Wie der Bundesgerichtshof gestern bekannt gab, wird der Haftbefehl gegen den Beschuldigten André E. aufgehoben. Dieser war wegen des Verdachts der Unterstützung der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ am 23. November 2011 ergangen. Nach Ansicht des 3. Strafsenats sei jedoch kein dringender Tatverdacht gegeben.
Auszug aus der Pressemitteilung:
Bundesgerichtshof hebt weiteren Haftbefehl im „NSU“-Verfahren auf
Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute den Haftbefehl gegen den Beschuldigten André E. aufgehoben, den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 23. November 2011 wegen des Verdachts der Unterstützung der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ erlassen hatte.
Nicht bekannte Mitglieder des „NSU“ verübten zwischen September 2000 und April 2006 im Bundesgebiet insgesamt neun Mordanschläge auf Gewerbetreibende ausländischer Herkunft sowie zwei Sprengstoffanschläge auf Geschäfte in Köln. Darüber hinaus töteten sie am 25. April 2007 in Heilbronn eine Polizeibeamtin und verletzten den diese begleitenden Kollegen schwer. Zu den Taten wurde ein „Bekennervideo“ hergestelIt, welches diese Delikte verherrlicht und die Opfer verhöhnt.
Dem Beschuldigten E. ist in dem aufgehobenen Haftbefehl in erster Linie vorgeworfen worden, er sei mit der Herstellung dieses „Bekennervideos“ befasst gewesen, das in den Tagen nach dem Tod der „NSU“-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mund am 4. November 2011 von der ebenfalls der Mitgliedschaft im „NSU“ verdächtigen Beate Zschäpe verbreitet worden sei.
Der mit der Haftprüfung befasste 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hält den Beschuldigten E. des ihm vorgeworfenen Geschehens nicht – wie für die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erforderlich – für dringend verdächtig. Zwar verfüge der Beschuldigte nach einer Umschulung zum Fachinformatiker über besondere EDV-Kenntnisse. Indes sei bereits kriminaltechnisch nicht zu belegen, dass der digitalisierte Videofilm auf Computern des Beschuldigten erstellt bzw. mit ihm zu Verfügung stehenden Programmen bearbeitet worden sei. Auch sei nicht erkennbar, dass für die Produktion des Films derartige Spezialkenntnisse erforderlich gewesen seien, dass nicht auch ein interessierter Laie – etwa aus dem Kreis der „NSU“-Mitglieder – hierzu in der Lage gewesen wäre. Aber selbst wenn man dies anders sehen wollte, spreche gegen die Beteiligung des Beschuldigten an der Erstellung des Films, dass dessen erste Vorgängerversionen auf Datenträgern der „NSU“-Mitglieder zu Zeitpunkten abgespeichert worden waren, als der Beschuldigte mit seiner Umschulung noch nicht bzw. gerade erst begonnen hatte. Die übrigen gegen den Beschuldigten sprechenden Indizien belegten zwar, dass er eine langjährige, freundschaftliche Verbindung zu den Mitgliedern des „NSU“ nach deren Untertauchen unterhalten habe. Einen den dringenden Tatverdacht stützenden Beleg, er habe auch um die aus dem „NSU“ heraus begangenen Mordtaten und sonstigen Delikte gewusst und in dieser Kenntnis die Mitglieder der Vereinigung unterstützt, böten sie indes nicht.
Beschluss vom 14. Juni 2012 – AK 17/12
Karlsruhe, den 14. Juni 2012
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Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 089/2012 vom 14.06.2012