BGH: Unzureichende Begründung des Tötungsvorsatzes

BGH, Beschluss vom 18.05.2011, Az.: 1 StR 179/11

Das Landgericht München II hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es vor der Tat zu Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten M., der den Angeklagten bei der Arbeit ständig schikanierte. Um dies zu unterbinden, wand sich der Angeklagten an den Chef. Der Geschädigte wollte sich Rächen und behauptete wahrheitswidrig, dass der Angeklagte seine Freundin schon mehrfach mit anderen Frauen hintergangen habe. Daraufhin suchte der Angeklagte M. auf und es kam zwischen ihnen zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Der Angeklagte trat dabei gegen den Kopf des Geschädigten, der aber von Freunden verteidigt wurde. Es kam nur zu leichten Verletzungen.

Der BGH kritisiert die Annahme eines Tötungsvorsatzes:

„Das Landgericht hat sich im Rahmen der gebotenen Gesamtschau der für die Bewertung der Tat bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände nicht damit auseinandergesetzt, dass die barfuß ausgeführten Tritte hier keine hochgradig lebensgefährlichen Gewalthandlungen darstellten. Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts sind wuchtige Tritte gegen den Kopf bzw. auf den Schläfenbereich zwar generell dazu geeignet, schwere Kopfverletzungen wie Impressionsfrakturen oder Gehirnverletzungen herbeizuführen. Auch kann es zu einer Bewusstlosigkeit des Opfers und einer damit verbundenen Gefahr der Einatmung von Blut (z.B. bei Verletzungen im Nasenraum) oder Erbrochenem kommen. Im vorliegenden Fall bestand aber aufgrund der nur oberflächlichen Verletzungen des Geschädigten (Blutergüsse und Hautrötungen im Gesicht), der zudem während des Tatgeschehens und auch danach stets bei Bewusstsein war, keine konkrete Lebensgefahr. Angesichts des Umstandes, dass es vorliegend gerade nicht zu schweren Kopfverletzungen gekommen ist, wie dies ansonsten bei wuchtigen Tritten gegen den Kopf zu erwarten gewesen wäre, hätte sich das Landgericht bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die eher geringen Verletzungen des Geschädigten hier nicht dafür sprechen könnten, dass der Angeklagte die Tritte nicht mit der Wucht und Entschlossenheit ausgeführt hat, die nötig gewesen wären, um seinem Opfer konkret lebensbedrohliche Verletzungen beizubringen.“

Nach Auffassung des BGH kann eine Verurteilung wegen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nicht bestehen bleiben. Zwar könne bei einer  äußerst gefährlichen Gewalthandlung grundsätzlich von einem Tötungsvorsatz ausgegangen werden. Nichtsdestotrotz müssen die Motive auch bei einer spontanen Tat mit in die Überlegungen des Gerichts miteinbezogen werden. Folglich hat das Landgericht nach Ansicht des BGH den angenommenen Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet.


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