Polizei

  • 4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 98/10

    Das Landgericht Magdeburg hat den Angeklagte wegen Geldfälschung und wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Während der Teil der Revision hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit vom Strafsenat als unbegründet abgelehnt wird,  erzielt der Angeklagte mit seiner Revision bezüglich der ausgeführten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Sachrüge einen Teilerfolg.

    Wie das Landgericht Magdeburg festgestellt hat, vereinbarte der Angeklagte mit einem verdeckten Ermittler einen Ankauf von 2000 Stangen Zigaretten. Im Gegenzug sollte der Angeklagte dem Ermittler 110.000 Euro in Falschgeld zahlen. Als es jedoch zu Verzögerungen bei der Beschaffung des Falschgeldes kam, bot der Angeklagte an, die Ware mit echtem Geld zu bezahlen, um das Geschäft nach dem vereinbarten Termin abzuwickeln. Der verdeckte Ermittler erklärte sich jedoch bereit, auf das Falschgeld zu warten, da er bereits eine weitere Verwendung desselbigen geplant hätte.  Als es zum Austausch der Ware kam, wurde der Angeklagte festgenommen und das Falschgeld sichergestellt.

    Wie der Strafsenat ausführt, wurde jedoch dieser Umstand im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt:

    „Die auf die – ursprünglich auch vereinbarte – Übergabe von Falschgeld zielende polizeiliche Einwirkung auf den Angeklagten hätte bei der Strafzumessung ausdrücklich gewürdigt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1988 – 2 StR 399/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann 4; BGH, Beschluss vom 21. Juli 1993 – 2 StR 331/93, BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann 10). Der Erwägung, es habe „von Anfang an eine lückenlose polizeiliche Überwachung der Taten“ vorgelegen (UA 18), kann der Senat nicht entnehmen, dass das Landgericht dem hier erörterten Sachverhalt, der eigenständige Bedeutung hat, das ihm zukommende Gewicht beigemessen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das Gericht, wenn es den genannten Umstand in die Erwägungen einbezogen hätte, zu einer günstigeren Einzelstrafe im Hinblick auf die Geldfälschung gekommen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1988 – 2 StR 399/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann 4). Über die betreffende Einzelstrafe ist deshalb neu zu befinden. Dies entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die der Strafbemessung zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.“

    Aus diesem Grund erzielt der Angeklagte mit der Revision einen Teilerfolg vor dem BGH und das Urteil des Landgerichts Magdeburg wurde in seinem Strafausspruch aufgehoben.

  • Der Entscheidung über die Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft durch den 4. Strafsenats des BGH lag folgender Sachvershalt zugrunde:

    Als die Ehefrau des Geschädigten, die unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten stehend auf dem Gehweg zusammengebrochen war, von der zuständigen Polizei mittels eines Krankenwagens zum Krankenhaus abtransportiert wurde, versuchte der ebenfalls stark alkoholisierte Ehemann und Geschädigte (eine Blutalkoholkonzentration von 3 Promille wurde gemessen) dieses zu verhindern.

    Darauf entschlossen sich die anwesenden zwei Polizeibeamten, den Geschädigten „zur Ausnüchterung in Gewahrsam zu nehmen und ihm zu diesen Zwecken zu fesseln“. Als sich der Geschädigte hiergegen auf dem Boden liegend wehrte, während eine Polizeibeamtin ihn zu fesseln versuchte, biss er der Polizeibeamtin durch ihre Jeans in den Oberschenkel. In diesem Moment versetzte die Polizeibeamtin dem Geschädigten zwei „kurze Schläge auf den Kieferknochen oder direkt in sein Gesicht“, um sich so aus der Situation zu befreien. Der zweite Polizeibeamte trat dem Geschädigten daraufhin mehrmals mit seinem Schuh (ein fester Dienstschuh) in die Bauchgegend.

    Im anschließenden Verfahren wurde der Angeklagte aufgrund der Tritte gegen den auf dem Boden liegenden und stark alkoholisierten Geschädigten wegen einer Körperverletzung im Amt gemäß §340 Abs. 1 StGB vom Landgericht verurteilt. Die gefährliche Körperverletzung im Amt nach §§340 Abs. 3, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB lehnten die Richter jedoch ab, da ihrer Auffassung nach kein „gefährliches Werkzeug in Gestalt des Dienstschuhs“ vorliegen würde und somit der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach §224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllt gewesen sei.

    Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte legten hiergegen eine Revision ein.

  • Az. 1 Ss 310/09 (OLG Frankfurt)

    Im folgenden Fall hatte sich das OLG Frankfurt a.M. erneut mit der Verwertbarkeit einer entnommenen Blutprobe unter Missachtung des Richtervorbehalts zu befassen. Jedoch gelangte der Senat hier im besonderen Fall zu einem abweichenden Ergebnis. Dennoch hatte die Revision mit der allgemeinen Sachrüge des Angeklagten teilweise Erfolg.

    Der Angeklagte war wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens der Trunkenheit im Straßenverkehr vom Amtsgericht Hünfeld zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Darüber hinaus wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und der Führerschein eingezogen.

    Der Angeklagte rügte zum einen in seiner Revision, dass ein Beweisverwertungsverbot vorliege, da der zuständige Polizist zur Tatzeit gegen 21:20 Uhr die Blutentnahme zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration ohne richterliche Anordnung vorgenommen hat. Dabei stehe die Blutentnahme grundsätzlich unter dem Richtervorbehalt gemäß §81a Abs. 2 StPO und könne nur durch Anordnung des zuständigen Richters vorgenommen werden.

    Hierzu führt die Staatsanwaltschaft aus:

    „Die Anordnung der Blutentnahme darf gemäß § 81 a Abs. 2 StPO nur durch den zuständigen Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen erfolgen. Der Richtervorbehalt hat seinen Grund darin, dass es sich bei der Entnahme einer Blutprobe um einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz geschützte Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit handelt, auch wenn der Eingriff nach § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch einen Arzt im Rahmen der Regeln ärztlicher Kunst erfolgen darf. Der Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher grds. versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Bestehen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfG NJW 2007, 1345, 1346 m.w.N.; OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008, NJW 2008, 2597, 2598).“

    Der konkrete Tatverdacht der Trunkenheit bestand für den handelnden Polizeibeamten. Allerdings lag keine Gefahr im Verzug im Sinne des § 81a Abs. 2 StPO vor. Aufgrund der Werte des Alkoholtestes (2,0 Promille) hätte das Warten auf eine richterliche Anordnung zu keinem Beweisverlust geführt. Auch die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Blutentnahme nach 21:20 Uhr war und somit ein eingerichteter richterlicher Eil- oder Notdienst fernmündlich zu erreichen gewesen wäre, ändert daran nichts.

    Doch trotz Vorlage des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt blieb die Frage offen, ob solche zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Denn nicht jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften führt zu einem strafprozessualen Verwertungsverbot. Vielmehr sind der Einzellfall und die betroffenen Interessen im Wege einer Interessenabwägung zu berücksichtigen:

    “Der Gesetzgeber hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Missachtung des Richtervorbehaltes ein Verwertungsverbot hinsichtlich der rechtswidrig erlangten Beweismittel anzunehmen ist, nicht entschieden (vgl. BGH StV a.a.O.). Die Frage ist nach inzwischen gefestigter, verfassungsgerichtlich gebilligter (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2008, 3053) obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.). Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die StPO nicht auf Wahrheitsfindung “ um jeden Preis“ gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.). Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes, welches wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.; BGH NJW 2007, 2269; OLG Stuttgart -1 Ss 532/07-; Meyer-Goßner, a.a.O., § 81 a Rn. 32).“

    Entscheidend ist also die Schwere des Verstoßes unter Berücksichtigung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens. Ein Beweisverwertungsverbot ist insbesondere dann anzunehmen, „wenn die Durchführung der Maßnahme auf einer bewusst fehlerhaften bzw. objektiv willkürlichen Annahme der Eingriffsbefugnis durch den Polizeibeamten beruht“. Liegt hingegen nur ein Irrtum über die Zuständigkeit vor, ist ein Beweisverwertungsverbot regelmäßig nicht einschlägig.

    Im konkreten Sachverhalt ist die Eilmaßnahme in Gestalt der Blutentnahme der Polizei nicht grundsätzlich verboten, sondern in Eilfällen gestattet. Eine solche hätte der Polizeibeamte angenommen, zumal auch ein Nachtrunk im Raume stand. Des Weiteren lagen auch die materiellen Voraussetzungen der Blutentnahme vor, da der Angeklagte unter starken Alkoholeinfluss stand und eine Gefährdung des Strafenverkehrs durch Trunkenheit in Betracht kam.

