BGH: Die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung bei der illegalen Beschäftigung

Die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung wirkt bei § 266a Abs. 2 StGB regelmäßig nicht tatbestandsausschließend.

Der Angeklagte beschäftigte mehrere Personen in einer „Drückerkolonne“. Das Landgericht Coburg verurteilte ihn wegen Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelten.

Dagegen wehrte sich der Angeklagte mittels Revision und führt an, dass ihm die Beitragsentrichtung unmöglich gewesen wäre. Dies sieht der BGH anders:

Anders als im Rahmen von § 266a Abs. 1 StGB besteht vorliegend die Tathandlung nicht im Vorenthalten – also dem schlichten Nichtzahlen – der Sozialversicherungsbeiträge. Hier ist das Vorenthalten vielmehr Folge der in § 266a Abs. 2 StGB definierten Tathandlungen. Bei dem Tatbestand des § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt es sich dabei um ein Erfolgsdelikt, das an einem aktiven Tun anknüpft. Lediglich im Rahmen des Tatbestands des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt gegeben (Fischer, StGB 58. Aufl., § 266a Rn. 21). Anders als § 266a Abs. 1 StGB enthält der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB mithin über die Nichtzahlung hinausgehende Unrechtselemente (vgl. Wiedner in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2011, § 266a Rn. 64: „Die Pflichtverletzungen des Arbeitgebers nach Nr. 1 und 2 verkörpern ein erhöhtes Unrecht und eine typische Gefahrerhöhung im Hinblick auf die eintretende Beitragsvorenthaltung“).

Hierbei ist zwischen den das Unrecht des Tatbestands prägenden Tathandlungen des § 266a Abs. 2 StGB und dem Vorenthalten als deren Folge keine strikte äquivalente Kausalität in dem Sinne erforderlich, dass der Arbeitgeber ohne die Tathandlung – also bei ordnungsgemäßen Angaben – die Beiträge gezahlt haben müsste. Der Zusammenhang ist vielmehr wie im Fall des gleichlautenden § 370 Abs. 1 AO funktional zu verstehen (vgl. Wiedner aaO), was auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Verletzung von Erklärungspflichten in Anlehnung an § 370 AO unter Strafe zu stellen (BT-Drucks. 15/2573 S. 28).

Aus diesem Grund muss die Beitragsentrichtung nur bezüglich der Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar gewesen sein:

Die bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 266a Abs. 1 StGB als echtem Unterlassensdelikt geltenden allgemeinen Grundsätze, wonach dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320), können daher hinsichtlich der Tatbestandsalternative des § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB von vornherein keine Anwendung finden. Lediglich bei dem echten Unterlassungsdelikt des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB sind sie zu beachten. Möglich und zumutbar muss dann allerdings nur die Erfüllung der Handlungspflichten sein, deren Verletzung im Tatbestand vorausgesetzt wird. Das sind die sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten, namentlich die nach § 28a SGB IV. Demgegenüber gelten sie nicht im Hinblick auf die Folge des Unterlassens, d.h. dem Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge.

Demgemäß kann sich der Angeklagte nicht auf die Unmöglichkeit bei § 266a Abs. 2 StGB berufen. Die Revision hatte somit keinen Erfolg.

BGH, Beschluss vom 11. August 2011, 1 StR 295/11

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