Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 411/08

Die Angeklagten wurden wegen vollendeten vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b StGB verurteilt. In der Urteilsbegründung heißt es, dass sich Beide auf der Flucht nach einem Banküberfall, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, mit einem Zeugen eine Verfolgungsjagd leisteten und einer der beiden Angeklagten auf das Auto des Zeugen mehrmals mit einer Pistole während der Fahrt bei einer Geschwindigkeit von rund 80 bis 90km/h schoss. Zwei der drei abgeschossenen Kugeln trafen sodann das Auto, das dadurch jedoch nicht in der Fahrtüchtigkeit eingeschränkt wurde. Zudem gab der Fahrer als Zeuge später an, dass er sich nicht in seiner „Fahrsicherheit beeinträchtigt“ fühlte und auch nach den getroffenen Schüssen die Verfolgung weiter fortsetzte.

Aufgrund der drei Schüsse bei einer überhöhten Geschwindigkeit nahmen die Richter des Landgerichts Halle einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach §315b Abs. 1 Nr. 3 StGB als vollendet an.

Die eingelegt Revision zum BGH hatte Erfolg: Schließlich liegt nach Ansicht des BGH keine Vollendung des §315b Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Denn nach §315b StGB muss die Sicherheit des Straßenverkehrs durch die Tathandlung beeinträchtigt und hierdurch eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert eingetreten sein. Maßgeblich ist hierbei eine abstrakte Gefahr, die sich zu einer konkreten Gefahr für die genannten Schutzobjekte verdichtet haben muss:

„Regelmäßig werden hierbei der Eingriff und die Begründung der abstrakten Gefahr zeitlich dem Eintritt der konkreten Gefahr vorausgehen, etwa, wenn der Eingriff zu einer kritischen Verkehrssituation führt, durch die sodann eines der Schutzgüter konkret gefährdet wird (sog. „Beinahe-Unfall“). Nach der Senatsrechtsprechung ist dies jedoch nicht zwingend (grundlegend BGHSt 48, 119, 122 ff.). Danach kann der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB in sämtlichen Handlungsalternativen auch dann erfüllt sein, wenn – wie hier – die Tathandlung (Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Beschädigung des Kraftfahrzeugs) führt.“

Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt, da nicht jede Sachbeschädigung oder auch Körperverletzung im Straßenverkehr den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfüllt. Insofern sei der Schutzzweck des § 315b StGB restriktiv, also eng auszulegen:

„Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Verurteilung wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht bestehen bleiben. Eine konkrete Gefahr im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ (vgl. hierzu BGH NJW 1995, 3131 f.) hat das Landgericht zu Recht nicht angenommen, da weder das Fahrverhalten noch die Fahrsicherheit des Zeugen W. durch die Schüsse in irgendeiner Weise beeinträchtigt worden sind. Aber auch die Beschädigung des Kraftfahrzeuges durch die einschlagenden Projektile rechtfertigt hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Annahme einer vollendeten Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn dieser Sachschaden steht in keinem relevanten Zusammenhang mit der Eigendynamik der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt, sondern ist ausschließlich auf die durch die Pistolenschüsse freigesetzte Dynamik der auftreffenden Projektile zurückzuführen. Er ist somit keine spezifische Folge des Eingriffs in die Sicherheit des Straßenverkehrs und muss daher bei der Bestimmung eines „bedeutenden“ Sachschadens bzw. einer entsprechenden Gefährdung außer Betracht bleiben (vgl. BGHSt aaO S. 125).“

Die beiden Angeklagten nahmen jedoch billigend in Kauf, „dass es durch die Schüsse zu einer kritischen Verkehrssituation und damit zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben“ des Zeugen und/oder dessen PKW kommen könnte. Aus diesem Grund haben sich nach Feststellung des BGH die Angeklagten lediglich eines versuchten anstatt eines vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht. Die Schuldsprüche werden daher vom Senat abgeändert.


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