Hauptverhandlung

  • OLG Bamberg, Beschluss vom 04.03.2011, Az.: 2 Ss Owi 209/2011

    Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in Höhe von 140 Euro festgesetzt, weil er den vorgeschriebenen Mindestabstand nach § 4 I, III StVO nicht eingehalten hatte. Den dagegen eingelegten Einspruch verwarf das Amtsgericht Bayreuth durch Urteil gemäß § 74 II OWiG, da der Betroffene zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist.

    Zwar sei von seinem Verteidiger ein Antrag gestellt worden, die Hauptverhandlung zu verlegen, allerdings sei das Gericht diesem Wunsch nicht nachgekommen. Diese Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Im vorliegenden Fall sei es dem Betroffenen zuzumuten gewesen, ohne seinen Verteidiger zu erscheinen. Damit lag nach Ansicht des Amtsgerichts keine ausreichende Entschuldigung für das Ausbleiben des Betroffenen vor.

    Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, den er wie auch die damit vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 80 Abs. 3 S. 2 OWiG) mit der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör begründet.

    Das OLG entschied zugunsten des Betroffenen, dass die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgericht zugelassen werde und das Urteil aufgehoben wird. Insbesondere hätte vom Tatrichter eine Verlegung des Termins problemlos erfolgen können:

    „Im Übrigen war ein sachgerechtes Umdisponieren seitens des Tatrichters in dieser Bagatellsache bei lediglich einem sonstigen Verfahrensbeteiligten/Zeugen auf Grund der unverzüglichen Kollisionsanzeige durch den Verteidiger problemlos möglich.

    Das dagegen vorgeschobene Argument des Tatrichters, dem stehe der Aspekt vorrangiger Verfahrensbeschleunigung entgegen, „insbesondere weil ansonsten an dem frei gewordenen Termin unter Einhaltung der Ladungsfrist kein anderes Verfahren terminiert werden könnte“, ist abwegig.

    Durch diese unsachgemäße, vom Gesetz nicht gedeckte Verfahrensweise des Tatrichters blieb das bei Durchführung der Hauptverhandlung zur Sache zu erwartende, in der Rechtsbeschwerdebegründung noch hinreichend (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, § 80 Abs. 3 OWiG) ausgeführte Vorbringen des Betroffenen zur Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Schuldvorwurfs und zum Rechtsfolgenausspruch rechtsfehlerhaft unberücksichtigt. Mit der Verwerfung des Einspruchs der Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG wurde deshalb nicht nur gegen einfaches Verfahrensrecht verstoßen, sondern insbesondere auch dem Betroffenen das rechtliche Gehör in der Sache selbst unzulässigerweise beschnitten (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BayObLG, Beschluss vom 11.01.2001, Az. 2 ObOWi 607/00).“

    Damit erläutert das OLG hier den Fall, in dem die Ermessensentscheidung des Gerichts über einen Antrag auf Verlegung eingeschränkt ist. Es soll durch das eingeräumte Ermessen nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kommen.


  • BGH Urteil vom 26.01.2011, Az.: 2 StR 338/10

    Das Landgericht Köln hatte die drei Angeklagten wegen besonders schweren Raubs und Beihilfe zu dieser Tat zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen das Urteil legten die Angeklagten Revisionen ein, woraufhin der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen hat.

    Zum Sachverhalt:
    Die Schöffin wollte bereits vor Beginn der Hauptverhandlung von ihrem Amt zurücktreten, da sie nach eigener Aussage der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Dies wies das Landgericht durch Beschluss zurück, so dass die Schöffin am Prozess teilnahm. Für sie wurde allerdings eine russische Dolmetscherin bestellt, welche immer anwesend und zudem auch bei allen Beratungen einschließlich der Urteilsberatung dabei war.

