BGH: Für die Erheblichkeit von sexuellen Handlungen müssen die Gesamtumstände bewertet werden

Das Landgericht Landshut verurteilte einen Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tatmehrheit mit acht Fällen der (gemeinschaftlichen) Nötigung.

So soll der Angeklagte sich mehrfach vom Geschädigten im Genitalbereich berühren haben lassen. Der Geschädigte handelte dabei unfreiwillig, da ein weiterer Mitangeklagter ihm mehrfach Schläge auf Nacken und Hinterkopf zufügte, um ihn zur Handlung zu nötigen. Alle Beteiligten waren zur Tatzeit Insassen einer Justizvollzugsanstalt.

Insgesamt kam es zu neun solchen Vorfällen, wobei der Geschädigte jedoch lediglich in einem Fall das Geschlechtsteil des Angeklagten direkt berührt hatte. In acht Fällen wurde der Genitalbereich lediglich durch die Hose des Angeklagten angefasst.

Das Landgericht Landshut bejahte nur in einem Fall die sexuelle Handlung im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB. In den acht Fällen, in denen die Handlung durch die Kleidung geschah, hielt das Landgericht, aufgrund der kurzen und flüchtigen Berührungen, die Erheblichkeitsschwelle einer sexuellen Handlung für noch nicht erreicht.

Dies sieht der BGH indes anders:

In allen Fällen – auch solchen, in denen nicht eine am Opfer vorgenommene Handlung, sondern eine vom Opfer am Täter oder einem Dritten vorgenommene Handlung inmitten steht – kann aber nicht allein auf die Dauer und Stärke der sexualbezogenen Handlung abgestellt werden. Vielmehr bedarf es einer Gesamtbewertung der Umstände unter Berücksichtigung des Handlungsrahmens und der sonstigen Begleitumstände, in dem der unmittelbar sexualbezogene Akt begangen wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 StGB Erheblichkeit 4 mwN).

Konkret auf die erzwungene Maßnahme führt der BGH weiter aus:

Jedenfalls bei einer derart erzwungenen Vornahme einer sexualbezogenen Handlung an einem anderen entfällt die Erheblichkeit der Handlung im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB nicht schon deswegen, weil die Berührung nicht kräftig und nachhaltig war (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 – 4 StR 569/00, BGH NStZ 2001, 370; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 10 und Fn. 15 mwN).

Der BGH verwies die Sache zurück an eine neue Strafkammer des Landgerichts, zur neuen Verhandlung und Entscheidung. Im Rahmen des Verfahrens muss sich die neue Strafkammer nicht nur mit der Erheblichkeit der sexuellen Handlungen auseinander setzen, sondern zusätzlich prüfen, inwieweit die einzelnen Straftatbestände gemeinschaftlich begangen wurden.

BGH, Urteil vom 20.03.2012, Az.: 1 StR 447/11

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