    Ferner ergibt auch die Interessenabwägung keinen schwerwiegenden Verstoß, wie die Staatsanwaltschaft ausführt:

    „Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass sich als betroffene Rechtsgüter das hochrangige Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nach § 316 StGB und das – unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehende – Grundrecht des Angeklagten auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber standen. Während der Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit (wegen des dahinter stehenden Schutzes insbesondere von Leben und Gesundheit anderer Verkehrteilnehmer) dem Schutz hoher Rechtsgüter dient, stellt der Eingriff, dem sich der Angeklagte unterziehen musste, lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar (vgl. Thüringer OLG, a.a.O.).“

    Auch ist nicht ersichtlich, dass der Polizeibeamte willkürlich gegen den Richtervorbehalt verstoßen hätte, sich keine Gedanken darüber gemacht bzw. willkürlich eine Gefahr im Verzug angenommen hat. Zudem ist es auch nicht aus den Urteilsfeststellungen ersichtlich, ob der „Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert“ wäre.

    Die Revision ist hinsichtlich des Beweisverwertungverbots unbegründet.

    Allerdings hält das Urteil im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen bezüglich der Blutalkoholkonzentration einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hatte nach der Fahrt im Straßenverkehr bereits weiteren Alkohol zu sich genommen, der jedoch herauszurechnen war.

    So ging das Gericht zu Gunsten des Angeklagten im vorliegenden Fall von einem geringen Nachtrunk aus und einer Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Fahrt von mindestens 1,3 bis 1,4 Promille aus, was einer absoluten Fahruntüchtigkeit entsprechen würde. Problematisch ist hierbei jedoch die Ermittlung des Nachtrunks und somit die Berechnung der tatsächlichen Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Tat (Fahren mit dem PKW):

    “Von diesem Wert ist sodann die durch den Nachtrunk maximal verursachte Blutalkoholkonzentration abzuziehen. Die Blutalkoholkonzentration, die sich aus dem Genuss einer bestimmten Alkoholmenge ergibt, kann in der Weise errechnet werden, dass die wirksame Alkoholmenge (in Gramm) durch das mit dem sog. Reduktionsfaktor multiplizierte Körpergewicht (in Kg) geteilt wird. Es bedarf daher der Feststellung des Körpergewichts im Tatzeitpunkt, der Bestimmung des Reduktionsfaktors und der Mitteilung der aufgenommenen Alkoholmenge in Gramm. Hinsichtlich des Körpergewichts ist dabei zugunsten des Angeklagten vom Mindestgewicht auszugehen, da die durch Nachtrunk verursachte Blutalkoholkonzentration um so höher ist, je geringer das Körpergewicht ist. Wenn der individuelle Reduktionsfaktor nicht festgestellt ist, muss der Sachverständige darlegen, welcher Reduktionsfaktor bei dem Angeklagten als niedrigster Wert in Betracht kommt und zugunsten des Angeklagten davon ausgehen (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 20.05.1996 – 3 Ss 132/96 – und vom 13.11.2001 – 3 Ss 306/01 -; OLG Köln VRS 66, 352, 353).“

    Die hierzu erforderlichen Feststellungen über die Berechnung der Blutalkoholmenge fehlen jedoch. Vielmehr ging das Gericht von „mindestens 1,3 bis 1,4 Promille“ beim Angeklagten aus, ohne die Herleitung hierfür zu begründen. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei den anzuwendenden Grundsätzen der Berechnungsformel bei der richtigen Anwendung dieser zum Zeitpunkt der Fahrt eine geringerer Blutalkoholkonzentration besaß.

    Der Senat schließt sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Diese Darlegungsmängel führen zur Aufhebung des Urteils. Der neue Tatrichter wird über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Trunkenheit im Straßenverkehr neu zu entscheiden haben.

  • Az. 1 Ss Owi 2/09 (SchlH OLG)

    Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte um 15:40 Uhr in einer Polizeikontrolle angehalten auf Verdacht auf eine Fahrt im Straßenverkehr unter dem Einfluss berauschender Mittel. Die Blutentnahme folgte 45 Minuten später. Der zuständige Polizeibeamte hatte jedoch die Blutentnahme durchführen lassen, ohne vorher einen Richter zu kontaktieren und dessen Anordnung einzuholen.