    Die Strafverteidiger der Angeklagten erhoben vor deren Vernehmung einen Besetzungseinwand. Dieser wurde aber durch Beschluss zurückgewiesen.
    Begründet hat das Landgericht seine Entscheidung damit, dass die sprachlichen Anforderungen an einen Schöffen nicht gesetzlich geregelt seien. Das Sprachproblem solle einen Schöffen aber nicht an der Teilnahme hindern, da das Landgericht das Problem durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers als gelöst ansah.

    Zwar hat der Gesetzgeber auf das Problem reagiert und durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Gerichstverfassungsgesetzes vom 24. Juli 2010 in § 33 Nr. 5 GVG in der ab 30. Juli 2010 geltenden Fassung eine Regelung getroffen. Allerdings war diese zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Kraft.

    Der BGH sah es anders als das Landgericht und gab der Revision statt:

    1. „Die Rüge hat Erfolg weil die Schöffin aufgrund ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse an der Verhandlung nicht teilnehmen durfte, so dass die Kammer nicht vorschriftsmäßig besetzt war, § 338 Nr. 1 StPO.“

    „Der Senat bejaht die Erforderlichkeit einer hinreichenden Sprachkompetenz bei Schöffen auch für die Rechtslage vor der Neuregelung in § 33 Nr. 5 GVG. Der in der Strafprozessordnung verankerte Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit (§§ 261, 264 StPO) verlangt, dass das Urteil auf einer umfassenden Würdigung der unmittelbar vor dem erkennenden Gericht erhobenen Beweise beruht. Hierzu ist erforderlich, dass der erkennende Tatrichter Prozessabläufe akustisch und optisch wahrnehmen und verstehen und sich unmittelbar – ohne Zuhilfenahme von Sprachmittlern – mit den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Gerichtssprache – diese ist gemäß § 184 Satz 1 GVG deutsch – verständigen kann.2. „So ist, obwohl dies gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, ein hör- oder sprechunfähiger Richter regelmäßig nicht fähig, an Verhandlungen teilzunehmen. Dies folgt aus dem die Hauptverhandlung beherrschenden Grundsatz der Mündlichkeit, der die Fähigkeit voraussetzt, Gesprochenes akustisch wahrzunehmen und sich in dem durch Rede und Gegen-rede gekennzeichneten Gang der Hauptverhandlung mündlich zu äußern (vgl. BGHSt 4, 191, 193; Kuckein in Karlsruher Kommentar 6. Aufl. § 338 Rn. 50; Pfeiffer StPO 5. Aufl. § 338 Rn. 10).“

    Hieraus folgt, dass sämtliche Richter der deutschen Sprache mächtig sein müssen.“

    Die Entscheidung hat zwei Seiten. Zum einen wird damit einem nicht kleinen Teil der in Deutschland lebenden Bevölkerung die Teilnahme als Schöffen am Strafprozess unmöglich gemacht. Zum anderen wird dies aber den Grundsätzen des Strafprozesses gerecht, insbesondere der Wahrung des Mündlichkeitsprinzips.  Dies gilt umso mehr, als dass in Deutschland keine staatliche Prüfung von Dolmetschern stattfindet und in der Praxis teilweise bedenkliche Qualität zu erheblichen Verständnisfehlern führt.


  • Der Beschwerdeführer war als Verteidiger in zwei Verfahren bereits während des Ermittlungsverfahrens tätig. Diese wurden mit Beschluss zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden. Bei dem dabei führenden Verfahren wurde der Beschwerdeführer allerdings erst nach der Verbindung als Pflichtverteidiger bestellt.

    Den in diesem Zusammenhang ergangenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss hatte der Beschwerdeführer mit der Erinnerung angefochten. Diese wurde durch Beschluss zurückgewiesen. Daraufhin legte der Beschwerdeführer die „sofortige Beschwerde“ ein, welche als hier statthafte „Beschwerde“ ausgelegt wurde.

