Darf man sich gegen Fahrkartenkontrolleure oder Ladendetektive wehren?

Das Amtsgericht Dresden musste sich jüngst mit der Frage beschäftigen, wann man sich gegen das Festhalten durch Fahrkartenkontrolleure wehren darf.

Eine Frau war wegen versuchter räuberischer Erpressung, Schwarzfahrens und Körperverletzung angeklagt. Ihr wurde vorgeworfen, ohne Ticket mit der S-Bahn gefahren zu sein und einen Kontrolleur in den Oberarm gebissen zu haben, als dieser sie deswegen festhalten wollte.

Die Verteidigungsstrategie sich auf Notwehr zu berufen ging auf: Das Amtsgericht Dresden musste die Angeklagte freisprechen, da eine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB nicht ausgeschlossen werden konnte.

Im konkreten Fall war die Handlung der jungen Dame durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. In dem Festhalten durch den Kontrolleur lag nach Ansicht des Richters ein rechtswidriger Angriff auf die persönliche Fortbewegungsfreiheit der Frau. Der Kontrolleur hatte kein Recht, die Frau festzuhalten, da diese keine Straftat begangen hatte. Im konkreten Fall war nämlich der Fahrkartenautomat defekt und die Frau hatte keine Möglichkeit vor Fahrtantritt eine Fahrkarte zu lösen.

Hier handelt es sich jedoch um eine seltene Ausnahmekonstellation. In den meisten Fällen muss man sich die Kontrollen durch Zugpersonal, Security-Mitarbeiter oder Ladendetektive gefallen lassen.

Jedermann-Festnahmerecht nach § 127 StPO

In § 127 StPO ist das sogenannte „Jedermann-Festnahmerecht“ geregelt. Dieses erlaubt jeder Person eine auf frischer Tat angetroffenen Person festzuhalten. Wer also etwa im Supermarkt einen Ladendiebstahl begeht oder ohne Fahrschein fährt, darf von Ladendetektiven, Kontrolleuren, Mitarbeitern und Passanten bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden. Wehrt man sich gegen dieses Festhalten und verletzt dabei eine andere Person, ist regelmäßig der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt.

Wann darf man sich gegen Kontrolleure und Ladendetektive wehren?

Anders sieht es aus, wenn der vermeintliche Täter in Wirklichkeit unschuldig ist und zu Unrecht festgehalten wird. In diesem Fall darf man sich unter Umständen gegen das Festhalten durch einen Kontrolleur oder Ladendetektiv wehren. Nämlich dann, wenn die Voraussetzungen der Notwehr nach § 32 StGB gegeben sind. Die Notwehr erlaubt aber nur die zur Befreiung tatsächlich notwendigen Maßnahmen. Im Fall des Fahrkartenkontrolleurs oder Ladendetektivs wäre es also rechtens, sich aus dessen Griff zu befreien und den Ort des Geschehens zu verlassen, wenn kein hoher Verdachtsgrad für eine Straftat besteht. Dabei ist es aber immer schwer im Voraus zu sagen, ob solch ein „hoher Verdachtsgrad“ trotz eigener Unschuld bei objektiver Würdigung vorliegt. Eine solche Gegenwehr wäre im Falle des Fehlens solch eines hohen Verdachtsgrades unter den engen Voraussetzungen der Notwehr gerechtfertigt und damit nicht strafbar. Der Einsatz von roher Gewalt oder gar Waffen übersteigt dagegen regelmäßig den Umfang der erforderlichen Gegenwehr.

Taschenkontrolle im Supermarkt ist nie erlaubt

Im Rahmen dieses Themenkomplexes kommt auch immer wieder die Frage auf, wie es rechtlich mit sogenannten Taschenkontrollen aussieht. Hierzu haben Kassenpersonal oder Ladendetektive nie das Recht. Selbst wenn das Festhalten einer Person rechtmäßig sein sollte, darf erst die Polizei eine Durchsuchung der Tasche vornehmen. In vielen Fällen kann aber durch das freiwillige Gewähren eines Blickes das hinzuziehen der Polizei vermieden werden.

Trotz Notwehrrechts droht häufig ein Strafverfahren

Grundsätzlich muss man sich also nicht alles gefallen lassen und darf sich bei fehlendem hohen Verdachtsgrad sogar gegen bestimmte Maßnahmen wehren. Die Frage des Vorliegens einer Notwehrsituation und insbesondere die Frage, ob das Handeln tatsächlich erforderlich war, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist häufig schwer abzuschätzen.

Aus diesem Grund kommt es, wie im vorliegenden Fall vor dem Amtsgericht Dresden, immer wieder zu Strafverfahren gegen Personen die in Notwehr handelten. Insbesondere in solchen Grenzfällen lohnt sich der Gang zum Anwalt. In vielen Fällen kann der Anwalt durch das Aufzeigen der Notwehrsituation bereits eine Einstellung im Ermittlungsverfahren erreichen. Hierbei ist immer zu beachten, dass der Beschuldigte die Notwehrsituation nicht beweisen muss. Die Staatsanwaltschaft, beziehungsweise später das Gericht, muss das Vorliegen einer Notwehrsituation ausschließen können. Hier bieten sich für einen erfahrenen Strafverteidiger häufig erfolgreiche Anknüpfungspunkte für eine Verteidigung.

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