Freiheitsstrafe

  • BGH, Beschluss vom 03.05.2011, Az.: 3 StR 33/11

    Vom Amtsgericht Mönchengladbach erging ein Durchsuchungsbeschluss, in welchem der wegen Betrug Angeklagte als Mitbeschuldigter genannt war. Die Durchsuchung sollte dabei nicht bei dem Angeklagten stattfinden, sondern in der Wohnung, den Neben- und Geschäftsräumen, den Kraftfahrzeugen, sonstigen Sachen sowie der Person des Mitangeklagten. Die Ermittlungsmaßnahme sollte laut der Beschlussbegründung explizit dazu dienen, Beweismittel gegen den Angeklagten zu finden.
    Fraglich war im vorliegenden Fall, ob dieser Durchsuchungsbeschluss für die Räume des Mitangeklagten die Verjährung nach § 78c I StGB für den Angeklagten unterbrechen kann.

    Dazu der BGH:

     

    „Gemäß § 78c Abs. 4 StGB wirkt die Verjährungsunterbrechung nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht. Die Handlung muss daher gegen eine bestimmte Person als Täter oder Teilnehmer gerichtet sein. Dies ist zu bejahen, wenn sie dazu dient, das den Täter oder Teilnehmer betreffende Verfahren fortzusetzen.
    Hierfür ist es jedenfalls nicht allein maßgebend, wer von einer Durchsuchung oder Beschlagnahme unmittelbar betroffen ist. Dies zeigt sich schon daran, dass die Strafprozessordnung einerseits in § 103 StPO Durchsuchungen auch zu Lasten nicht tatverdächtiger Dritter zulässt, während andererseits § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB jede Durchsuchungsanordnung für die Verjährungsunterbrechung genügen lässt. Sogar eine Maßnahme, die ausschließlich nicht tatverdächtige Dritte unmittelbar betrifft, ist daher grundsätzlich geeignet, die Verjährung gegenüber einem Beschuldigten zu unterbrechen (BGH, Beschluss vom 1. August 1995 – 1 StR 275/95, StV 1995, 585).“

    Damit stellt der BGH klar, dass von der Wirkung eines Durchsuchungsbeschlusses auch andere Beteiligte erfasst werden, sofern der Beschluss auch der Aufklärung ihrer Beiträge dient. Die Beschlüsse dienen der umfassenden Aufklärung und richten sich daher regelmäßig gegen alle Tatverdächtigen. Es könne nicht darauf ankommen, wo die Durchsuchung stattfindet.


  • BGH, Beschluss vom 28. Juli 2011, Az.: 4 StR 283/11

    Das Landgericht Essen hat die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderen Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

    Wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen hat es gegen die Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Entscheidung  ebenfalls eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt.
    Darüber hinaus ist der Verfall von Wertersatz in Höhe von 11.000 Euro angeordnet worden.
    Auf die Revision der Strafverteidigung des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen aufgehoben, soweit der Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

    Dazu der BGH:

    „Die Strafkammer hat sich in den Urteilsgründen mit der Frage, ob die Vollstreckung der beiden – jeweils aussetzungsfähigen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1984 – 5 AR (VS) 20/84, BGHSt 33, 94, 96) – Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten gemäß § 58 Abs. 1, § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nicht befasst. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11; vom 5. März 1997 – 2 StR 63/97; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1985 – 4 StR 559/85, StV 1986, 58; Urteile vom 21. April 1986 – 2 StR 62/86, NStZ 1986, 374; vom 29. April 1954 – 3 StR 898/53, BGHSt 6, 167, 172). Dies ist hier der Fall, weil angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der Aussetzungsfrage entbehrlich erscheint. Die – von den hier abgeurteilten Taten abgesehen – nur geringfügig strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, mit dem sie sich nach Ansicht des Landgerichts erkennbar von dem von ihr begangenen Unrecht distanziert hat. Ausweislich der Feststellungen ermöglichte sie durch ihre bereits im Zuge des Ermittlungsverfahrens gemachten Angaben erhebliche Ermittlungserfolge, die zur Aufklärung bislang unbekannter Straftaten aus dem Betäubungsmittelbereich führten.“

    Damit legt der BGH fest, dass sich das Gericht mit der Frage der Aussetzung aussetzungsfähiger Strafe befassen muss. Es bedarf dabei einer Erörterung bzw. Begründung, sofern die Gründe nicht direkt ersichtlich sind.


