Bereits nach vier Verhandlungstagen folgte das Urteil im Fall Hoeneß. Der Präsident des FC Bayern wurde wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Hoeneß räumte zum Prozessauftakt sein Fehlverhalten ein und gestand im Laufe des Prozesses weitere bis dato unbekannte Steuerschulden. Insgesamt war die hinterzogene Summe jedoch so hoch, dass selbst diese strafmildernde Umstände, wie das Geständnis und die Selbstanzeige, eine Freiheitsstrafe nicht mehr verhindern konnten.
Heute Vormittag wurden die Plädoyers gehalten: Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten gefordert, die Strafverteidiger von Hoeneß eine Einstellung des Verfahrens aufgrund der Selbstanzeige.
Der Vorwurf im Fall Uli Hoeneß
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Bayern-Präsidenten Steuerhinterziehung in sieben Fällen aus den Jahren 2003 bis 2009 vor. Er soll mit Geldern auf einem Schweizer Bankkonto an der Börse spekuliert und die Gewinne beim Finanzamt nicht angegeben haben. Insgesamt sollen so dem Fiskus rund 3,5 Millionen Euro Steuereinnahmen entgangen sein.
Bereits am ersten Verhandlungstag überraschte Hoeneß mit seinem Geständnis. Er habe nicht lediglich 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen, sondern er soll nach eigenen Schätzungen 18,5 Millionen Euro unrechtmäßig dem Staat vorenthalten haben. Im späteren Prozessverlauf stieg die Summe nach weiterer Auswertung durch die Finanzbehörden um weitere Millionen auf 27,2 Millionen Euro an Steuerschaden, die die Strafverteidigung und Hoeneß am Mittwoch anerkannt haben.
Damit rückte bereits am ersten Verhandlungstag eine Bewährungsstrafe in weite Ferne. Hätte man bei den 3,5 Millionen Euro noch die Lebensleistung von Hoeneß positiv hervorheben können, überwiegen diese bei den zweistelligen Millionensummen den Tatvorwurf nicht mehr.
BGH zur „Lebensleistung“ bei Steuerhinterziehung
Der Bundesgerichtshof geht üblicherweise davon aus, dass bei einer Steuerhinterziehung von mehr als einer Million Euro die Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Treten jedoch besonders gewichtige Milderungsgründe hinzu, kann im Einzelfall trotzdem noch eine Freiheitsstrafe von maximal 2 Jahren angemessen sein und zur Bewährung ausgesetzt werden.
Dabei kommt vor allem der Lebensleistung eine entscheidende Bedeutung zu. Hat jemand nämlich zuvor über einem längeren Zeitraum zum größten Teil seine Steuern gezahlt, kann dies, trotz Überschreitung der Millionengrenze, zu einer Aussetzung zur Bewährung führen. Dabei kommt es insbesondere auf das Verhältnis der gezahlten zu den hinterzogenen Steuern an. Da es am Ende bei Hoeneß jedoch um einen zweistelligen Millionenbetrag ging, war dies keine gangbare Verteidigungsstrategie mehr.
Strafverteidigung von bekannten Persönlichkeiten beim Vorwurf der Steuerhinterziehung
Der Fall Uli Hoeneß zeigt wie schnell eine Steuerstraftat die bürgerliche Existenz vernichten kann und hohe Strafen und sogar eine Gefängnisstrafe drohen.
Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist ein schwieriges Unterfangen und sollte nur in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt mit Erfahrungen im Wirtschaftsstrafrecht erstellt werden. Selbst wenn sie nämlich nicht strafbefreiend wirkt und eine Strafe entfallen lässt, ist die Selbstanzeige doch ein erheblicher Strafmilderungsgrund. Dazu muss aber bereits in der Selbstanzeige tatsächlich „reiner Tisch“ gemacht werden und die Selbstanzeige muss den in den letzten Jahren immer weiter verschärften Anforderungen genügen.
Dieser Fall zeigte auch ein Problem, welches bei der Strafverteidigung von bekannten Personen leider immer wieder auftritt: Die Finanzbehörden haben Selbstanzeigen aufgrund des Steuergeheimnisses geheim zuhalten. Betrifft es bekannte Persönlichkeiten, kommt es jedoch teilweise zu „Durchstechereien“. Die Staatsanwaltschaft München I hat im Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Hoeneß das Finanzamt in Miesbach und das Rechenzentrum des Landesamtes für Steuern in Nürnberg durchsuchen lassen, um die Person zu ermitteln, die gegen das Steuergeheimnis verstoßen hat. Bisher ohne Erfolg.
