Das Bundesverfassungsgericht hatte zu entscheiden, ob die Sicherstellung und Beschlagnahmung von E-Mails auf dem Mailserver des Providers verfassungswidrig oder der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG durch die strafprozessualen Vorschriften der §§ 94ff StPO gerechtfertigt sei.
Da bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers im Wege eines Ermittlungsverfahrens gegen Dritte die E-Mails aufgrund einer bestimmten Einstellung seines E-Mail Programms nicht abgerufen werden durften/konnten, ordnete das Amtsgericht daraufhin die Beschlagnahmung der Daten seines E-Mail Accounts bei seinem Provider an. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde.
Der BverfG stellte fest, dass die Sicherstellung und Beschlagnahmung von auf dem Server des Providers gespeicherten Daten einen Eingriff in „den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses“ darstellt. Dieser war jedoch dadurch verhältnismäßig und somit gerechtfertigt, dass die wirksame Strafverfolgung bzw. die Verbrechensbekämpfung und somit das „öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren“ einen legitimes Zweck der Vorschriften nach §94ff StPO verfolgen:
Im Bereich der Strafverfolgung sind daher bei heimlichen Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis sowie etwa bei Zugriffen auf umfassende Datenbestände, die verdachtlos vorgehalten werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 11. März 2008 – 1 BvR 256/08 -, NVwZ 2008, S. 543 <544 ff.>) und auf die die Betroffenen nicht einwirken können, besonders hohe Anforderungen an die Bedeutung der zu verfolgenden Straftat und den für den Zugriff erforderlichen Grad des Tatverdachts zu stellen (vgl.BVerfGE 100, 313 <394>; 107, 299 <318 ff.> ). Geht es hingegen um eine aus einer Durchsuchung folgende, offene und durch den Ermittlungszweck begrenzte Maßnahme außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs – wie die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails, die auf dem Mailserver des Providers gespeichert sind – verlangt das Übermaßverbot angesichts des Gewichts des staatlichen Strafverfolgungsinteresses nicht, die Sicherstellung und Beschlagnahme von auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails nur bei der Verfolgung einer besonders schweren Straftat (wie § 100c StPO), einer schweren Straftat (wie § 100a StPO) oder einer Straftat von erheblicher Bedeutung (wie § 100g StPO) zuzulassen. Greifen Strafverfolgungsbehörden – wie bei Sicherstellungen und Beschlagnahmen – mit Kenntnis des Betroffenen, außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs auf Kommunikationsinhalte zu, kann der auch sonst im strafprozessualen Ermittlungsverfahren erforderliche Anfangsverdacht einer Straftat genügen.
Problematisch ist hiernach, dass bereits bei einem Anfangsverdacht einer Straftat in besonderen Fällen ein solcher Eingriff auf die Kommunikationsinhalte des Betroffenen gerechtfertigt sein kann. Dies könnte auch in Zukunft für reichlich Brisanz sorgen, insbesondere im Kontext der Grundrechte des Betroffenen wie beispielsweise dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das vollständige Urteil befindet sich auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts unter:
BVerfG, 2 BvR 902/06 vom 16.6.2009