BGH: Der untreue Gerichtsvollzieher nach § 266 Abs. 1 StGB

Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger.

Ein Gerichtsvollzieher erhob in mehreren Vollstreckungsverfahren zu hohe Gebühren. Das Landgericht Frankenthal sah hierin unter anderem den Straftatbestand der Untreue erfüllt und verurteilte den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Dagegen richtete sich der Angeklagte mit der Revision.

Bezüglich der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB muss der Täter eine Vermögensbetreuungspflicht verletzen. Der BGH bejaht eine solche Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern aus folgenden Erwägungsgründen:

„Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan gemäß §§ 753 ff. ZPO im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Oktober 1959 – 1 StR 466/59, BGHSt 13, 274; RGSt 71, 31). Zwar handelt der Gerichtsvollzieher hoheitlich und wird nicht als Vertreter des Gläubigers tätig (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 753 Rn. 4). Die Zwangsvollstreckung dient aber den Gläubigerinteressen. Sie erfordert als verfahrenseinleitende Prozesshandlung einen Antrag des Gläubigers. Damit bestimmt der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs. Er hat die Herrschaft über seinen vollstreckbaren Anspruch und bleibt somit auch „Herr“ seines Verfahrens (Zöller/Stöber aaO Vor § 704 Rn. 19).“

Auch die Vorschriften der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher lässt solch eine Vermögensbetreuungspflicht vermuten:

„Zudem hat der Gerichtsvollzieher die Vorschriften der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) zu beachten (vgl. Zöller/Stöber aaO § 753 Rn. 4). Deren Einhaltung gehört nach § 1 Abs. 4 GVGA zu den Amtspflichten des Gerichtsvollziehers. Nach § 58 Nr. 1 GVGA handelt der Gerichtsvollzieher bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbständig. Er hat gemäß § 58 Nr. 2 GVGA die Weisungen des Gläubigers insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. Insbesondere hat der Gerichtsvollzieher nach § 106 Nr. 6 GVGA die empfangene Leistung und nach § 138 Nr. 1 GVGA bzw. § 170 GVGA gepfändetes oder ihm gezahltes Geld nach Abzug der Vollstreckungskosten unverzüglich an den Gläubiger abzuliefern. Gegen diese Amtspflichten hat der Angeklagte verstoßen, indem er das von den Vollstreckungsschuldnern erhaltene Geld im Umfang der zuviel einbehaltenen Gebühren nicht an die Gläubiger weitergeleitet hat.“

Somit hatte die Revision bezüglich dieses Punktes keinen Erfolg. Trotzdem war sie für den Angeklagten nicht ganz erfolglos. In zwei Fällen nahm der Gerichtsvollzieher Zahlungen für zwei Gläubiger gleichzeitig an und leitete diese am selben Tag weiter. Während das Landgericht hier noch verschiedene Taten sah, erkennt der BGH eine Handlungseinheit:

„In diesen Fällen teilte der Angeklagte die von den Vollstreckungsschuldnern geleisteten Zahlungen auf und leitete die Gelder am selben Tag an zwei Gläubiger weiter, wobei er jeweils zu hohe Gebühren in Höhe von 17,50 € in Abzug brachte. Die jeweils am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Ausbuchungen stehen in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (BGH, Beschlüsse vom 14. September 2010 – 4 StR 422/10; vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10 und vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10 m.w.N.). Angesichts des Umstandes, dass die am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Ausbuchungen jeweils denselben Vollstreckungsschuldner betrafen, liegt es nahe, dass der Angeklagte die Verfügungen zusammen erledigte und nicht aufgrund eines neuen Tatentschlusses handelte.“

Insoweit hatte die Revision dann doch noch Erfolg.

BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011, Az.: 4 StR 409/10

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