Welche Hürden hatte die Verteidigung im Fall Hoeneß zu überwinden und an welcher Hürde scheiterte die Strafaussetzung zur Bewährung?
Die Selbstanzeige von Hoeneß war offenbar schnell und mit „heißer Nadel“ wahrscheinlich ohne Mitwirkung eines Fachanwalts für Steuerrecht oder auf Steuerstrafrecht spezialisierten Strafverteidiger „gestrickt“. Dabei hätte Hoeneß unzweifelhaft die finanziellen Mittel besessen, um beispielsweise eine spezialisierte Großkanzlei mit der Auswertung und Vorbereitung der Unterlagen zu beauftragen.
Als Hoeneß diesen Fehler erkannte, war dieser bereits irreparabel. Die von ihm später für die Verteidigung hinzugezogenen Steuerstrafrechtsexperten sowie die Mitverteidiger hatten zu keinem Zeitpunkt eine Möglichkeit, die Wirksamkeit wieder herzustellen. Dementsprechend war es die richtige Entscheidung, zwar auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu verweisen, jedoch gleichzeitig eine Strafmaßverteidigung aktiv zu führen.
Dass auch diese Strategie auf Schwierigkeiten stieß, war dem Umstand geschuldet, dass es zu einer Verzögerung der Übermittlung von Unterlagen durch die Banken kam – bei Schweizer Banken leider nicht unbedingt ein ungewöhnlicher Vorgang. Der Umfang der Dokumente machte möglicherweise eine zeitnahe, lückenlose Aufarbeitung nahezu unmöglich. Dennoch bemühte sich die Verteidigung von Hoeneß anscheinend um die bestmögliche Mitwirkung durch Aufbereitung und Weiterleitung der Unterlagen an die Staatsanwaltschaft. Auch war – so zumindest die Verteidigung – der Umfang des Steuerschadens im zweistelligen Millionenbereich schon durch die Selbstanzeige bekannt. Die Erhöhung der Summe konnte also allenfalls die Öffentlichkeit überraschen.
Im Nachhinein stellt sich allerdings die Frage, ob es besser gewesen wäre, auch gegenüber der Öffentlichkeit schon vor dem Geständnis am ersten Hauptverhandlungstag auf die Summe hinzuweisen. Indes hätte es wahrscheinlich kaum einen Unterschied gemacht: Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt, um die Hinterziehung von mehr als 27,5 Mio Euro zu gestehen. So konnte Uli Hoeneß sein Amt zumindest noch bis heute ausüben und die Fans standen zu einem großen Teil hinter ihm (Uli, Uli Rufe).
Fazit: War die Selbstanzeige richtig?
Eine schlecht vorbereitete Selbstanzeige kann im Hinblick auf das Steuerstrafrecht schlechter sein, als gar keine Selbstanzeige einzureichen. Dies ist dann der Fall, wenn ohne die Selbstanzeige die Steuerhinterziehung gar nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt worden wäre. Zu einem Zeitpunkt, zu dem man die Selbstanzeige ordnungsgemäß aufbereitet und mit einem ausreichenden Sicherheitspolster bzgl. des Steuerschadens beim Finanzamt einreichen kann. Eile ist gerade bei komplexeren steuerlichen Sachverhalten eine schlechte Voraussetzung für eine Selbstanzeige, besonders wenn diese nicht von qualifizierten Steuerstrafrechtsanwälten oder Steuerberatern vorbereitet wird.
Natürlich wirkt sich eine „gescheiterte“ Selbstanzeige wie ein Geständnis positiv aus. Es ist aber auch nicht immer gut, ein Geständnis möglichst früh abzugeben, da man sich dadurch gewisser „Verhandlungsmasse“ im Strafprozess beraubt. Im Steuerstrafrecht spielt dieser Aspekt aufgrund der harten Fakten und Zahlen allerdings eine nicht so große Rolle wie beispielsweise in Betrugsverfahren, bei denen oftmals „Aussage gegen Aussage“ Konstellationen vorliegen.