  • BGH, Beschluss vom 05.07.2011, Az.: 3 StR 188/11

    Das Landgericht Hannover hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, welche sich gegen die Strafhöhe und den Schuldspruch richtete. Auf die Revision hatte der Senat dieses Urteil in den Aussprüchen über die Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen und den Schuldspruch jedoch aufrechterhalten.

    In der neuen Hauptverhandlung hat das Landgericht – unter Einbeziehung zweier Geldstrafen aus Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover – eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren ausgesprochen. Dagegen wiederum wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision.

    Diese hat Erfolg. In der Begründung schloss sich der BGH der Antragsschrift des Generalbundesanwalt an:

    „Nach den Feststellungen (UA S. 4) wurde der Angeklagte am 7. August 2009 durch das Amtsgericht Hannover wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Zudem erließ das Amtsgericht Hannover gegen ihn am 2. Dezember 2009 einen Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen über 45 Tagessätze zu je 10 Euro. Beide Geldstrafen sind nach Darstellung des Landgerichts bereits vollständig vollstreckt (UA aaO). Ob diese Strafen im Rahmen der Gesamtstrafenbildung einzubeziehen waren, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weil die Strafkammer weder den Zeitpunkt der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten noch denjenigen ihrer Erledigung mitgeteilt hat, was zu einer Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen einer Einbeziehung notwendig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2000 – 5 StR 280/00 und vom 13. November 2007 – 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72). Eine nach Erlass des ersten Urteils erfolgte Erledigung stünde – wie das Landgericht möglicherweise rechtsirrig angenommen hat – einer Einbeziehung der Strafen nicht entgegen, zumal im Falle einer Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die Gesamtstrafenbildung in der neuen Verhandlung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung – hier also am 12. Oktober 2009 – vorzunehmen ist (st. Rspr. – etwa BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 – 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; Beschluss vom 21. August 2001 – 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; Beschluss vom 13. November 2007 – 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106 f.; Beschluss vom 8. Oktober 2010 – 3 StR 368/10, Rdnr. 2; Beschluss vom 3. Mai 2011 – 3 StR 110/11, Rdnr. 6). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verurteilung vom 7. August 2009 Zäsurwirkung hinsichtlich solcher Straftaten entfaltet, die – wie die verfahrensgegenständlichen Taten – zeitlich vor dem Erlass dieser Entscheidung lagen, war das Urteil im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Denn im Falle einer Zäsurwirkung jener Entscheidung hätten die beiden Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover vom 2. Juni 2010 und 21. Juli 2010 … nicht mit in die Gesamtstrafenbildung einbezogen werden dürfen.“

    Die  hier erfolgte Einbeziehung der Geldstrafen aus den Strafbefehlen in die Gesamtfreiheitsstrafe kann das Strafübel insgesamt verschärfen und so den Angeklagten beschweren.


  • BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011, Az.: 3 StR 42/11

    Das Landgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Dessen Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

    Nach Feststellungen des Landgerichts hat der verschuldete Angeklagte auf dem Wohngrundstück des 87-jährigen Tatopfers einen Schuppen angemietet, um dort einer selbständigen handwerklichen Tätigkeit nachzugehen. Um seine Mietschulden bezahlen zu können, wollte er sich bei der Frau das hierfür benötigte Geld verschaffen. Er wusste, dass sie in ihrer Wohnung in einem Hochschrank höhere Bargeldbeträge verwahrte. In der Folge erdrosselte der Angeklagte die Frau mit einem Elektrokabel und entwendete mindestens 1.000 DM.