    Das SchlH OLG schließt sich der ständigen Rechtsprechung an und sieht darin einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach §81a I StPO hinsichtlich der Blutabnahme. Hierzu führt es weiter ausführlich aus:

    “Nur bei Gefährdungen des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerungen besteht auch eine Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft und  – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen“

    Generell haben die Polizeibeamten die Anordnung der Blutentnahme des zuständigen Richters einzuholen. Hierzu reicht es bereits aus, diesen fernmündlich (Telefon) über den regelmäßig einfachgelagerten Sachverhalt aufzuklären und dessen Anordnung zu erhalten. Eine Gefährdung der Untersuchungsergebnisse, die zu der genannten Ausnahme berechtigten, muss mit Tatsachen begründet werden, die sich jeweils nur auf den Einzelfall beziehen lassen und auch in den Ermittlungsakten dokumentiert werden müssen.

    “Dabei verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise dahingehend, dass – ohne Berücksichtigung des Schutzzwecks des Richtervorbehalts im konkreten Einzelfall – von einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs i.S.d. §81a Abs. 2 StPO bei Taten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss von vornherein ausgegangen werden kann.“

    Hierfür reicht es nicht aus, eine Gefährdung des Untersuchungserfolges allein damit zu begründen, dass eine richterliche Entscheidung gewöhnlich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen möglich sei. Ferner besteht eine abstrakte Gefahr auch nicht im Kontext von Alkohol oder Drogen. Zwar gehe von diesen typischerweise eine abstrakte Gefahr aus, da der Nachweis der Tatbegehung durch den körperlichen Abbau der Stoffe „erschwert oder gar verhindert wird“, jedoch begründet dies noch nicht die Gefährdung der Untersuchungsergebnisse. Zudem haben sich die Rückrechnungsformel und dessen Beweisbarkeit längst etabliert.

    So auch hier im Sachverhalt: Die Blutentnahme erfolgte um 16:25 Uhr an einem Werktag. Es ist davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der zuständige Richter zu den üblichen Geschäftszeiten noch zu erreichen gewesen wäre. Die fernmündliche richterliche Anordnung war somit nicht ausgeschlossen. Jedoch nahm der ermittelnde Polizeibeamte an, er sei anordnungsbefugt gewesen, und hatte daher nicht einmal den Versuch unternommen, einen Richter oder zumindest einen Staatsanwalt zu erreichen.

    „In der Anordnung der Polizeibeamten liegt ein grober Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß §81a Abs. 2 StPO. Er hielt sich generell für anordnungsbefugt und stellte keine Überlegungen dazu an, ob die Anordnung der Blutentnahme im konkreten Fall einem Richter vorbehalten war, welche Umstände im konkreten Einzelfall die vom ihm pauschal unterstellte Gefährdung des Untersuchungserfolgs begründeten und wodurch seine Anordnungskompetenz ausnahmsweise eröffnet war. Vielmehr berief er sich auf die ständige polizeiliche Übung zur Tatzeit. Dies reicht hier – im Jahr 2008 – nicht aus. Die Entwicklung der Resp. zum Richtervorbehalt ist nicht neu. Vielmehr ist die Bedeutung, die das BVerfG dem Richtervorbehalt beimisst, mindestens mit der Entscheidung vom 20.2.2001 (NJW 2001, 1121) und seitdem in einer Fülle weiterer höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen immer weiter vertieft worden“

    Aufgrund des hier vorliegenden Gewichts des Verstoßes und der Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dieser Verstoß bei der Beweisgewinnung zu einem strafprozessualen Verwertungsverbot. „Wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird“, wie bei der bewussten und zielgerichteten Umgehung des Richtervorbehalts, dann führt dies zur Annahme des Beweisverwertungsverbots.

    Das Urteil beruht daher auf dem Beweisverwertungsverbot aufgrund des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus §81a Abs. 2 StPO und ist daher aufzuheben.

  • Az. 32 Ss 94/09 (OLG Celle)

    Der Beschluss des OLG Celle befasst sich mit der Problematik des Beweisverwertungsverbotes für Erkenntnisse einer Blutentnahme bei Verletzung des Richtervorbehaltes und ist aufgrund der umfangreichen Ausführung des Gerichts trotz der bekannten Thematik sehr lesenswert.

    Der Angeklagte war vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen bzw. der Führerschein eingezogen. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit seiner Revision. In deren Zentrum stand die Beanstandung der Rechtswidrigkeit einer Beweiswürdigung der Blutentnahme zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration.

