Das Landgericht Frankfurt/Main hat einen 27jährigen Mann wegen Mordes an einer 23jährigen Nachtschwester zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit kam das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft vollumfänglich nach.
Dem Prozess lag der Sachverhalt zugrunde, dass das Opfer im März dieses Jahres erst ihre Stelle antrat und am 17. März zwecks Einarbeitung ihre erste Nachtschicht vollziehen sollte. Dabei sollte sie psychisch kranke Erwachsene in Wohngruppen betreuen. Der Täter, der zu ihrer Wohngruppe gehörte überraschte die Frau nach Ansicht des Gerichts im Schlaf und schlug mehrfach mit einem Brecheisen auf sie ein, um dann anschließend mehrfach mit einem Messer in ihre Brust zu stechen.
Der Täter flüchtete daraufhin, konnte jedoch von der Polizei gefasst werden.
Der Täter leidet an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und war bereits wegen schweren Raubes und Diebstahls vorbestraft. Nach der Überzeugung des Gerichts habe er Gefühle für das Opfer gehabt, welche jedoch nicht erwidert wurden. Nach einer Ablehnung einer Verabredung durch das Opfer und nachdem er sich zwei Gewaltfilme angeschaut habe, habe er sich zur Tat entschlossen.
Neben Heimtücke sahen die Richter zudem das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes. Eine verminderte Schuldfähigkeit nahm das Gericht jedoch nicht an, da die Persönlichkeitsstörung des Täters nicht schwer genug sei.
Die von der Staatsanwaltschaft geforderte „Schwere der Schuld“ wurde vom Gericht jedoch nicht festgestellt.
( Quelle: FAZ vom 10.12.2010 Nr. 288, S. 8 )
Der Supreme-Court, das Oberste Gericht in Washington hat entschieden, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Jugendlichen, sofern keine Möglichkeit auf eine Bewährung besteht, nur dann verfassungsgemäß ist, wenn es sich um Tötungsdelikte handelt.
Das Gericht begründete dies damit, dass die lebenslange Freiheitsstrafe bei Jugendlichen, wenn es sich nicht um Tötungsdelikt handelt, eine „grausame und außergewöhnliche Bestrafung“ sei. Derzeit verbüßen 137 jugendliche Straftäter in den USA eine lebenslange Freiheitsstrafe, ohne die Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung, obwohl ihren Taten keine Tötungsdelikte zu Grunde lagen.
(FAZ vom 19.05.2010 Nr. 114, S. 6)
Kommentar: Im Verhältnis dazu können wir uns in der BRD also glücklich schätzen, uns mit solchen Fragen (noch) nicht beschäftigen zu müssen.
5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 478/09
Der Angeklagte ist vom Landgericht Bremen „wegen räuberischer Erpressung (Einzelfreiheitsstrafe sieben Monate), wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen je zwei Monate), wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen zwei Monate und ein Monat) und wegen Beleidigung (Einzelfreiheitsstrafe ein Monat) unter Einbeziehung der vom Landgericht Bremen in dessen Urteil vom 9. Oktober 2008 verhängten und zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und von weiteren Vorwürfen freigesprochen“ worden. Die hiergegen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingewandte Revision führt zu keiner Abänderung des Schuldspruches. Jedoch bedarf das Urteil nach Ansicht des Strafsenats eines Härteausgleiches aufgrund der entgangenen anderweitigen Gesamtstrafbildung.
Demnach wird der Strafausspruch dahingehend ergänzt, dass vier Monate der verhängten Gesamtstrafe als bereits vollstreckt gelten und diese somit um diesen Zeitraum verkürzt wird, so dass die Revision insoweit einen Teilerfolg hatte.
Dem Urteil geht folgender Sachverhalt voraus: Der Angeklagte hatte zwischen Ende Februar und dem 26. März 2007 mehrere Straftaten begangen. Als die Bildung einer Gesamtstrafe aufgrund einer Nachverurteilung durch Strafbefehl des zuständigen Amtsgerichts Bremen vom 2. August 2007 wegen vollständiger Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage vor in diesem Urteil vollzogenen Verurteilung nicht mehr möglich war, erkannte das Landgericht mangels anderer Alternativen mit der nächsten noch nicht erledigten Strafe auf eine zweijährige, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe. Folglich bildete das Gericht angesichts der zeitlichen Zäsur diese verhängte Gesamtstrafe.
