Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
Die vom Angeklagten eingelegte Berufung wurde vom Landgericht als unbegründet verworfen. Die dagegen eingelegte Revision hatte vor dem OLG Koblenz allerdings Erfolg. Dabei bezeichnete das OLG die bisher getroffenen Feststellungen als lückenhaft, so dass eine Prüfung durch das Gericht nicht möglich sei.
Dazu führten die Richter aus:
1. Im Falle eines Schuldspruchs wegen Unterhaltspflichtverletzung hat der Tatrichter zunächst den Umfang der Unterhaltspflicht festzustellen, welcher sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt (§ 1610 I BGB).
2. Der Höhe des geschuldeten Unterhalts hat der Tatrichter die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten entgegenzustellen und darzulegen, ob und inwieweit dieser zur vollständigen oder zumindest zur teilweisen Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Lage war.
3. Schulden können einkommensmindernd berücksichtigt werden; dabei kommt es auf den Zweck der Verbindlichkeiten, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung sowie die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von seiner Unterhaltsschuld an.
4. Soll dem Angeklagten angelastet werden, sich gegen eine als unberechtigt angesehene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt und dabei die Verschlechterung seiner Einkommenssituation in Kauf genommen zu haben, bedarf es der Darlegung, dass eine etwaige Kündigungsschutzklage aller Voraussicht nach auch Erfolg gehabt und der Angeklagte damit seinen Arbeitsplatz behalten bzw. wiedererhalten hätte.
5. Leistungsfähigkeit des Täters kann sich auch aus erzielbaren, wenn auch tatsächlich nicht erzielten Einkünften ergeben. In diesem Fall sind jedoch die Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Beträge festzustellen, die der Angeklagte durch zumutbare Arbeit hätte verdienen können. Die bloße Feststellung, er habe sich pflichtwidrig nicht als arbeitsuchend gemeldet bzw. keine genügenden eigenen Anstrengungen unternommen, reicht für sich nicht aus.
6. Das Tatgericht hat die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, abzuurteilen und deren Unrechtsgehalt voll auszuschöpfen, sofern dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (§ 264 StPO). Für die als Dauerstraftat anzusehende Unterhaltspflichtverletzung bedeutet dies, dass sowohl das erstinstanzliche als auch das Berufungsgericht das Verhalten des Angeklagten bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung über die Schuldfrage zu überprüfen haben, soweit auch nur eine Einzelhandlung bereits im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses begangen war.
Das OLG erwartet folglich für eine Verurteilung nach § 170 StGB ausführliche Feststellungen zu den Voraussetzungen der Unterhaltspflicht nach dem Zivilrecht. Des Weiteren im Falle einer – hier vorliegenden – Kündigung und damit eingeschränkten Leistungsfähigkeit auch arbeitsrechtliche Ausführungen.
Beim Tatbestand der Unterhaltspflichtverletzung gem. § 170 StGB scheitern die Instanzgericht immer wieder an dem Erfordernis, dass das Strafrecht selbst sämtliche Tatbestandsmerkmale, also auch die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs, der Bedürftigkeit und weiterer Voraussetzungen nicht nur prüfen, sondern dies auch im schriftlichen Urteil darlegen muss. Strafurteile oder Strafbefehle mit dem Tatvorwurf der Unterhaltspflichtverletzung gem. § 170 StGB beinhalten daher in der Regel gute Ansatzpunkte für die Strafverteidigung, gegebenenfalls auch in der Revision.
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.11.2010, Az.: 2 Ss 184/10