BGH: Zur Zulässigkeit der Revision nach Verfahrensabsprache und zur Zuständigkeit der Staatsschutzkammer

Das Landgericht München I – Staatsschutzkammer – hat die beiden Angeklagten unter anderem wegen Taten nach dem Betäubungsmittelgesetz in Tateinheit mit der „Bildung krimineller Vereinigungen“ (korrekt: mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten bzw. zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Im Verfahren haben beide Angeklagten den ihnen vorgeworfenen Sachverhalt nach einer Verständigung eingeräumt.
Mit ihren Revisionen beanstanden beide Angeklagten die Zuständigkeit der erkennenden Staatsschutzkammer.
Zunächst hatte der BGH zu klären, ob die Möglichkeit der Zuständigkeitsrüge nach § 338 Nr. 4 StPO auch nach einer Verständigung gemäß § 257c StPO erhalten bleibt. Dazu führt der BGH in seinem Beschluss aus, dass es keine Bestimmungen in der Strafprozessordnung gebe, die eine Beschränkung vorsehen. Insbesondere stelle die Revision in einem solchen Fall kein „widersprüchliches oder missbräuchliches“ Prozessverhalten dar. Somit seien die Rügen zulässig erhoben.
Sodann hat der BGH die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer umfassend geprüft:

„Die Rügen sind begründet; denn die Staatsschutzkammer hat ihre Zuständigkeit mit Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO). Diese könnte sich hier im Hinblick auf die den Angeklagten vorgeworfene Zuwiderhandlung gegen § 129 StGB allein aus § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 GVG ergeben. Ihr steht indes § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GVG entgegen; denn den Angeklagten liegen neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung tateinheitlich dazu begangene Betäubungsmitteldelikte zur Last. Dies führt zur Zuständigkeit der allgemeinen Strafkammer.“

Der BGH stellt klar, dass die Staatsschutzkammer grundsätzlich bei einem Anklagevorwurf nach § 129 StGB zuständig ist. Allerdings regelt § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GVG eine Ausnahme von dieser Sonderzuständigkeit.
Diese Ausnahmeregelung greift hier wegen der Tateinheit zwischen dem Vereinigungs- und dem Betäubungsmitteldelikt auch ein. An der daraus resultierenden Unzuständigkeit der Staatsschutzkammer ändert ferner das Hinzukommen weiterer Delikte – unabhängig von deren Gewicht – nichts.
Wegen der fehlenden Zuständigkeit der Staatsschutzkammer hat der BGH die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen.

BGH, Beschluss vom 13.09.2011, Az.: 3 StR 196/11

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