    Der Landgericht konnte nicht klären, ob bei der Angeklagten von Anfang an vorgehabt hatte, die Frau zu töten oder ob diese den Angeklagten bei der Tat entdeckte und er sie deshalb tötete. Dennoch nahm das Landgericht hier Mord an, denn in beiden Fällen habe der Angeklagte sich diesem schuldig gemacht. Entweder nämlich um eine andere Straftat zu ermöglichen, oder aber, um eine andere Straftat zu verdecken; dazu habe er jeweils aus Habgier gehandelt, § 211 Abs. 2 StGB.

    Dazu der BGH:

    „Dies hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat sich das Landgericht materiell-rechtlich fehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte Frau R. getötet hat. Jedoch beruht die Annahme, er könne dies nur getan haben, um entweder die Wegnahme des Geldes zu ermöglichen oder aber der Strafverfolgung wegen dieser Wegnahme zu entgehen und sich die Beute zu sichern, auf einer lücken- und damit rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.“

    Ferne habe sich das Landgericht nicht mit weiteren Varianten auseinandergesetzt. So könne ebenfalls in Betracht kommen, dass der Entschluss zur Wegnahme des Geldes erst nach dem Tod des Opfers entstand oder dem Tod ein Streit vorausgegangen war.
    Daher wurde das Urteil aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


  • Trotz eines 1993 zweifelsfrei begangenen Mordes an zwei Männern, muss das Landgericht Dresden nun erneut über die Schuld des  Tat entscheiden.
    Der Täter wurde 1994 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und saß daher nun bereits 17 Jahre in Haft. Damals sah das Gericht – bestätigt durch einen Sachverständigen – es als unstreitig an, dass der Mann voll schuldfähig war. Während der Haftzeit allerdings kamen daran Zweifel auf.
    Daraufhin wurde der Mann im letzten Jahr aus der JVA entlassen und in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

    In diesem Jahr musste das Landgericht Chemnitz über die Tat erneut urteilen und sprach den Mann wegen Schuldunfähgkeit gemäß § 20 StGB frei, da ihm eine Schizophrenie attestiert wurde. Allerdings wurde die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Da der Täter  17 Jahre in Haft verbracht hat, stünde ihm grundsätzlich eine Haftentschädigung zu, diese wurde ihm aber verweigert.
    Der BGH hat den Freispruch des Mannes bestätigt, allerdings die Unterbringung durch das Landgericht kritisiert, da keine ausreichende Prüfung erfolgt sein soll.
    Daher hat sich das Landgericht Dresden nun sowohl mit der Frage der Unterbringung als auch der Haftentschädigung zu befassen, auch wenn seit der Tat 17 Jahre vergangen sind.

    (Quelle: taz online vom 03.07.2011)


  • Der BGH hat mit Urteil vom 17.02.2011 bestätigt, dass auch bei einer Absprache die Festlegung auf eine Punktstrafe unzulässig ist und die Voraussetzungen des § 257c StPO nicht erfüllt.

    Zuvor verurteile das Landgericht Düsseldorf den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Dabei erfolgte im Prozess eine Absprache, welche grundsätzlich nach § 257c StPO zulässig ist.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht Hamburg wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und eines einen Tag später begangenen Vergehens des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Zudem wurde die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB angeordnet, nach diversen Sexualdelikten.

    Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof kann er bezüglich der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe einen Erfolg erzielen.

  • Das LG verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des AG Essen-Steele und des AG Essen und Auflösung der im Beschluss des AG Essen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr sowie wegen Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren.

    Dagegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Die Strafverteidigung hatte vor dem 4. Strafsenat des BGH hinsichtlich der Strafhöhe Erfolg. Dieser hob auf die Revision das Urteil in der Strafzumessung auf:

