Prozessverschleppung und Verfahrensgrundsätze

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Bielefeld wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Diese hatte bezüglich der Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung Erfolg, so dass das Urteil wegen dieser Tat aufgehoben wurde und damit auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die Sache wurde zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Grund für die Entscheidung war, dass das Landgericht am letzten Tag der Hauptverhandlung den Beweisantrag der Verteidigung abgelehnt hatte. Danach sollte die Lebensgefährtin des Angeklagten vernommen werden, um ihn bezüglich der besonders schweren Vergewaltigung zu entlasten. Begründet hat das Gericht die Ablehnung des Beweisantrags damit, dass er lediglich zur Prozessverschleppung gestellt worden sei, § 244 III StPO. Allerdings fanden sich diesbezüglich keine weiteren Ausführungen.

Dazu der 4. Strafsenat des Budesgerichtshofs:

„Die Ablehnung des Beweisantrags durch die Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafprozessordnung gestaltet das Strafverfahren als einen vom Prinzip der materiellen Wahrheitserforschung beherrschten Amtsprozess aus, in dem das Gericht von Amts wegen zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet ist. Dem Gebot der Sachaufklärung kommt dabei auch gegenüber dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung und der Verhinderung bzw. Abwehr eines missbräuchlichen Verhaltens, wie der Stellung eines Beweisantrags zum Zwecke der Prozessverschleppung, grundsätzlich der Vorrang zu.“

Folglich muss sich aus dem Ablehnungsbeschluss ergeben, warum der Beweis den Angeklagten nicht entlasten können soll, vgl. § 244 III StPO. Dafür müssen die wesentlichen Gesichtspunkte im Kern dargelegt werden. Nur so wird sichergestellt, dass das Revisionsgericht diese Entscheidung überhaupt überprüfen kann. Diese Erfordernisse hat das Landgericht nicht eingehalten, so dass die Revision insoweit Erfolg hatte und das Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen war.

BGH, Beschluss vom 28.10.2001, – Az.: 4 StR 359/10

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