BGH: Die Eigennützigkeit bei der Steuerhinterziehung

Zur Schadensfeststellung und Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO.

Der Angeklagte war als Finanzvorstand für eine AG tätig, an der er auch rund 10% der Aktien hielt. Diese AG produzierte im Ausland Filme und ließ diese durch Fonds finanzieren. Dabei stellte die AG ungerechtfertigter Weise Rechnungen über die Produktionskosten mit ausgewiesenen Umsatzsteuern aus. Die AG gab keine Umsatzsteuererklärung und auch keine Voranmeldung für das Jahr 2000 ab. Trotzdem machten die Fondgesellschaften beim Finanzamt fast 16 Millionen DM Vorsteuern geltend. Die vom Finanzamt ausgezahlten 8 Millionen Euro wurden anschließend zum Teil wieder an die AG überwiesen.

Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zu drei Jahren und zehn Monaten. Nach Meinung der Strafkammer durfte für die ausländischen Produktionen keine Umsatzsteuern ausgewiesen werden. Dabei verneinte das Landgericht aber den groben Eigennutz und damit ein damals noch geltendes strafschärfendes Regelbeispiel. Dagegen richtete die Staatsanwaltschaft die Revision.

Grundsätzlich sieht der Bundesgerichtshof (BGH) für den Eigennutz keinen Unterschied, ob die Gelder direkt an den Angeklagten flossen oder an ein Unternehmen, an dem er nicht völlig unerheblich als Aktionär beteiligt ist. Auch die Ausführung des Landgerichts, dass nicht festgestellt werden kann, ob mit den gezahlten Summen der Fonds an die AG nicht vielleicht offene Forderungen beglichen wurden, mag der BGH so nicht gelten lassen:

Da sie hierzu nichts hat feststellen können und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Variante genannt hat, stellt sich die Frage, wie sie überhaupt zu entsprechenden Überlegungen gekommen ist. Sollte dies auf Vermutungen oder der Einlassung des Angeklagten beruhen, ist zu bemerken, dass entsprechenden Äußerungen ohne konkrete tatsächliche Hinweise nicht gefolgt werden muss, allein weil eine Behauptung nicht widerlegt werden kann.

Somit reichen reine Spekulationen nicht aus. Wenn es für diese Möglichkeit keine Anhaltspunkte gibt, dann ist davon auch nicht auszugehen. Ferner hätte trotzdem geschaut werden müssen, ob die Fonds ohne die Steuererstattung überhaupt zahlungsfähig gewesen wären:

Außerdem hätten, wenn auf bestehende Forderungen bezahlt worden sein sollte, Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob der entsprechende Fonds auch ohne die Steuererstattungsbeträge zur Zahlung in der Lage gewesen wäre.“

Auch kritisiert der BGH, dass das Landgericht sich nicht ausgiebig genug mit der Frage beschäftigt hätte, ob nicht ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegen könnte. Dies legte schon die hohe Summe der hinterzogenen Steuern nahe.

Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80 mwN). Bei sehr hohen Hinterziehungsbeträgen liegt deshalb ein besonders schwerer Fall jedenfalls nicht fern, auch wenn ein Regelbeispiel nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 370 AO nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2008 – 1 StR 323/08, Rn. 22, NStZ 2009, 159).

Weiter kritisiert der BGH, das Landgericht habe strafmildernd berücksichtigt, dass das Finanzamt die Rechnungen nicht hinreichend genug geprüft hätte. Dazu führt der BGH aus:

Das Finanzamt hat bei den Fonds geprüft und Rechnungen einer existenten und aktiven inländischen Aktiengesellschaft vorgefunden, die Umsatzsteuer ausweisen. Es ist nicht Sache der Finanzbehörde, die materielle Berechtigung einer Rechnungsstellung zu überprüfen. Das Steuerrecht und die Finanzverwaltung dürfen – und sind gehalten -, gerade bei Anmeldungssteuern, wie der Umsatzsteuer, zunächst von zutreffenden Angaben der Steuerpflichtigen auszugehen.

Aus diesem Grund hat die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

BGH, Urteil vom 21. August 2012, Az.: 1 StR 257/12

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