Freispruch für Wulff im Prozess um Korruption

Vor zwei Jahren trat Christian Wulff als Bundespräsident zurück. Nun endet der Prozess mit einem Freispruch in allen Punkten, was für viele Prozessbeobachter wenig überraschend ist.

Wie lautete der Vorwurf gegen Christian Wulff?

Die Staatsanwaltschaft Hannover warf dem ehemaligen Bundespräsidenten Wulff in ihrer Anklageschrift Bestechlichkeit (§ 332 StGB) vor. Zuvor hatte Wulff eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro abgelehnt. Er war sich keiner Schuld bewusst und wollte den Freispruch.


Zum Beginn der Ermittlungen ging es konkret um einen Urlaub auf Sylt und einem Besuch auf dem Oktoberfest. Diese sollen zum Teil von einem Filmemacher finanziert worden sein. Dies alles zu einer Zeit, als Wulff noch Ministerpräsident von Niedersachsen war. Als Gegenleistung soll Wulff für die Förderung von Filmen geworben haben, das behauptete zumindest die Staatsanwaltschaft.

Hartnäckige Staatsanwaltschaft in Hannover

Schon von Anfang an überraschte die Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft. Die Frage der „Gleichbehandlung“ von Wulff ist dabei von Bedeutung. Denn grundsätzlich ist er vor Gericht natürlich so zu behandeln, wie jeder andere Angeklagte auch. Schon das Ermittlungsverfahren hatte indes Dimensionen angenommen, die Zweifel daran aufkommen ließen, ob die Staatsanwaltschaft mit der Anklage möglicherweise auch deshalb erhoben hat, um eine Rechtfertigung der aufwendigen und teuren Ermittlungen zu erzielen. Andererseits darf auch nicht völlig ausgeblendet werden, dass Wulff als Ministerpräsident bzw. Bundespräsident eine besondere Rolle inne hatte und dies möglicherweise ein höheres öffentliches Interesse an der Aufklärung begründen konnte.
Trotzdem überraschte das Vorgehen und die Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft vor und während des Prozesses. Vor allem die Informationspolitik der Ermittler wurde mehrfach meines Erachtens zu Recht kritisiert. Von der Präsentation der Ermittler abgesehen war ein Kritikpunkt, dass teilweise ganze Auszüge der Ermittlungsakte an die Presse gelangt sind. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts des Geheimnisverrats in den eigenen Reihen auf.
Immer wieder sickerten Details aus dem Privatleben der Eheleute Wulff an die Presse durch. Dabei wurden zum Teil auch intimste Details über die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Bundespräsidenten offenbart. Die Unschuldsvermutung schien für den Angeklagten Wulff nicht mehr zu gelten.

Die Anklage schrumpfte von Tag zu Tag

Nach 13 Prozesstagen und der Vernehmung von 26 Zeugen blieb am Ende von der ursprünglichen Anklage nicht viel übrig. Außergewöhnlich war bereits der Eröffnungsbeschluss des Landgerichts, der mit 14 Seiten außergewöhnlich umfangreich war. Das Gericht sprach schon dort von einem „Grenzfall“ einer möglichen Strafbarkeit. Auch wurde nicht die Anklage wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) zugelassen, sondern lediglich das Hauptverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) eröffnet.
Konkret ging es also darum, ob Wulff bei der im Raum stehenden Gegenleistung gegen seine Dienstpflichten verstoßen haben könnte. Wäre dies der Fall, würde eine Bestechlichkeit im Raum stehen. War die Gegenleistung jedoch mit seinen Dienstpflichten vereinbar, bliebe nur der Vorwurf der Vorteilsannahme übrig.
Diese Frage hätte erhebliche Auswirkungen auf das Strafmaß. Während die Bestechlichkeit mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft wird, sieht der Gesetzgeber für eine verbotene Vorteilsannahme lediglich eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.

Ein Freispruch war zwingend

Die Zeugenaussagen stützten die Anklage in der Hauptverhandlung kaum. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Zeugen in der Hauptverhandlung nicht mehr erinnern können oder ihre Aussage ändern. In diesem Verfahren schien es jedoch über weite Teile der Verhandlung so, als fehlten schon nach Aktenlage Beweise für den Schuldvorwurf. Dabei konzentrierte sich die Staatsanwaltschaft immer häufiger auf kleinste Kostenposten. Zum Teil ging es sogar um angeblich gezahlte Kosten für die Babysitterin der Wulffs und einem Bobby-Car als Geschenk. Am Ende wurde lediglich über 719,40 Euro für den Oktoberfestbesuch verhandelt. Dabei soll es sich um eine Rechnung handeln, die – vermutlich sogar von Wulff unbewusst – von einem Freund übernommen wurde.

