Pressemitteilung des BGH, Nr. 139/2011 vom 18.08.2011
Der BGH hob in der nachfolgenden Entscheidung die Verurteilung eines Jugendlichen wegen Totschlags der „Zweitfrau“ seines Vaters aus den folgenden Gründen auf.
Pressemittelung:
Verurteilung eines Jugendlichen wegen Tötung der „Zweitfrau“ seines Vaters aufgehoben
Das Landgericht Berlin hat einen zur Tatzeit 16 Jahre alten, aus einer libanesischen Großfamilie stammenden
Deutschen wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte beauftragt war, seine beiden Halbbrüder aus der Wohnung der Lebensgefährtin seines Vaters abzuholen. Nachdem sich die junge Frau geweigert hatte, die Kinder herauszugeben, tötete der Angeklagte sie mit einem am Tatort ergriffenen Kochmesser durch 13 Messerstiche in den Oberkörper und Rücken.
Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung des während des gesamten Verfahrens schweigenden Angeklagten wegen durchgreifender Mängel der Beweiswürdigung aufgehoben.
Diese betreffen insbesondere die Würdigung des Verhaltens des ebenfalls als Täter in Betracht kommenden Vaters des Angeklagten. Dieser verfügte über ein Tatmotiv, weil ihn seine Lebensgefährtin mit den Kindern verlassen wollte. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht den Angeklagten belastende Bekundungen des nach der Tat untergetauchten Vaters als Zeuge und Angaben zu seinem eigenen Alibi nicht als Aussage eines neutralen Zeugen würdigen dürfen.
Die neu berufene Jugendkammer wird sich auch näher mit dem sich aus der Beweislage aufdrängenden Alternativgeschehen, einer Rolle des Angeklagten als Gehilfe, Mittäter oder Auftragstäter zu befassen haben.
Beschluss vom 2. August 2011 – 5 StR 259/11
Landgericht Berlin – (539) 1 Kap Js 418/10 – Urteil vom 28. Januar 2011