    Das OLG Celle schloss sich der bisherigen Rechtsprechung an. So weist das OLG Celle zu Recht darauf hin, dass eine Anordnung der Blutentnahme nach §81a II StPO grundsätzlich nur durch den Richter möglich. Eine Ausnahme hiervon stellt lediglich die „Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung eingehenden Verzögerung“ dar, bei der die Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft und nachrangig der Ermittlungspersonen in Gestalt des ermittelnden Polizeibeamtens liegt.

    Ein solcher Fall lag jedoch im vorliegenden Sachverhalt nicht vor. Der zuständige Polizeibeamte hatte nicht einmal den Versuch unternommen, einen zuständigen Richter oder notfalls die Staatsanwaltschaft zu erreichen und richterliche oder zumindest staatsanwaltschaftliche Anordnung der Blutentnahme einzuholen. Und das angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte gegen 16:46 Uhr von der Polizei nach auffälligem Fahren in Schlangenlinien angehalten wurde. Ferner vergingen rund 20 Minuten bis zum Alkoholtest auf der Dienststelle und weitere 20 Minuten bis zur fraglichen Blutentnahme durch einen Arzt. In dieser Zeit hätte der Polizeibeamte einen Richter telefonisch erreichen können.

    Zwar ist ein Richter nicht an Dienstzeiten gebunden, jedoch ist davon auszugehen, dass ein Richter am Freitag zur Zeit der Blutentnahme erreichbar gewesen wäre. Zudem besteht die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, zur Tageszeit einen Eildienst zur Verfügung zu stellen. Die fernmündliche richterliche Anordnung war auch hier möglich, da es sich um einen einfachgelagerten Sachverhalt handelte und die Blutentnahme aufgrund der deutlich überhöhten Alkoholwerte im ersten Alkoholtest gerechtfertig gewesen sein könnte.

    Des Weiteren wäre eine solche Zeitverzögerungen durch den Richtervorbehalt hinzunehmen gewesen:

    “Gerade bei hohen Alkoholwerten kann der mögliche Abbau in der Regel unproblematisch durch Rückrechnung ausgeglichen werden. Zwar ist der tatsächliche Abbauwert von situativen und individuellen Faktoren (z.B. den Trinkgewohnheiten und der Konstitution des Betroffenen) abhängig. Die von der Rspr. entwickelten Rückrechnungsformeln arbeiten demgegenüber mit allg. Sicherheitszuschlägen und -abschlägen, was zu Ungenauigkeiten führt. Je weiter sich Atemalkoholwerte aber von den Grenzwerten zur Abgrenzung einer Ordnungswidrigkeit von einer Straftat bzw. zur absoluten Fahrtüchtigkeit entfernen, desto weniger ist eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch zeitliche Verzögerung anzunehmen (vgl. hierzu: OLG Hamm, NJW 2009, 242ff.; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146 ff., Bandenburgisches OLG, 1 Ss 15/09 v. 25.03.2009 – zitiert nach juris -).“

    Der Angeklagte hatte im vorliegenden Fall einen Atemalkoholwert von 3,08 Promille gehabt. Angesichts dieses Wertes und der regelmäßig angewandten Rückrechnungsmethode war die richterliche Anordnung problemlos einzuholen gewesen, da der Untersuchungserfolg nicht gefährdet schien.

    Folglich verstößt die Anordnung der Blutentnahme durch den Polizeibeamten gegen den Richtervorbehalt aus §81a II StPO und führt zu einem Beweisverwertungsverbot der Erkenntnisse aus der Blutalkoholuntersuchung, da es sich bei einer Blutentnahme um eine einzelfallbezogene Interessensabwägung mit einem tiefgehenden Eingriff handelt:

    “Von einem Beweisverwertungsverbot ist deshalb nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass durch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbotes unerträglich wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor bei bewusster und zielgerichteter Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug [..]“

    In diesem Fall war der zuständige Polizeibeamte davon ausgegangen, „dass bei Trunkenheit im Verkehr wegen Gefahr im Verzug stets eine Anordnung durch Polizeibeamte ausreiche und deshalb eine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung von vornherein nicht nötig sei“. Hierin ist ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß §181a II StPO zu sehen. Zudem sind keine Anzeichen ersichtlich, die für einen Irrtum oder eine Fehleinschätzung der Situation sprechen.

    Insgesamt führen dies im Ergebnis zu dem Beweisverwertungsverbot der Erkenntnisse aus der Blutalkoholuntersuchung im Strafverfahren.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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