und betätigte den Alarmknopf. Einen Angriff mit dem Messer konnte die Zeugin T. abwehren. Ein wenig später konnte die Beschuldigte festgehalten und ihr das Messer abgenommen werden. Weiter heißt es: „Während des Tatgeschehens war die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten wegen einer schizoaffektiven Psychose aufgehoben“.
Im Prozess hat sich die Beschuldige dahingehend eingelassen, sie habe lediglich mit dem Messer zu drohen versucht, wollte aber nicht auf diese einstechen. Die Strafkammer folgte dem nicht und nahm einen schuldfähigen und mit natürlichem Vorsatz begangenen versuchten Totschlag an.
Wie der Strafsenat des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss ausführt, beruht die Annahme des Landgerichts, die Anlasstat sei ein mit natürlichem Vorsatz begangener versuchter Totschlag, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Die Feststellung der Strafkammer, die Beschuldigte habe einen Stich in Richtung des Oberkörpers im Bereich des Herzens geführt, um Frau T. zu töten, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweisgrundlage (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 2 und § 337 Rn. 26, jeweils mwN). Sie steht im Widerspruch zu den Aussagen aller vernommenen Zeugen, von denen keiner eine Stichbewegung bekundet hat. Dies gilt auch für die Zeugin T. , die in ihrer Aussage lediglich einen Widerstand beschrieben hat, den sie beim Ergreifen des Handgelenks der Beschuldigten gespürt habe, nicht aber eine tatsächlich geführte Stichbewegung. Sie hat ihren subjektiven Eindruck wiedergegeben, dass ein Stich, wenn er tatsächlich geführt worden wäre, sie im Bereich des linken Arms getroffen hätte, mit dem sie ihren Oberkörper in der Herzgegend geschützt habe. Zu einem Stich ist es nach dieser Zeugenaussage wegen des Festhaltens der Hand nicht gekommen. Die Zeugin B. hat eine Stichbewegung in ihrer Vernehmung explizit ausgeschlossen, der Zeuge W. konnte sich an eine solche nicht erinnern.
Weiterhin ist die Beweiswürdigung lückenhaft (vgl. dazu Meyer-Goßner, aaO, § 337 Rn. 27 mwN), weil sich das Landgericht nicht im Einzelnen mit der Möglichkeit befasst hat, dass die Beschuldigte die Zeugin T. lediglich bedrohen und nötigen, nicht aber töten wollte. Hierzu bestand indes nach der Einlassung der Beschuldigten und den Zeugenaussagen Anlass. Die Strafkammer hat den natürlichen Tötungsvorsatz allein aus der Angabe der Zeugin T. gefolgert, sie habe deutlich Widerstand gespürt, als sie das Handgelenk der Beschuldigten ergriffen habe. Bei dieser Beweissituation hätte sich das Landgericht näher mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Beschuldigte die Geschädigte mit dem Messer nur bedrohen wollte und lediglich dem Festhalten ihres Handgelenks Widerstand entgegensetzte.“
Aus diesem Grund hebt der Strafsenat die Anordnung auf. Ferner bedarf es einer neuen Verhandlung und Entscheidung.
Im Übrigen weißt der Strafsenat für die neue Hauptverhandlung noch unter anderem auf folgendes hin:
“Die akute schizoaffektive Psychose, die das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zum Tatzeitpunkt bejaht hat, könnte als krankhafte seelische Störung einzuordnen sein, welche die Fähigkeit der Beschuldigten ausgeschlossen hat, das Unrecht ihres Handelns einzusehen. Ohne weitere Erörterung ist bei dem festgestellten Krankheitsbild nicht nachvollziehbar, dass bei bestehender Unrechtseinsicht lediglich die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 1996, 12.5.1.5 und 12.5.3.1).“
Eine Entscheidung, mit der der BGH erneut eine lückenhafte (und einseitige) Beweiswürdigung beanstanden muss. Die Revision der Angeklagten war erfolgreich und das Urteil aufzuheben.