KG Berlin, Beschluss vom 29.2.2012, Az.: (4) 121 Ss 30/12 (54/12)
Das Landgericht Berlin verurteilte einen Rechtsanwalt wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 150 Euro. Der Rechtsanwalt vertrat einen Mandanten in einem außergerichtlichen Vergleich. Als die Gegenseite die vereinbarte Vergleichssumme jedoch abredewidrig nicht zahlte, kündigte der Angeklagte an, den „Lebenssachverhalt“ im Internet publik zu machen.
Das Landgericht erkannte in dieser Ankündigung eine Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 StGB. Denn der Angeklagte drohte nicht mit einer wertfreien Veröffentlichung des Sachverhalts, sondern viel mehr damit, dass er die Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit der Gegenseite publizieren wird.
Die dagegen eingelegte und durch die Strafverteidigung begründete Revision war vor dem Kammergericht Berlin erfolgreich.
Das Kammergericht Berlin betont, dass es bei einer Drohung mit einem empfindlichen Übel nicht auf den reinen Wortlaut ankommt, sondern die Wörter eine Auslegung bedürfen, dabei kann auch das sonstige Verhalten der Personen berücksichtigt werden:
„Zu Recht hat die Strafkammer dabei unausgesprochen angenommen, dass eine Erklärung, der ein empfindliches Übel im Sinne des Nötigungstatbestandes nicht eindeutig zu entnehmen ist, der Auslegung bedarf (vgl. BGH StraFo 2003, 320; Senat, Beschluss vom 20. November 2007 – [4] 1 Ss 302/07 [247/07] -). Hierfür sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen und kann auch das sonstige Verhalten des Angeklagten von Belang sein.“
In der Ankündigung, dass man den Lebenssachverhalt im Internet veröffentlichten möchte, kann solch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel aber noch nicht gesehen werden.
„Die Ankündigung der Veröffentlichung des „Lebenssachverhalts“ im Internet stellt nach ihrem Wortlaut lediglich eine allgemein gehaltene, unspezifische Ankündigung von Schwierigkeiten oder Weiterungen dar, die regelmäßig nicht den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel erfüllt (vgl. BGH NJW 1976, 760).“
Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Da das Kammergericht Berlin nicht davon ausgeht, dass in einem neuen Hauptverfahren weitere Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch rechtfertigen würden, wurde der Angeklagte freigesprochen.