Eine allgemeine Personenbeschreibung und zweifelnde Zeugen reichen nicht zur Identifizierung eines Täters.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Berlin wegen besonders schweren Raubes, wegen Amtsanmaßung in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Amtsanmaßung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Gegen das Urteil legte die Strafverteidigung die Revision ein.
Der Angeklagte soll mit einem Mittäter drei Autofahrer mit einer Polizeihaltekelle gestoppt haben. Dabei stahlen sie in einem Fall einen Wagen, in zwei weiteren Fällen scheiterte der Versuch des Diebstahls. Bei den Taten nutzten sie einen gestohlenen Peugeot. Das Landgericht stützt die Verurteilung darauf, dass sich der Wagen inklusive Anhaltekelle im Besitz des Angeklagten befand.
Ebenfalls soll der Angeklagte eine Bank-Filiale überfallen haben. Dabei waren er und seine Mittäter jedoch maskiert. Trotzdem will ihn ein Angeklagter erkannt haben, da der Angeklagte angeblich bereits am Vormittag in der Filiale war, um sie auszukundschaften.
Die Personenbeschreibung des Angestellten bezüglich des Angeklagten (Südeuropäischer Typ, 20 bis 25 Jahre alt, 160 bis 170 cm groß, dunkle kurze Haare, dunkelbraune Augen, hatte einen aufgeregten Blick, sprach akzentfrei Deutsch), passte im Großen und Ganzen auf den Angeklagten. Auch erklärte der Angestellte, dass er den Täter anhand seines Auftretens, seiner Stimme und seinen Augen erkannt hätte. Als ihm am Tattag von der Polizei jedoch ein Foto des Angeklagten vorgelegt wurde, erkannte er ihn nicht. Als ihm drei DVDs mit Videowahlgegenüberstellungen von jeweils sechs Männern vorgeführt wurden, erklärte der Zeuge, dass zwei Personen Ähnlichkeiten mit dem Kunden am Vormittag des Tattages hätten. Dabei handelte es sich bei den zwei Personen einmal um den Angeklagten und einmal um eine tatneutrale Person.
Die Kundin, die lediglich am Vormittag anwesend war, beschrieb die Person ähnlich (Südländer, 25-30 Jahre alt, 175 bis 180 cm groß, schlanke sportliche Figur, kurze schwarze Haare, Dreitagebart). Als der Zeugin jedoch zwei Tage nach der Tat 417 Lichtbilder, darunter auch eins des Angeklagten, vorgelegt wurden, erkannte sie niemanden. Erst als ihr nach zehn Tagen direkt zwei Fotos des Angeklagten vorgelegt wurden, erklärte sie, dass sie ihn mit 85 prozentiger Wahrscheinlichkeit erkennen würde. Als auch ihr zwei DVDs mit Videowahlgegenüberstellungen von jeweils sechs Männern gezeigt wurden, konnte sie den Angeklagten nicht als Täter identifizieren. In der ersten Hauptverhandlung war sich die Zeugin dagegen sicher, dass der Angeklagte die Person sei.
Darauf stützte das Landgericht seine Verurteilung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier weitreichende Bedenken. So hätte die Zeugin selbst Zweifel bei der Wiederkennung der Fotos geäußert, da sie nur eine Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent angab. Auch erfolgte eine Erkennung erst, als ihr ausschließlich zwei Fotos vorgelegt wurden. Dies könnte jedoch auch durch einen suggestiven Effekt geschehen sein. Eine ähnliche verstärkte Suggestibilität der Identifizierung bestand am Hauptverhandlungstag. Vor allem könnte die Zeugin unbewusst den Angeklagten nicht mit dem Täter, sondern mit den vorgelegten Fotos verglichen haben. Auch die Beschreibung des Täters ist viel zu allgemein, um daraus Schlüsse ziehen zu können:
Schließlich ist auch das uneingeschränkte Heranziehen der von der Zeugin Sc. abgegebenen „differenzierten“ Personenbeschreibung als Beleg für die Zuverlässigkeit der Wiedererkennungsleistung problematisch, da diese gerade keine besonders kennzeichnenden Merkmale enthält und auf eine sehr große Anzahl von Personen – insbesondere auch aus dem Umfeld des verurteilten Täters So. – zutreffen dürfte.
Ähnliches zählt für die Aussage des Angestellten. Vor allem da der Angestellte den Täter auf Fotos nicht mehr erkennen konnte. Ebenfalls hat das Landgericht nicht hinreichend geprüft, ob die „unruhigen Augen“ ein besonderes Kennzeichen der Person sind oder lediglich situationsbedingt aufgrund der Aufregung bei jedem auftreten. Daraus folgt:
Angesichts des danach gravierend verringerten Beweiswerts der Identifizierungen des Angeklagten, auf die das Landgericht seine Überzeugung maßgeblich stützt, fehlt es insgesamt an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, die den Schluss auf die für die Überzeugungsbildung erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des Angeklagten zuließe.
Auch dass der Angeklagte den Peugeot nutzte, kann nicht alleinig zur Verurteilung führen, denn auch andere Personen hatten Zugriff auf den Wagen:
Dass der Angeklagte zwei Tage nach der Tat mit dem Fluchtfahrzeug – in dem sich Tatwerkzeug und ein Teil der Beute befanden – gesehen wurde, belegt letztlich nicht mehr, als dass er dem Bekanntenkreis der Täter zuzurechnen ist. Der Angeklagte wurde nach den Urteilsgründen offenbar nur ein einziges Mal mit dem Fahrzeug gesehen. Das Landgericht geht selbst nicht davon aus, „dass der Peugeot 307 dem Angeklagten exklusiv zur Verfügung stand“ (UA S. 29), und hält es für möglich, dass er „auch weiteren Personen, welche die Polizei … der Tätergruppierung aus dem Neuköllner Kiez zurechnet, zur Verfügung stand“ (UA S. 29).
Zudem wurden an den Sturmhauben DNA von anderen Tatverdächtigen gefunden. Aufgrund dieser vielen Mängel hebt der BGH das Urteil des Landgerichts auf. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
BGH, Beschluss vom 25. September 2012, Az.: 5 StR 372/12