Zur Beihilfe bei Lagerung und Vertrieb von Drogen in der Wohnung

2. Strafsenat des BGH, Az. 2 StR 329/09

Die Angeklagte war vom LG Aachen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handelstreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gem. § 29, § 29a BtMG (Drogenhandel) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Deren Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen das Urteil wandte sich die Angeklagte mit dem Rechtsmittel Revision.
Die auf die Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützte Sachrüge hatte nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in der Sache Erfolg.

So hatte das Landgericht Aachen festgestellt, dass sich die Angeklagte und der Mitangeklagte seit mehr als 6 Jahren eine Wohnung teilten. Während die Angeklagte im Wohnzimmer oder in der Küche schlief, benutzte der Mitangeklagte das Schlafzimmer. Als eine Art „Miete“ leitete der Mitangeklagte seine Hartz-IV-Bezüge an die Angeklagte weiter.

Seit mindestens 3 Jahren handelte der Mitangeklagte mit Betäubungsmitteln, welche er größtenteils in den Niederladen erwarb. Dabei nutzte er das Schlafzimmer zur Lagerung der Drogen bzw. des aus dem Handel mit Drogen resultierende Geldes und auch als Raum für die Abwicklung der Geschäfte mit Käufern und Konsumenten der Betäubungsmittel. Der Angeklagten war der Verkauf von Drogen in der gemeinsamen Wohnung bekannt und sie duldete diesen Umstand auch.

Nachdem der Mitangeklagte bei der Einfuhr größerer Mengen verschiedener Betäubungsmittel erwischt und hierfür angeklagte wurde, fanden die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung weitere Drogen und Bargeld im Schlafzimmer des Mitangeklagten in der Wohnung der Angeklagten. Im weiteren Verlauf wurde die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge angeklagt und durch das Landgericht Aachen verurteilt.

Nach Auffassung des BGH hält die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Wortlaut des 2. Strafsenats des BGH:

Den widersprüchlichen Ausführungen des Landgerichts kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass die Angeklagte den Betäubungsmittelhandel des Mitangeklagten A. durch aktives Tun gefördert hätte. Die nicht weiter mit Tatsachen belegte Begründung der Strafkammer, die Angeklagte habe ihm die Wohnung zur Verfügung gestellt, genügt nicht. Nach den Feststellungen teilten sich die Angeklagte und der Mitangeklagte A. bereits seit mehreren Jahren die Wohnung, bevor Letzterer mit dem Handel mit Betäubungsmitteln begann. A. nutzte hierfür das allein ihm zugewiesene Schlafzimmer. Den Ausführungen des Landgerichts lässt sich nicht entnehmen, inwieweit die Angeklagte hierbei die „Wohnung“ zur Verfügung gestellt haben sollte. Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung und des Vertriebs der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber die Voraussetzung strafbarer Beihilfe nicht (vgl. BGH NStZ 1999, 451; StV 2003, 280; 2007, 81).

Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit der Angeklagten, dass sie gegen die Aktivitäten des A. nicht vorgegangen ist. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn sie als Wohnungsinhaberin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen den von A. in dem ausschließlich von ihm genutzten Schlafzimmer betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (vgl. BGH, jew. aaO).

Aufgrund des Verhaltens der Angeklagten kann nach den Feststellungen des LG Aachen keine strafbare Handlung bzw. keine aktive Beihilfe des Angeklagten angenommen werden. Es wäre ferner zu prüfen gewesen, ob die Angeklagte gewisse aktive Unterstützungshandlungen zu den jeweiligen Drogengeschäften des Mitangeklagten geleistet hätte.

Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Da die Strafkammer von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, wird der neue Tatrichter insbesondere zu prüfen haben, ob die Angeklagte konkrete Unterstützungshandlungen zu dem Rauschgiftdelikt des als Haupttäter verurteilten Mitangeklagten A. geleistet hat. Eine Garantenstellung als Wohnungsinhaberin würde sie treffen, wenn ihr die Verfügungsgewalt über die ganze Wohnung zugestanden hätte und diese – etwa durch ihre Lage oder Beschaffenheit – eine besondere Gefahrenquelle für eine leichtere Ausführung von Straftaten darstellte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 153). Gegebenenfalls wird auch zu prüfen sein, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Mitbesitzes an den im Schlafzimmer befindlichen und bei der Durchsuchung am 14. Oktober 2008 sichergestellten Betäubungsmitteln vorlagen.

Die Revision der Angeklagten hat somit Erfolg. Das Urteil ist zur erneuten Verhandlung an die Strafkammer des LG Aachen zurückzuweisen.

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