    Dazu führte nun das Landgericht aus:

  • Im Kachelmann-Prozess wurde an diesem Verhandlungstag die erneute Vernehmung des mutmaßlichen Opfers thematisiert.
    Bei der Vernehmung mahnte die Staatsanwaltschaft die Frau mehrfach die Wahrheit zu sagen. Bereits bei den ersten Vernehmungen im April 2010, sei die Staatsanwaltschaft, nach Informationen von spiegel-online im Besitz von schriftlichen Dokumenten gewesen, die eine zumindest teilweise Falschaussage des mutmaßlichen Opfers belegen würden. Dennoch seien die Vernehmungen ohne Tonband und ohne Video erfolgt, diktiert worden sei abschnittsweise.
    Staatsanwalt Oltrogge erklärte, dass sich das mutmaßliche Opfer, das bereits wusste, dass ihr Computer von der Polizei untersucht werden würde, auffällig zögernd verhalten habe. Sie habe vage geantwortet, abgewartet und sei immer einsilbiger geworden, je mehr die Rede auf den Brief kam, den sie rein zufällig Stunden vor Kachelmanns Besuch im Briefkasten gefunden haben wollte. Durch dieses Schreiben sei sie ermutigt worden, Kachelmann nun plötzlich auf seine Untreue anzusprechen. Dabei soll das mutmaßliche Opfer immer wieder in Tränen ausgebrochen sein. „Erst blieb sie bei ihrer Darstellung wie bei der Kripo“, so Oltrogge. „Ich fragte nach, was in dem Briefkasten lag. Das verstand sie nicht. Ich präzisierte und machte ihr nachdrücklich klar, dass sie nichts Falsches erzählen solle.“ Zwar habe man keine objektive Gewissheit, aber es besteh eine gewisse kriminalistische Wahrscheinlichkeit, dass nicht stimme, was sie gesagt habe, so Oltrogge.
    Im Prozess gab es eine Unterbrechung, da sich die Staatsanwaltschaft besprechen wollte. In dieser Zeit habe der Rechtsanwalt des mutmaßlichen Opfers erklärt, dass sie noch etwas sagen wolle. Sodann habe sie zugeben, dass sie den fraglichen Brief bereits einen Monat zuvor erhalten habe.
    Dann erklärte Oltrogge, dass sie dann die Lügen des mutmaßlichen Opfers schwarz auf weiß gehabt hätten. „Wir fragten uns schon vor der Vernehmung, ob dies nun der Punkt sei, an dem der dringende Tatverdacht zusammenbricht. Oder erst dann, wenn sie die Lügen weiter aufrechterhält? Oder, wenn sie sich berichtigt, auf welche Weise sie dies tut? Ob sie nachvollziehbar erklären kann, warum sie gelogen hat? Wir hielten den Sachverhalt für naheliegend falsch, aber nicht für beweisbar falsch.“
    Oberstaatsanwalt Gattner erklärte, dass man sich viele Gedanken gemacht habe, wie es im Ermittlungsverfahren nun weitergehen sollte. Letztlich seien sie aber zu dem Schluss gekommen, dass keine Falschaussage vorgelegen hätte.
    Dann erklärte er, dass das Mutmaßliche Opfer aufgelöst bei der Staatsanwaltschaft erschienen sei, da sie Angst gehabt habe, dass Kachelmann aus der Untersuchungshaft entlassen werde. Daraufhin hätten die beiden Staatsanwälte erklärt, dass das nach ihrer Einschätzung nicht geschehen werde. Sodann sei jedoch das Ergebnis der Computerauswertung gekommen. Daraus habe sich ergeben, dass sie nicht die Wahrheit gesagt habe. Dies sei einschneidend gewesen.
    Allerdings hielten die Staatsanwälte an dem Tatverdacht der Vergewaltigung fest und Kachelmann blieb vorerst in Untersuchungshaft. Es sei keine Belastungstendenz bei dem mutmaßlichen Opfer zu erkennen gewesen. Sie sei in vier Vernehmungen bei ihren Vorwürfen geblieben. Zudem hätten erhebliche Zweifel an den Angaben Kachelmanns vor dem Haftrichter bestanden.
    Trotz dieses Verhandlungstags erklärte die Staatsanwaltschaft, dass der Vorwurf nicht objektiv, sondern einseitig zum Nachteil ermittelt zu haben, an diesem Verhandlungstag eindeutig widerlegt worden sei.
    ( Quelle: spiegel-online vom 31.03.2011 )


