OLG Hamm: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und die fehlende Belehrung

Möchte die Polizei zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Personalien feststellen, muss sie die Person zuvor belehren.

Der Angeklagte wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB vom Amtsgericht zu 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die Strafverteidigung rügt das Urteil mittels Sprungrevision vor dem Oberlandesgericht Hamm.


Nach Feststellung des Amtsgerichts fand eine unangemeldete Antifa-Biketour statt. Die Polizei konnte die Teilnehmer nicht dazu bringen, die Veranstaltung noch kurzfristig anzumelden und einen verantwortlichen Veranstalter zu benennen. Aus diesem Grund löste die Polizei die Veranstaltung auf und gab dies über Lautsprecherdurchsagen bekannt.

Als die Gruppe an Radfahrern weiterfuhr, wurde sie einige Straßen weiter von der Polizei gestoppt. Zusätzlich wurden die Personalien der angehaltenen Personen festgestellt. Auch der Angeklagte sah, dass andere Personen aus der Gruppe von der Polizei nach ihren Personalien gefragt wurden. Als ein Beamter auf den Angeklagten zukam, um auch seine Daten aufzunehmen, riss sich der nun Angeklagte los und machte eine wegschlagende Bewegung in Richtung des Beamten. Daraufhin brachte der Beamte den Angeklagten zu Boden und fesselte ihn mit Handfesseln.

Für eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte muss die polizeiliche Diensthandlung gemäß § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB rechtmäßig gewesen sein. Dabei kommt es jedoch nicht auf sämtliche formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen an. Die Diensthandlung ist im strafrechtlichen Sinne dann nicht rechtmäßig, wenn die für sie geltenden wesentlichen Förmlichkeiten nicht eingehalten werden.

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) sieht in diesem Fall wesentliche Förmlichkeiten nicht eingehalten. Nach § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO darf eine Person, die einer Ordnungswidrigkeit verdächtigt ist, auch festgehalten werden. Nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO muss die Person jedoch belehrt werden, vor allem muss ihr eröffnet werden, welcher Straftat oder Ordnungswidrigkeit sie verdächtigt ist. In diesem Fall wurde das Vergehen dem Angeklagten jedoch nicht eröffnet. Ein Grund, warum ausnahmsweise von der Belehrung hätte abgesehen werden dürfen, ist nicht ersichtlich.

Auch war der Zweck der Personalienfeststellung für den Angeklagten nicht offensichtlich. Unter anderem auch deswegen, weil gar nicht festgestellt wurde, ob der Angeklagte bei der Auflösung der Veranstaltung, die einige Straßen zuvor erfolgte, schon anwesend war. Im Sinne des „in dubio pro reo“ – Grundsatzes („im Zweifel für den Angeklagten“), muss dies verneint werden:

Das Amtsgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte bereits zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Auflösungsanordnung in der Alsenstraße Teilnehmer der „Biketour“ war und auf diese Weise Kenntnis von der Auflösungsanordnung erlangen konnte.

Aus diesem Grund spricht der Senat den Angeklagten frei. Eine Strafbarkeit des Angeklagten ist nicht zu erkennen. Damit hat die Revision Erfolg.

OLG Hamm, 10. Mai 2012, Az.: III-3 RVs 33/12

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