Diesen Schritt begründete das Landgericht folgendermaßen:
„Andererseits war nicht zu übersehen, dass die Aussetzung der Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung zwar somit keinen Bestand mehr haben konnte, die jetzt erforderliche Gesamtstrafenbildung dem Angeklagten wiederum aber insoweit zugute kommt, als bei Einbeziehung allein der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 02.08.2007 die dann bestehend bleibende zweijährige Einzelstrafe sowie die im Übrigen zu bildende Gesamtstrafe der Summe nach zu einer höheren Gesamtsanktion geführt hätte“
Der Strafsenat des BGH sieht hierin einen Rechtsfehler, denn ohne die Vollstreckung der vollständigen Ersatzfreiheitsstrafe hätte die Strafaussetzung aufgrund anderweitiger Gesamtstrafbildung und der Bewährung bestehen bleiben können, was letztlich zu einem Nachteil für den Angeklagten führt.
Dazu der 5. Strafsenat im Wortlaut:
„Die hier erfolgte Gesamtstrafenbildung ist nur aufgrund vollständiger Ersatzfreiheitsstrafenvollsteckung notwendig geworden, die den Wegfall einer den Angeklagten begünstigenden Zäsur zur Folge hatte. Die zitierte Erwägung des Landgerichts lässt diese Besonderheit des Verlusts der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der zweijährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 9. Oktober 2008 – die Widerrufsvoraussetzungen des § 56f Abs. 1 StGB lagen nicht vor – unberücksichtigt. Der Angeklagte hat die ausgeurteilten Taten nicht nach der Aussetzungsentscheidung, sondern weit über ein Jahr zuvor begangen. Ohne die vollständige Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung wäre die Strafaussetzung infolge anderweitiger Gesamtstrafenbildung bestehen geblieben. Damit wirkt sich die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe unter Heranziehung einer erheblichen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe für den Angeklagten überaus nachteilig aus (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 1994 – 2 StR 740/93); dies erfordert die Gewährung eines besonders nachhaltigen Härteausgleichs (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15 m.w.N.). Diesen nimmt der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vor.“
Angesichts dieser Umstände, die sich aufgrund der vom Landgericht vorgenommen Strafzumessung bzw. der entgangenen Bewährung zu Lasten des Angeklagten auswirken, hält der Strafsenat im Hinblick auf den Härteausgleich die Anwendung des Vollstreckungsmodells aus den folgenden Erwägungen für vorzugwürdig:
„Die Überlegenheit dieser Vorgehensweise gegenüber der herkömmlich vorgenommenen Herabsetzung der (Gesamt-)Strafe hat der Große Senat für Strafsachen in BGHSt 52, 124, 136 der Sache nach anhand von Fällen notwendigerweise systemwidriger Eingriffe in die Strafzumessung zur Verwirklichung des Härteausgleichs (BGHSt 31, 102 – Unterschreiten der Untergrenze des § 54 Abs. 1 StGB; BGHSt 36, 270 – Milderung von Einzelstrafen) anerkannt. Seine Anwendung ist aber darüber hinaus auch sonst sachlich geboten. Die Verwirklichung des Härteausgleichs knüpft nicht an der maßgeblichen Grundlage der Strafhöhe, der Tatschuld (§ 46 Abs. 1 StGB) an, sondern erstrebt die Festsetzung eines gerechten Ausgleichs dafür, dass aufgrund verfahrensrechtlicher Zufälligkeiten eine den Angeklagten beschwerende getrennte bzw. – hier – zusammengefasste Strafbemessung stattgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO). Die Anwendung des Vollstreckungsmodells erleichtert die Straffestsetzung ferner, weil bisher zu berücksichtigende, getrennt zu bewertende Umstände nicht mehr berührt werden. Dies erleichtert zudem maßgeblich die in Fällen dieser Art besonders sachgerechte abschließende Entscheidung durch das Revisionsgericht. Zudem wird die Transparenz hinsichtlich des gewährten Härteausgleichs, aber auch bezüglich der Straffestsetzung erhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO m.w.N.)“.
Aus diesem Grund hält der Senat die Anrechnung von vier Monaten als bereits vollstreckt für angemessen und ändert das Urteil entsprechend dem Tenor ab.
Az. 4 1 Ss 183/07 (KG Berlin)
Der Angeklagte ist vom AG Tiergarten wegen Diebstahls in mehreren (kleineren) Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen das Urteil richtete sich der Angeklagte in der Revision, in der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, mit Erfolg.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner