BGH: Sicherungserpressung ist keine Erpressung

BGH, Beschluss vom 26.05.2011, Az.: 3 StR 318/10

Das Landgericht Wuppertal hat die Angeklagten jeweils wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten im Autohandel tätig. Die Geschädigten betrieben einen Kfz-Ersatzteilhandel. Die Beteiligten kannten sich über ihre Geschäftsbeziehungen.
Die Angeklagten suchten die Geschädigten auf, um einen von ihnen für 250 Euro erworbenen defekten Airbag umzutauschen. Zudem wollten sie sich aus einem anderen Geschäft 100 Euro zurückzahlen lassen. Dabei gab es Probleme, sodass die Angeklagten stattdessen ein Lenkgetriebe im Wert von 450 Euro mitnehmen wollten. Sodann gingen die Angeklagten zu ihrem Auto, angeblich um die fehlenden 100 Euro zu holen. Die Geschädigten vertrauten auf den Zahlungswillen. Als die Geschädigten feststellten, dass die Angeklagten das Gelände ohne zu zahlen verlassen wollen, wollten sie diese daran hindern. Sie gingen zu dem Auto der Angeklagten und es entstanden neue „Verhandlungen“. Dabei allerdings zog einer der Angeklagten während der Drehbewegung sein Messer, mit dem er in Kopfhöhe in Richtung eines Geschädigten stach.

Der BGH sah hier entgegen des Landgerichts keine schwere räuberische Erpressung und führte dazu aus:

„Zwar hat der Geschädigte K. einen Vermögensnachteil erlitten, indes beruhte dieser nicht erst auf der körperlichen Einwirkung durch die Angeklagten. Er war vielmehr schon in dem Augenblick eingetreten, als der Geschädigte irrtumsbedingt den Kaufvertrag abschloss und das Lenkgetriebe übereignete. Erst als er den fehlenden Zahlungswillen entdeckt hatte und die Wegfahrt der Angeklagten zu verhindern suchte, wendeten diese Gewalt an, um ihn zum Verzicht auf seine Forderung zu bewegen. Es liegt deshalb eine so genannte Sicherungserpressung vor, d.h. ein Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) mit anschließender – nach Entdeckung begangener – Nötigung (§ 240 StGB) zum Zwecke der Sicherung des betrügerisch erlangten Vermögensvorteils.“

„Die Feststellungen legen es vielmehr nahe, dass das Nötigungsmittel erst aufgrund eines nach Abschluss der betrügerischen Handlung und nach Eintritt des Betrugsschadens spontan gefassten Entschlusses eingesetzt wurde. In einem solchen Fall ist die Tat weder von Anfang an durch nötigende Elemente geprägt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1983 – 4 StR 405/83, NJW 1984, 501) noch führt die spätere Nötigungshandlung zu einer Vertiefung des bereits eingetretenen Vermögensnachteils; es fehlt damit an der Kausalität zwischen der Nötigungsfolge und dem Nachteilseintritt, denn der Vermögensschaden ist bereits zuvor durch den Gewahrsamswechsel eingetreten, dem anschließenden (vorläufigen) Verzicht auf die Geltendmachung von (Rück-) Forderungsansprüchen kommt dabei keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, NJW 1984, 500; AG Tiergarten, Urteil vom 16. Oktober 2008 – (257 Ls) 52 Js 4301/08 (16/08), NStZ 2009, 270; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 25 mwN). Die Gewaltanwendung beeinflusste die Vermögenssituation des Geschädigten K. als solche nicht. Da ihm die Person seines Schuldners bekannt war, wurde auch die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung durch die Schläge nicht beeinträchtigt.“

Somit liegt im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH keine räuberische Erpressung vor. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Gewalt nicht unmittelbar nach der Täuschung eingesetzt worden ist, um das Opfer zu nötigen, die Vermögensschädigung abschließend hinzunehmen.


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