  • 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 3 StR 287/10

    Im Anschluss an einen Hauptverhandlungstermin wurde in Abwesenheit der Verteidiger des Beschwerdeführers unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft mit den beiden Verteidigern des Mitangeklagten A ein Gespräch über die Möglichkeit einer verfahrensbeendenden Absprache für den Fall einer geständigen Einlassung des Mitangeklagten A geführt. Die übrigen Verfahrensbeteiligen wurden nicht bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in der öffentlichen Hauptverhandlung nachträglich über den Gesprächsinhalt unterrichtet. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin ein Befangenheitsgesuch hinsichtlich aller Mitglieder der Strafkammer.

    Nach Ansicht des 3. Strafsenats ist die Revision des Angeklagten, soweit sie die Befangenheitsanträge betrifft, unbegründet. Das zunächst begründete Misstrauen sei durch die dem Beschwerdeführer bekannt gemachten Äußerungen des Gerichts ausgeräumt worden. Hinsichtlich eines weiteren Ablehnungsgesuchs, welches sich auf die Befangenheit des gesamten Strafkammer bezog und welches damit begründet wurde, dass die Richter den Beschwerdeführer nicht richtig und nicht vollständig über den Inhalt des Gesprächs aufgeklärt hätten, ist der 3. Strafsenat ebenfalls der Ansicht, dass die Revision hier nicht erfolgreich sei.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar ist es einem Richter auch nach den Vorschriften des am 04.08.2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren v. 29.07.2009 (BGBl I S. 2353) grundsätzlich nicht verwehrt, zur Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen. Hier muss jedoch die gebotene Zurückhaltung zu wahren, damit jeder Anschein von Parteilichkeit vermeiden wird. Dies gilt mit Blick auf einen möglichen Interessenwiderstreit mit besonderem Maße, wenn Gespräche über eine verfahrensbeendende Absprache mit einem Angeklagten unter Ausschluss eines vom selben Tatkomplex betroffenen, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machenden oder die Tatvorwürfe bestreitenden Mitangeklagten, geführt werden.
    In diesen Fallkonstellationen ist es naheliegend, dass bei dem an dem Gespräch nicht beteiligten Mitangeklagte berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter aufkommen können. Aus seiner Sicht könnte zu befürchten sein, dass auch auf Betreiben des Gerichts seine Tatbeteiligung hinter verschlossenen Türen und ohne seine Kenntnis mitverhandelt wird.
    Dieser verständlichen Besorgnis kann zuverlässig nur dadurch begegnet werden, dass Gespräche, die die Möglichkeit einer Verständigung zum Inhalt haben, auch außerhalb der Hauptverhandlung nur in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten oder offen in der Hauptverhandlung geführt werden. Jedoch gibt es dafür keine gesetzliche Grundlage. Sofern solche Gespräche stattgefunden haben, muss der Vorsitzende Richter auch bei einem ergebnislosen Verlauf und unabhängig davon, ob neue Aspekte i.S.d. § 243 IV 2 StPO zur Sprache gekommen sind, hierüber in der Hauptverhandlung umfassend und unverzüglich unter Darlegung der Standpunkte aller beim Gespräch anwesenden Verfahrensbeteiligten informieren.“


  • 3. Strafsenat des OLG Hamm, Az.: III-3 RVs 49/10

    Das AG Bad Oeynhausen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- Euro verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt.

