BGH: Zum Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke

Das Landgericht Kiel hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und das asservierte Tatmesser eingezogen.

Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

Nach den Feststellungen des Landgerichts besuchte der Angeklagte seine Ehefrau in der neuen Wohnung. Er hatte die Vorstellung entwickelt, dass der neue Partner seiner Frau es auf die gemeinsame Tochter abgesehen hatte. Um dies zu verhindern, trug der Angeklagte bei dem Besuch ein Messer bei sich.

Kurzzeitig befanden sich der Angeklagte und der neue Partner der Frau alleine im Wohnzimmer. Sie sah, wie der Angeklagte auf den Mann einstach. Aufgrund der Verletzungen verstarb er am folgenden Morgen im Krankenhaus.

Das Landgericht hat hier das Tatbestandsmerkmal Heimtücke bejaht, da die beiden lediglich kurz alleine in dem Zimmer gewesen seien und das Opfer sich zudem kaum bewegt, sich also nicht gewehrt hatte.

Dazu der BGH:

Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür ist erforderlich, dass er die Umstände, welche die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteile vom 26. November 1986 und vom 30. Mai 1996 aaO; BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691 jeweils mwN). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteil vom 13. August 1997 – 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26 mwN); psychische Ausnahmezustände können auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB der Annahme des Bewusstseins des Ausnutzens entgegenstehen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2007  – 5 StR 508/06, NStZ 2007, 330).

Der BGH betont hier das Erfordernis der „subjektiven Seite“ des Mordmerkmals Heimtücke. So muss sich der Täter bei Begehung der Tat der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst sein und diese ausnutzen.

Das Landgericht hat hier allerdings angenommen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem Zustand affektiver Erregung befand. Dieser Zustand schließt zwar nach Auffassung der BGH das sogenannte Ausnutzungsbewusstsein nicht grundsätzlich aus, allerdings müssten dann gegenläufige Beweiszeichen vorliegen, die trotz Erregung ein Bewusstsein darlegen. Dies sei dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen, sodass der BGH das Urteil des Landgerichts aufgehoben hat.

BGH, Beschluss vom 04.05.2011, Az.: 5 StR 65/11

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