  • 1. Senat des OLG Hamm, Az.: 1 Ws 520/10

    Der Verurteilte wurde vom AG wegen Betruges unter Einbeziehung anderer Urteile zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die zunächst mit Beschluss des AG auf 4 Jahre bestimmte Verjährungszeit verlängerte die Strafvollstreckungskammer des LG aufgrund der erneuten Verurteilung um 6 Monate.
    Mit weiterem Urteil des AG wurde der Verurteilte wegen Diebstahls unter Einbeziehung anderer Urteile zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde durch Beschluss des AG auf 3 Jahre festgesetzt.
    Das AG verurteilte den Angeklagten wegen Betruges in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach den Feststellungen des AG beging der Verurteilte die Taten während laufender Bewährungszeit der Verurteilungen zu 1. und 2.
    Die Strafvollstreckungskammer des LG wies den Verurteilten darauf hin, dass aufgrund des Urteils des AG ein Reststrafenerlass hinsichtlich der Verurteilungen zu 1. und 2. nicht erfolgen werde und er mit  dem Widerruf der Bewährung zu rechnen habe. Daraufhin widerrief die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung aus den Urteilen zu 1. und 2. Zur Begründung stütze sie sich auf die einschlägige Rückfälligkeit des Verurteilten. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Verurteilte mit einer sofortigen Beschwerde.

    Das OLG Hamm gab der sofortigen Beschwerde teilweise statt. Hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des ersten Urteils sei die sofortige Beschwerde erfolgreich, da dieser nicht verhältnismäßig sei. Die höchstmögliche Bewährungszeit sei bereits abgelaufen.
    Hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des zweiten Urteils hingegen habe die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.

    Aus dem Wortlaut des Beschluss:

    „Zwar liegt der Widerrufsgrund gem. § 56f I Nr. 1 StGB unzweifelhaft vor. Insbesondere hat der Verurteilte während laufender Bewährungszeit erhebliche einschlägige Straftaten begangen. Auch der Ablauf der Bewährungszeit stünde dem Widerruf vorliegend nicht entgegen, da die Entscheidung über die Strafaussetzung wegen der gegen den Verurteilten anhängigen Strafverfahren zulässigerweise zurückgestellt worden ist. Die Verlängerung der Bewährungszeit sowie die Erteilung von Auflagen gem. § 56f II StGB kamen aber schon deshalb nicht in Betracht, da die Höchstfrist der Bewährungsdauer von 7 1/2 Jahren längst abgelaufen ist. Der Widerruf der Strafaussetzung verstößt vorliegend aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
    Es ist zwar nicht unumstritten, aber in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass über § 56f Abs. 2 StGB hinaus, welcher Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, in besonderen Fällen der Widerruf der Strafaussetzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein kann (Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl.-Stree/Kinzig § 56 Rdnr 9; OLG Stuttgart B. v. 10.11.2006,  RPfleger 2007, 224, Rdnr 26).“

    Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des ersten Urteils wurde insoweit aufgehoben.


  • 1. Strafsenat des OLG Oldenburg, Az.: 1 Ss 51/10

    Der Angeklagte wurde vom AG Leer wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein. Das LG Aurich setzte daraufhin die Freiheitsstrafe auf sechs Monate ohne Bewährung fest. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Der 1. Strafsenat ist der Auffassung, dass die Strafzumessung des LG Aurich durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Es stehe zu befürchten, dass das LG Aurich die Freiheitsentziehung durch eine Haftstrafe bagatellisiere.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Das LG hat bei der Prüfung einer Strafaussetzung u. a. ausgeführt, die freiheitsentziehende Strafverbüßung werde den Angeklagten in seinen – vagen – Lebensplanungen auch „nicht groß beeinträchtigen“, weil er keine eigenen Einrichtungsgegenstände habe, sondern in einer Wohngemeinschaft lebe und seine Arbeitssituation zur Zeit schlecht sei.

    Die wohnlichen und beruflichen Verluste des Angeklagten hielten sich nach Ansicht des LG in Grenzen. Familiär sei er nicht so gebunden, dass dort Probleme für die künftige Lebenssituation entstehen würden.
    Diese Urteilsformulierung, verkennt allerdings das in einer Freiheitsstrafe liegende Übel in grundlegender und unvertretbarer Weise. Es ist nicht vertretbar, den völligen Verlust der persönlichen Freiheit und die massiven Lebenseinschränkungen, die mit einem Strafvollzug verbunden sind, in Hinblick auf Wohn, Eigentums und Lebensverhältnisse eines Angeklagten als „nicht große“ Beeinträchtigung zu bewerten und so zu bagatellisieren.“

    Der Strafsenat hob daher das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG Aurich zurück.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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