Das Landgericht Hamburg hat die Angeklagten E. und A. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Der Angeklagte Z. wurde wegen sexuelle Nötigung und unter Einbeziehung anderweitig verhängter Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gegen das Urteil legten die Angeklagten Revisionen ein.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte dem Mitangeklagten E. gestattet, zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit der 18-jährigen Nebenklägerin seine Wohnung zu nutzen und dass die drei Angeklagten in unterschiedlicher Beteiligung die junge Frau sexuell nötigten. Dabei erstreckten sich die Handlungen vom Kneten der nackten Brüste und Festhalten der Nebenklägerin auf dem Bett bis hin zum vaginaler Verkehr.
Bezüglich der Revision des Angeklagten A. wurde das Urteil gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben, da der BGH das Geständnis des Angeklagten als nicht kritisch genug gewürdigt ansieht. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Angeklagten E. und Z. rügten eine Verletzung des § 338 Nr. 6 StPO. Dazu schloss ich das Gericht dem Antrag des Generalbundesanwalt an:
Die Nebenklägerin wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls am 18. Juni 2010 im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter als Zeugin entlassen (PB S. 17). Damit ist ihre Vernehmung abgeschlossen gewesen und ihre nochmalige Vernehmung am 30. Juni 2010 in nichtöffentlicher Sitzung hat einen neuen Gerichtsbeschluss gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG erfordert. Ein solcher ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor der Vernehmung der Zeugin am 30. Juni 2010 nicht ergangen und nicht verkündet worden. In der Sitzungsniederschrift ist insoweit jeweils vermerkt: ‚Die Öffentlichkeit wurde gemäß Beschluss der Kammer vom 11.06.2010, Anlage 3 zum Protokoll, für die Dauer der Vernehmung der Zeugin K. ausgeschlossen‘ (PB Bl. 20, 21). Das Protokoll ist im Hinblick auf die sonstige Protokollierung von Beschlüssen in diesem Punkt auch weder lückenhaft noch widersprüchlich (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2009, 213, 214). Im Übrigen ist die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsgegenerklärung vom 25. Mai 2011 dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten, sondern hat ausgeführt, dass die Verfahrenstatsachen insoweit zutreffend wiedergegeben seien. Durch das Protokoll ist daher bewiesen (§ 274 Satz 1 StPO), dass vor der Vernehmung der Zeugin am 30. Juni 2010 der infolge ihrer zuvor angeordneten Entlassung zwingend vorgeschriebene Beschluss des Gerichts nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG nicht ergangen, jedenfalls aber nicht verkündet worden ist.
Die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit sind zwar nach § 171b Abs. 3 GVG insoweit unanfechtbar und deshalb der Revision entzogen (§ 336 Satz 2 StPO), als es sich um die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG aufgeführten Voraussetzungen für den Ausschluss handelt. Doch kann in einem solchen Fall die Revision – wie hier – darauf gestützt werden, die Ausschließung der Öffentlichkeit sei nicht durch einen den Anforderungen des § 174 Abs. 1 GVG entsprechenden Beschluss gedeckt (vgl. BGH StV 1990, 10; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 171b GVG Rdnr. 12).
Es liegt auch nicht die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (vgl. BGH StV 2008, 126, 127; NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, sodass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt (BGH NStZ 1992, 447). So lag der Fall hier aufgrund des zeitlichen Abstands und der weiteren Beweisaufnahme zwischen den Vernehmungen ersichtlich nicht (die zu § 171b StGB ergangenen Entscheidungen – vgl. BGH StV 1990, 9 und 10 – betrafen jeweils anders gelagerte Sachverhalte).
Demnach hätte für den Ausschluss der Öffentlichkeit vor der erneuten Vernehmung der Nebenklägerin ein Gerichtsbeschluss ergehen müssen. Der bereits zuvor ergangene Beschluss ist nicht ausreichend, da zwischen den Vernehmungen eine Unterbrechung des Ausschlusses vorliegt. Nur wenn die Vernehmung nicht durch andere Prozessakte unterbrochen wird – wenn zum Beispiel die Vernehmung direkt am nächsten Verhandlungstag fortgesetzt wird – ist ein Beschluss ausreichend.
Daher wurde das Urteil des Landgerichts Hamburg gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit diese Angeklagten verurteilt worden sind.
BGH, Beschluss vom 17.08.2011, Az.: 5 StR 263/11