Az. BVerfG, 1 BvR 1318/07 vom 5.12.2008
Während einer Rede des Stadtratmitglieds wurde dieser von einem weiteren Stadtratmitglied unterbrochen, woraufhin der Redner ihn als „Dummschwätzer“ bezeichnete. Der Beschwerdeführer wurde anschließend hierfür wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach erfolgloser Revision erhob der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde. In dieser Sache hatte der BverfG nun entschieden, dass die Bezeichnung als „Dummschwätzer“ nicht zwingend eine Beleidigung im Sinne der §185ff StGB darstellt, sondern von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird. So müsse im Einzelfall im Rahmen der Abwägung geprüft werden, ob „es sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Begriffs des „Dummschwätzers“ um eine so genannte „Schmähkritik“ handelt, bei der die Diffamierung des Zeugen im Vordergrund stand oder ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt war. Nur dann, wenn eine solche Äußerung nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dient, hat sie als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen“. Weiter stellten die Richter klar:
Zwar handelt es sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Begriff „Dummschwätzer“ um eine Ehrverletzung, nicht aber um ein solche, die ihrem Bedeutungsgehalt nach unabhängig von seinem Verwendungskontext die mit ihm bezeichnete Person stets als ganze herabsetzt, ihr also ihren personalen Wert insgesamt abspricht und sie so vom Prozess der freien Kommunikation ausschließt. Vielmehr knüpft der Begriff seiner Bedeutung nach an ein Verhalten des Betroffenen an, nämlich dessen verbale Äußerungen. Dies schließt es zwar nicht von vornherein aus, in der Beschimpfung eines anderen als „Dummschwätzer“ im Einzelfall gleichwohl eine Schmähkritik zu sehen, etwa wenn ohne sachlichen Anlass ausgedrückt werden soll, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Menschen handele, der ausschließlich Dummheiten zu äußern in der Lage sei und daher als Teilnehmer an einer sachlichen verbalen Auseinandersetzung von vornherein ausscheide. Anders liegt der Fall aber, wenn sich das Schimpfwort nur als die sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer bestimmten Aussage des Betroffenen darstellt, wenn also der Gemeinte als „Dummschwätzer“ tituliert wird, weil er nach Auffassung des Äußernden (im Rahmen einer Sachauseinandersetzung) dumme Aussagen getroffen hat. Welche der beiden Verwendungsweisen vorliegt, hängt aber gerade von den Umständen des Einzelfalles ab
Das Urteil ist ein Paradebeispiel dafür, welch große Bedeutung die exakte und fallbezogene Auslegung der Meinungsäußerung auch im Hinblick auf strafrechtliche Konsequenzen besitzt. Insbesondere bei kritischen Äußerungen, die auch als Beleidigungen verstanden werden können, kann diese nicht zwangsläufig zu Gunsten des Opfers ausgelegt werden, sondern müssen im Einzelfall sämtliche Erwägungen des Kontextes im Sinne der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt werden.
Das komplette Urteil findet sich auf Website des BverfG unter:
BVerfG, 1 BvR 1318/07 vom 5.12.2008