Bereits im Dezember äußerte der Vorsitzende Richter daher auch die Vermutung, dass möglicherweise gar keine Strafbarkeit vorliegen würde. Dies sollte wohl auch der Staatsanwaltschaft signalisieren, dass ein schnelles Verfahrensende angezielt werden sollte.
Die Staatsanwaltschaft blieb von diesem Hinweis jedoch unberührt bei ihrem Kurs und zog das Verfahren bis zur jetzigen Freispruch durch. Im Plädoyer verzichtete die Staatsanwaltschaft sogar auf die Nennung eines konkreten Strafmaßes – ein ungewöhnlicher Vorgang, der am ehesten damit zu erklären ist, dass auch die Staatsanwaltschaft von einem Freispruch in dieser Instanz ausging. Die Signale der Kammer waren sehr deutlich.

Wenig überraschend war dann auch, dass das Gericht Wulff von allen Anklagepunkten freisprach und damit den Anträgen der Strafverteidigung folgte.

Am Ende nur noch eine Farce?

Je weiter der Prozess voranschritt, desto lauter wurde die Kritik am gesamten Verfahren. Auch wenn man mit prozessökonomischen Gesichtspunkten im Strafrecht immer vorsichtig sein muss, so stellt sich natürlich die Frage, ob der geringe potentielle Schaden, die schwache Beweislage und die Gefahr der Existenzvernichtung und Rufschädigung durch den medienwirksamen Prozess für den Angeklagten noch in einem rechtstaatlichen Verhältnis standen.
Das Gericht fand mehrfach im Verfahren klare Worte in Richtung der Staatsanwaltschaft und auch im Urteil gab das Gericht zu erkennen, dass die Verhältnismäßigkeit des ganzen Verfahrens fraglich sei. Selten standen sich Gericht und Staatsanwalt so konfliktträchtig gegenüber wie in diesem Prozess. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sprach sogar von einem „Auswärtsspiel“ vor dem Landgericht.

Wird den Strafverteidigern gelegentlich eine sogenannte „Konfliktverteidigung“ vorgeworfen, stellt sich im Wulff-Prozess die Frage, ob es nicht auch so etwas wie eine „Konfliktanklage“ gibt.

Die Staatsanwaltschaft will die Revision zum BGH

Im Plädoyer verzichtete die Staatsanwaltschaft aber nicht nur auf ein Strafmaß, sondern forderte auch die Fortsetzung der Beweisaufnahme. Das Gericht sah dies jedoch offensichtlich anders und beendete den Prozess mit einem Freispruch. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft tatsächlich Revision gegen das Urteil einlegen und eine Entscheidung des BGH herbeiführen will. Der Revision werden in diesem Fall geringe bis keine Chancen eingeräumt, sofern nicht formale Fehler vorliegen. Denn am Ende der Beweisaufnahme stritt man sich weniger um Rechtsfragen als vielmehr um die Beweiswürdigung, die grundsätzlich von der Kammer zu entscheiden ist. Der BGH kann als Revisionsinstanz nur bei bestimmten Fehlern der Beweiswürdigung das Urteil aufheben.

Wulff selbst wünscht sich, so erwähnte er es in seinen letzten Worten vor Gericht, nur noch Ruhe. Bereits jetzt ist seine politische Karriere durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zerstört. Man mag darüber streiten, ob das Verhalten Wulff zu seinem damaligen Amt passte. Dies ist jedoch eine moralische und keine strafrechtliche Frage. Dies sah zum Glück auch das Gericht so.

Es würde der Staatsanwaltschaft gut stehen, wenn sie das Urteil akzeptieren würde. Vor allem da bereits jetzt absehbar ist, dass auch der BGH vermutlich zu keinem anderen Ergebnis kommen wird.

Dieses Verfahren hat gezeigt, dass selbst oder vielleicht sogar gerade in der Öffentlichkeit stehende Personen der Gefahr ausgesetzt sind, durch öffentlich gewordene Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht nur Ihren Ruf und in vielen Fällen Ihre berufliche Existenz zu verlieren, sondern selbst im Falle eines Freispruchs noch Jahre mit den Folgen des öffentlich erhobenen Anklage und den der Hauptverhandlung zu kämpfen haben. Selten gelingt es, sich durch ein freisprechendes Urteil zu rehabilitieren, weshalb in der Regel die Einstellung des Verfahrens ein häufig genutztes Mittel zur Beendigung des Verfahrens ist.

Es wäre wünschenswert, wenn als Lehre aus diesem Verfahren gezogen würde, dass zukünftig das Instrument der nichtöffentlichen Vorermittlungen genutzt wird, bevor ein förmliches und öffentliches Ermittlungsverfahren wegen Korruption geführt wird, welches dann – wie in diesem Fall erwartet – mit einem Freispruch endet.

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