Zum subjektiven Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr

4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 556/09

Der Angeklagte ist wegen „vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, Nötigung und Bedrohung, im anderen Fall  in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt“ worden. Deren Vollstreckung hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt. Mit der hiergegen eingewandten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) kann der Angeklagte einen Teilerfolg erzielen.

Das Rechtsmittel führt zum Wegfall der Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Bezüglich des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr stellte das Landgericht fest, dass der Angeklagte emotional bewegt durch die Trennung seiner Ehefrau, die Angeklagte mit seinem Pkw verfolgte zum Haus ihrer Eltern. Als er sie dort erblickte, beschleunigte er das Fahrzeug binnen zwei Sekunden auf „einer Strecke von 20 m auf 45 bis 48 km/h“, um ihr so den Weg abzuschneiden und sie schlussendlich zur Rede zu stellen. Nach der kurzen Beschleunigung leitete der Angeklagte jedoch eine Vollbremsung ein „um – was zu seinen Gunsten unterstellt werden muss – seine Ehefrau nicht weiter zu gefährden“. Auch wollte er, wie es in der Urteilsbegründung heißt,  sie durch dieses Fahrmanöver nicht verletzen und vertraute darauf, dass sie rechtzeitig die Gefahr erkennen und auf das Grundstück fliehen würde. Sodann kam das Auto wenige Zentimeter vor dem Zaun des Grundstücks zum stehen.

Der vom Landgericht angenommene gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 v StGB setzt der subjektiven Tatbestand nach neuerer Rechtsprechung des Senats auch einen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz voraus.

Hierzu führt der Senat in dem Beschluss aus:

„Davon abgesehen, scheitert eine Verurteilung des Angeklagten nach § 315 b StGB unter den hier gegebenen Umständen bereits am subjektiven Tatbestand. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte nur mit Gefährdungsvorsatz gehandelt, der hier nicht genügt. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (BGHSt 48, 233) setzt die Strafbarkeit bei einem sog. verkehrsfeindlichen Inneneingriff, wie ihn das Landgericht hier festgestellt hat, voraus, dass zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzu kommt, dass es der Täter mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht; erst dann liege eine – über den Tatbestand des § 315 c hinausgehende und davon abzugrenzende – verkehrsatypische „Pervertierung“ des Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen „Eingriff“ in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB vor (ebenso Senat, Beschlüsse vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 275/03 -, DAR 2004, 230, und vom 1. September 2005 – 4 StR 292/05 -, DAR 2006, 30).  [..] Soweit in BGHSt 48, 233, 238 ausgeführt wird, das Nötigungselement allein mache ein Verkehrsverhalten noch nicht zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, wenn das eigene Fortkommen primäres Ziel einer gewollten Behinderung sei, ist diese Formulierung nicht im Sinne einer Einschränkung des oben ausgeführten Grundsatzes zu verstehen. Der Senat stellt vielmehr klar, dass ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten bei sog. Inneneingriffen im fließenden Verkehr grundsätzlich nur dann von § 315 b Abs. 1 StGB, erfasst wird, wenn der Fahrzeugführer nicht nur mit Gefährdungsvorsatz, sondern mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt. Eine Differenzierung der Fälle danach, ob der Täter seine Fahrt nach dem gefährlichen Eingriff fortsetzen will oder nicht, würde nicht nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten, sondern auch zu schwer nachvollziehbaren unterschiedlichen Ergebnissen bei gleichem Unrechtsgehalt der Tat führen.“

Dieses liegt nach Auffassung des Senats in diesem Fall nicht vor. Vielmehr kam es dem Angeklagten gerade nicht darauf an, mit dem Fahrzeug als Waffe jemanden zu schädigen, sondern vertraute dieser darauf, dass nichts passieren würde.

Aus diesem Grund ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab und hebt die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf. Da das Landgericht in der Strafzumessung einen milderen Strafrahmen des §223 Abs. 1 StGB angenommen hat, bleibt letztlich der Strafausspruch davon unberührt bestehen.

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