    Der 3. Strafsenat des OLG Hamm gab der Revision statt, da die Blutprobe nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei und somit eine Verletzung des § 261 StPO vorliege. Zudem sei eine Protokollberichtigung erfolgt, obwohl weder der Angeklagte noch sein Verteidiger gehört wurden oder dienstlichen Äußerungen der Protokollbeamten eingeholt wurden. Eine Berichtigung sei jedoch erfolgt, da sich die Richterin an die Verlesung habe erinnern können.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:


    „Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls steht fest, dass der Beschluss über die Verlesung des Blutalkoholgutachtens nicht ausgeführt wurde. Das Protokoll ist hierzu weder lückenhaft noch widersprüchlich, sondern insoweit eindeutig. Der Umstand, dass die Verlesung tatsächlich erfolgt ist, mithin der die Verlesung anordnende Beschluss tatsächlich ausgeführt wurde, gehört auch zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beachtung von der negativen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls erfasst wird.
    Nach § 274 S. 1 StPO kann die Beachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Das Gesetz lässt als Gegenbeweis nur den Nachweis der Fälschung zu. Zwar kann nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs auch durch eine nachträgliche Berichtigung des Protokolls einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des Revisionsführers die Tatsachengrundlage entzogen werden (BGHSt 51, 298 – 317; BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07). Eine solche nachträgliche Protokollberichtigung fand vorliegend jedoch nicht in der gebotenen Weise statt und kann auch nicht nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2010 – 2 StR 158/10; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2009
    Grundlage einer jeden Protokollberichtigung ist nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die sichere Erinnerung der Urkundspersonen. Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht mehr berichtigt werden (BGHSt 51, 298, 314, 316).“

    Der Strafsenat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG Bad Oeynhausen zurückverwiesen.


  • Gegen den Beschwerdeführer erging ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 39 km/h in Höhe von 150,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat um Verlegung des Hauptverhandlungstermins, da er sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befinden würde. Das AG Bielefeld lehnte die Terminverlegung im Hinblick auf die angespannte Lage des Dezernats ab.

    Der Hauptverhandlungstermin fand statt, doch weder der Beschwerdeführer noch der Verteidiger nahmen teil. Das AG Bielefeld verwarf daher den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit einer Rechtsbeschwerde.

  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 174/09

    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz ( Betäubungsmittelstrafrecht ) verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt.

    Nach den Feststellungen des Landgericht betrieb der Angeklagte ab Anfang des Jahres 2008 von B. aus einen schwunghaften Handel, mit Amphetamin und lieferte im Januar, Februar und März 2008 unter Beteiligung anderer jeweils Amphetamin an den K.
    Der Angeklagte bestritt die Anschuldigungen. Das Landgericht stütze die Verurteilung des Angeklagten auf die Aussagen der anderen Beteiligten und des K., die diese im Ermittlungsverfahren gemacht hatten. Während der Hauptverhandlung machten diese alle von ihrem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch.

    Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führt dazu aus, dass die Vernehmung der jeweiligen Vernehmungsbeamten zu den in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der anderen Beteiligten und des K. bei ihren polizeilichen Vernehmungen im Urteil nur unzureichend dargstellt wird.

    Aus dem Wortlaut des Urteils:

    „Der Generalbundesanwalt beanstandet zu Recht, dass es an einer ausreichenden Darstellung der durch die Vernehmung der jeweiligen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten Aussagen der fehlt. Zwar dienen die Urteilsgründe nicht der Dokumentation durch die Darstellung aller Einzelheiten der Beweisaufnahme (vgl. BGH wistra 2004, 150; Meyer- Goßner StPO, 52. Aufl. S 267 Rn. 12). Ist aber – wie hier – eine Würdigung und Bewertung der für die Urteilsfindung maßgebenden Zeugenaussagen erforderlich, weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten bestreitet, genügt es nicht, im Rahmen der Beweiswürdigung pauschal darauf zu verweisen, dass ein Zeuge ein Tatgeschehen, soweit es seinen Wahrnehmungen unterlegen war, entsprechend den getroffenen Feststellungen geschildert habe (vgl. Senatsbeschluss v.29.06.1999 – 4 StR 271/99 = StraFo 1999, 384 und v. 17.03.2009 – 4 StR 662/08 Rn. 7 = StV 2009, 346). Vielmehr ist es in einem Fall wie dem vorliegenden erforderlich, neben dem näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussagen auch die Umstände ihrer Entstehung darzustellen (vgl. Senatsbeschluss v. 17.03.2009).“

    Die Revision des Angeklagten hatte daher Erfolg, der Senat hob das Urteil auf und die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen.


  • Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen der „versuchten gemeinschädlichen Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Brandstiftung für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Eisleben zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof und konnte einen Teilerfolg erzielen.

    Der Angeklagte rügt in seiner Revision einzelne Verfahrensfehler. In dem einbezogenen Urteil des AG Eisleben wegen unter anderem der gemeinschaftlichen und mit den beiden Mitangeklagten begangenen gefährlichen Körperverletzung wurden die Verfahren abgetrennt und der Angeklagte und sein Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 3. Juli 2008 für die Dauer der Vernehmung weiterer Zeugen beurlaubt. Jedoch wurden in Abwesendheit des Angeklagten und seines Verteidigers Umstände erörtert, die auch den Angeklagten betrafen. Danach liegen die Voraussetzungen einer Beurlaubung nicht vor.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    “Nach dieser Vorschrift besteht die Möglichkeit der Beurlaubung nur für einzelne Teile der Verhandlung, von denen der zu beurlaubende Angeklagte und sein Verteidiger „nicht betroffen“ sind. Letzteres trifft nur zu, wenn auszuschließen ist, dass die während der Abwesenheit des Angeklagten behandelten Umstände auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren. Auch wenn der Verhandlungsteil nur für den Ausspruch über eine Rechtsfolge für den Angeklagten von Bedeutung ist, wird dieser von ihm betroffen (Gmel in KK-StPO 6. Aufl. § 231 c Rdn. 4; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 231 c Rdn. 12; jew. m.N.).“

    Angesichts dessen war die Beurlaubung für den Termin der Hauptverhandlung nach Auffassung des Strafsenats nicht statthaft. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Verteidiger den Antrag gestellt hat:

    „Dies folgt bereits aus dem Wesen der Einbeziehung des früheren Urteils gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG. Zwar sind der Schuldspruch des früheren Urteils und die ihn tragenden Feststellungen für das einbeziehende Gericht grundsätzlich bindend und ist deshalb auch eine vollständige oder teilweise Wiederholung der Beweisaufnahme über Umstände, die Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Eisenberg JGG 13. Aufl. § 31 Rdn. 37 und 58). Dies schließt aber ergänzende Feststellungen, die zu den im früheren Verfahren getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus. Im Übrigen ist das einbeziehende Gericht hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht an die Feststellungen im früheren Urteil gebunden, sondern es hat unter zusammenfassender eigen-ständiger Würdigung der in dem früheren Urteil festgestellten und der neuen Straftaten auf eine sämtliche Straftaten gerecht werdende Rechtsfolge zu erkennen (vgl. Eisenberg aaO Rdn. 38 m.N.).“

    Der Angeklagte war von der Beweisaufnahme in dem Verfahren wegen der gefährlichen Körperverletzung betroffen und insofern musste die Möglichkeit des Angeklagten bzw. seines Verteidigers bestanden haben, die Beweisaufnahme zu verfolgen und sich hierzu in der Hauptverhandlung äußern zu können.

    Somit war nach Auffassung des Strafsenats die Anwesendheit des Angeklagten und seines Strafverteidigers während diesem Teil der Verhandlung zwingend erforderlich. Dieses führt zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO und folglich zur Aufhebung des Strafausspruchs.

    4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 609/08

  • Der Angeklagte ist wegen Betrugs in insgesamt 19 Fällen, versuchten Betrugs und Beihilfe zum Betrug in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen und Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten vom Landgericht verurteilt worden. Zudem wurde ein Notebook des Angeklagten eingezogen.

    Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Mit der Rüge vorschriftswidriger Abwesendheit eines notwenigen Verteidigers in der Hauptverhandlung hat er Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

In dringenden Fällen erreichen Sie unsere Anwaltskanzlei zu jeder Tag- und Nachtzeit. Notfallkontakt