BGH: Für den Gehilfenvorsatz müssen keine Einzelheiten gekannt werden

Es reicht für die Beihilfe aus, dass der Teilnehmer die Unrechts- und Angriffsrichtung der Haupttat für möglich hält und diese billigt.

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Düsseldorf wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB verurteilt. Der bereits rechtskräftig wegen Betrugs verurteilte Haupttäter bezog von einem Telefonnetzanbieter Telefonnetzkapazitäten in einem geringen Umfang. Durch die Hilfe eines eingeweihten Mitarbeiters des Telefonnetzanbieters erlangte er jedoch höhere Kapazitäten und verkaufte diese über eine weitere Scheinfirma an andere Telekommunikationsanbieter weiter. Das Geld behielt der Haupttäter vollständig für sich.

Um die Verbindung der einzelnen Unternehmen noch stärker zu verschleiern, gründete auch der Angeklagte eine Firma, die als Zwischenkäufer auftrat. Der Angeklagte soll mit 2,3 Prozent am Gewinn beteiligt gewesen sein. Dabei waren dem Angeklagten aber weder Einzelheiten der Tat noch das genaue Vorgehen bekannt. Er wusste jedoch, dass er beim Verschleiern der Verkaufswege hilft und hielt es für möglich, dass die Telefonnetzkapazitäten durch strafbares Handeln erlangt wurden.

Das Landgericht würdigte das Handeln des Angeklagten als Begünstigung. Der § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB, nachdem ein Beteiligter der Vortat nicht wegen Begünstigung belangt werden kann, steht der Bestrafung auch nicht entgegen, denn der Angeklagte soll keinen hinreichend bestimmten Gehilfenvorsatz gehabt haben.

Dies sieht der BGH bei der rechtlichen Nachprüfung anders. Zum Gehilfenvorsatz führt der BGH aus:

In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen (BGH, Urteil vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 15 Rn. 9b jeweils mwN). Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 – 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7).

Für den Gehilfenvorsatz reicht es demnach aus, dass der Täter es für möglich hielt, dass die Telefonnetzkapazitäten durch strafbares Handeln erlangt wurden. Dabei ist es unschädlich, dass er nicht wusste, wie genau die Kapazitäten erlangt wurden.

Danach sind hier die Voraussetzungen für das Vorliegen des Gehilfenvorsatzes festgestellt. Der Angeklagte hielt es für wahrscheinlich, dass der Leistungserbringer (M. ) durch täuschende oder in sonstiger Weise strafbare Einflussnahme ohne Bezahlung des hierfür zu entrichtenden Entgelts zur Freigabe von Leitungskapazitäten veranlasst werden sollte. Er billigte dies und war sich auch bewusst, dass es mit Hilfe seines Beitrags zur Vollendung des Delikts der Haupttäter kommen wird. Dass der Angeklagte auch eine andere, ebenfalls strafbare Erlangung der Telefonkapazitäten für möglich hielt, steht einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug nicht entgegen; selbst eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat – etwa als Untreue – wäre unschädlich, sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 – 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; BGH, Urteil vom 12. November 1957 – 5 StR 505/57, BGHSt 11, 66, 67).

Darüber hinaus hat der BGH auch bedenken, ob hier überhaupt eine Begünstigungshandlung zum Sichern von Vorteilen vorliegt.

Soweit das Landgericht in Bezug auf die durch die Begünstigungshandlungen zu sichernden Vorteile auf die Weiterleitung der Telefonkapazitäten abstellt, diente diese dazu, den Haupttäter überhaupt erst in den Besitz der Vorteile zu bringen. Damit handelte der Angeklagte aber nicht in der von § 257 Abs. 1 StGB geforderten Absicht, dem Vortäter den bereits erlangten Vorteil vor dem Zugriff des Geschädigten oder des Staates zu sichern, da es hierzu erforderlich ist, dass der Vorteil im Augenblick der Hilfeleistung – bereits oder noch – beim Vortäter vorhanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 1993 – 3 StR 458/93, NStZ 1994, 187; NK-StGB-Altenhain, 3. Aufl., § 257 Rn. 17 mwN).

Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Der BGH ändert den Schuldspruch ab. Der Angeklagte hat sich nicht wegen Begünstigung, sondern wegen Beihilfe zum Betrug strafbar gemacht.

BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011, Az.: 3 StR 420/1

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