Ein rechtswidrig aufgenommener Kredit ist bei einer marktüblichen Verzinsung grundsätzlich kein Vermögensnachteil.
Die Angeklagten wurden vom Landgericht München II zu Freiheitsstrafen wegen Untreue verurteilt. Die beiden Angeklagten, ein Bürgermeister und ein Kämmerer einer bayrischen Gemeinde, sollen einen ausgeglichenen Haushalt vorgetäuscht haben, in dem sie aufgenommene Kassenkredite auf kommende Jahre gebucht und dadurch die Verschuldung verschleiert haben. Um die laufenden Kredite weiter zu verdecken, sollen die Angeklagten immer weitere Kredite, weit über den vom Gemeinderat gewährten Rahmen, aufgenommen haben. Das Landgericht sah darin eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verletzt. Als Schaden sahen die Richter nicht die aufgenommenen Darlehenssummen an, denn diese sind vollständig in die Gemeinde geflossen, sondern die zusätzlichen Zinszahlungen.
In der Revision argumentierte die Strafverteidigung, dass möglicherweise gar kein Vermögensnachteil der Gemeinde gegeben sei. Vielmehr bedürfe es der Abwägung, ob die Kreditaufnahme wirtschaftlich und haushaltspolitisch sinnvoll gewesen sei. Denn ein Vermögenswert bestehe auch in der zeitweiligen Überlassung einer Darlehnssumme. Ein Schaden würde erst dann entstehen, wenn der Zins nicht marktüblich wäre.
Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision. So sieht der Senat, ähnlich wie das Landgericht, einen Schaden in den Zinszahlungen, dabei kommt es auch nicht darauf an, ob das angestrebte oder erhoffte wirtschaftliche Gesamtergebnis am Ende des Haushaltjahres dadurch erreicht wurde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte nun diesen Sachverhalt in Form der Verfassungsbeschwerde zu entscheiden. Dabei rügten die Beschwerdeführer, dass das Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu weit ausgelegt wurde und damit gegen das Willkürverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen wurde. Das BVerfG erkennt in der Argumentation des BGH eine Vermischung der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils.
„Im Falle des Nachteilsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB muss die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, das Merkmal selbständig neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen.“
Das BVerfG stellt fest, dass bereits in der Bereitstellung der Kreditsumme ein Vermögenswert gesehen werden muss, der der Zinszahlung gegenüber steht. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die Kreditaufnahme in der konkreten Lage wirtschaftlich wertlos war, dies ist hier jedoch nicht zu erkennen.
Damit hat die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer insoweit Erfolg. Die Sache wird an das Landgericht München II zurückverweisen.
BVerfG, Beschluss vom 1. November 2012, Az.: 2 BvR 1235/11