Glaubt man Hoeneß, so war die (frühe) Selbstanzeige für ihn schon deshalb die richtige Entscheidung, weil er mit dem schlechten Gewissen nicht länger leben wollte. Allerdings ist dann, wenn man ihm das glauben will, zu bezweifeln, dass er diese eingereicht hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie durch das Landgericht nicht nur als unwirksam angesehen und mit einer Gefängnisstrafe geahndet wird, sondern die Geheimhaltung aufgrund mutmaßlich strafbaren Verhaltens einer noch unbekannten Person nicht gewährleistet ist. Die schnell zusammengebastelte Selbstanzeige wäre allerdings dann die richtige Entscheidung, wenn tatsächlich die Entdeckung kurz bevor stand. Nach dem von der Verteidigung vorgebrachten Vermerk der Finanzbehörden soll dies aber gerade nicht der Fall gewesen sein, sondern das schlechte Gewissen ausschlaggebend.
Es war laut Medienberichten durch den Fall Hoeneß zunächst zu einem Anstieg der Selbstanzeigen gekommen. Dieser Trend wird meiner Einschätzung nach diesem Urteil nicht lange anhalten, dagegen die Qualität der Selbstanzeigen, die noch erstattet werden, aufgrund entsprechend qualifizierter Beratung durch Fachanwälte (hoffentlich) steigen.
Das Verfahren mit seinen Hochs und Tiefs, mit hoffen und bangen zeigt, unter welch ungeheurem Stress ein Angeklagter in einem solchen Verfahren steht. Man mag über Steuerhinterziehung denken was man will: Wenn ein Mensch aufgrund eines – zugegeben großen – Fehlers viel von dem verliert, was er sein Leben lang aufgebaut hat, dann regt das zum Nachdenken an. Nicht nur über die Frage, ob eine Selbstanzeige noch zeitgemäß ist, sondern auch über die Doppelmoral, die gerade in Deutschland eine häufige Erscheinung ist.
Rechtsmittel gegen das Urteil – Revision
Sowohl Staatsanwaltschaft als Hoeneß (selbst oder über seine Strafverteidiger) können gegen das im Steuerstrafverfahren gegen Uli Hoeneß gesprochene Urteil Revision einlegen. Es ist zu erwarten, dass zumindest Hoeneß von der Revision Gebrauch machen wird, um eine rechtliche Kontrolle der Frage zu erreichen, ob die Selbstanzeige nicht doch strafbefreiende Wirkung entfaltet hat oder zumindest um die Rechtskraft hinauszuzögern. Andererseits ist auch ein Szenario denkbar, nach dem in der Hoffnung auf positive Worte des Gerichts im schriftlichen Urteil zur Frage einer schnellen Überstellung in den offenen Vollzug und einer Strafrechtsaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung der Hälfte der Haft auf die Revision verzichtet wird.
Käme der für Steuerstrafrecht zuständige 1. Strafsenat des BGH in der Revision zu dem Ergebnis der Wirksamkeit der Selbstanzeige, dann würde das Verfahren eingestellt. Es ist möglich, dass sich der BGH – und sei es nur in einem obiter dictum – mit der Frage beschäftigen wird, wie mit der „gescheiterten“ Selbstanzeige im Rahmen der Strafzumessung umzugehen ist. Höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage fehlen, so dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs – wenn denn Revision eingelegt und nicht zurückgenommen wird – durchaus noch für einen neuen „Paukenschlag“ im Steuerstrafrecht sorgen kann. Angesichts der – nicht nur für die Verhältnisse am Landgericht München – eher geringen Strafe ist dies jedoch eher unwahrscheinlich.
Bis dahin wird Uli Hoeneß voraussichtlich auf freiem Fuß bleiben. Vielleicht doch ein „Prominentenbonus“ im sonst eher U-Haft affinen Freistaat Bayern. Böse Zungen behaupten, wenn es einen Angeklagten mit Migrationshinterund und ohne Fußballhintergrund getroffen hätte, wäre die Strafe anders ausgefallen. Aber wann ist der Bürger mit einem Urteil mal zufrieden.
Hoeneß kann es mit dem Urteil jedenfalls sein, sollte die Selbstanzeige tatsächlich nicht wirksam gewesen sein.