Az. 5 St RR 357/09 ( OLG München )
Die Angeklagte war vom 16.5.2002 bis zum 11.7.2004 als Servicekraft einer Bank tätig und bediente im Rahmen ihrer Tätigkeiten die Kunden bei der Abwicklung von Finanzdienstleistungen, wozu auch Verfügungen über Girokonten und Sparbücher zählten.
Als der ihr bekannte und zwischenzeitlich verstorbene Rentner J.T., der jährlich über sein Sparbuch verfügte und die anfallenden Zinsen von diesem auf ein weiteres Sparbuch bei der Bank übertragen lies, in der Bank am 4.2.2004 anwesend war, gab die Angeklagte gegenüber einer Mitarbeiterin vor, J.T. habe sein Sparbuch vergessen, wolle aber 10.000 Euro von diesem abheben und habe bereits einen Auszahlungsbeleg unterzeichnet. Um die Auszahlung zu veranlassen und vorzunehmen, musste eine weitere Mitarbeiterin die Legitimation des J.T. kontrollieren und bestätigen. Auf Grundlage des bestätigten Auszahlungsauftrages wurde von einem dritten und nicht bekannten, weiteren Angestellten der Bank die Auszahlungsbuchung vorgenommen und das Geld vom Sparbuch abgebucht. Wer diese Buchung vornahm und wer den Betrag der Kasse entnommen und entgegengenommen hat, ist laut Feststellung des Gerichts nicht aufklärbar. Nachdem J.T. knapp 1 Jahr später die Abbuchung von seinem Sparbuch bemerkte und dies reklamierte, wurde ihm der Betrag in Höhe von 10.000 Euro auf sein Sparbuch zurückerstattet.
Die Berufungskammer des LG München II sah hierin eine Beihilfe zur Untreue nach §§ 267 Abs. 1, 27 StGB. Begründet wurde dies damit, dass der Kunde und Rentner J.T. aufgrund der von ihm nicht beauftragten Abbuchung einen Schadensersatzanspruch in voller Höhe besaß; die Bank ihm demnach schadensersatzpflichtig in Höhe von 10.000 Euro geworden ist, was zudem einen Vermögensnachteil der Bank darstellt. Zudem sei nach Ansicht des Gerichts ein Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB zu Lasten der Bank denkbar.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Angeklagten ist nach Auffassung des OLG München begründet. Bereits die erhobene Sachrüge erweist sich demnach als begründet. Weiter führt einleitend das Gericht aus:
„Wegen Beihilfe zur Untreue nach § 266 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich einem anderen Hilfe dazu leistet, die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Beihilfe nach § 27 Abs. 1 StGB setzt mithin eine vorsätzlich begangene Haupttat voraus, zu der sie akzessorisch ist (Fischer, StGB 56. Aufl. § 27 Rdn. 3).“
Es war unter Zugrundelegung der Urteilsfeststellungen unklar, auf welche Tatbestandsvariante der Untreue sich das LG München II in ihrem Urteil stützt. In Betracht kam sowohl der Missbrauch als auch die Verletzung einer Treuepflicht. Beide Varianten erfordern jedoch eine besondere Vermögensbetreuungspflicht:
„Die Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB enthält zwei Tatbestandsvarianten, deren Verhältnis zueinander umstritten ist (Fischer a.a.O. § 266 Rdn. 6 ff.). Obwohl dem Urteil des Landgerichts München II nicht entnommen werden kann, welche der beiden Tatbestandsvarianten hier eingreifen sollen, muss der Meinungsstreit über das Verhältnis der Varianten nicht weiter vertieft werden. Denn beiden Varianten ist gemeinsam, dass ihre Verwirklichung nach Rechtsprechung und herrschender Meinung eine Vermögensbetreuungspflicht voraussetzt. Sie ergibt sich aus dem Innenverhältnis zwischen Betreutem und Befugnisinhaber und muss als wesentliche Pflicht charakterisiert werden können. Der pflichtgemäße Gebrauch der Befugnis muss daher gerade auch als Instrument der Vermögenssorge erscheinen. Die allgemeine Pflicht, auf die Interessen des Vermögensinhabers Bedacht zu nehmen oder sich dem Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft entsprechend gesetzes-, auftrags- oder vertragstreu zu verhalten, genügt dieser „Wesentlichkeit“ nicht (Fischer, a.a.O. § 266 Rdn. 18).“
Die Feststellung des vorangegangenen Urteils verkennt bereits den Betroffenen des Vermögensnachteils, da es davon ausgeht, die Bank hätte einen Vermögensnachteil durch die rechtswidrige Barabhebung des J.T. erlitten. Die rechtswidrige Barabhebung begründet eine Schadensersatzpflicht, dessen Realisierung nicht mehr unmittelbar vom Täter der Untreue gesetzt ist. Ein Gefährdungsnachteil für die Bank ist schon insofern zu verneinen.
Aber selbst in dem Fall, dass die Bank als Geschädigte der Untreue angesehen werden würde, hätte es nach Ansicht des OLG München einer Begründung der Vermögensbetreuungspflicht des nicht bekannten Mitarbeiters, der die Abbuchung vornahm, bedurft. Maßgeblich für die Beurteilung des Sachverhalts ist daher die Frage, ob zum Tatzeitpunkt (4.2.2004) eine Beziehung in Form der Vermögensbetreuungspflicht zwischen der Bank und dem Opfer bestand. Im Zentrum der Untreue steht die Vermögensbetreuungspflicht als eine wesentliche Pflicht, die die Bank (genauer: der jeweilige Angestellte) gegenüber dem Betroffenen, dem Rentner J.T., besitzen müsste. Der gewöhnliche Bankangestellte ist jedoch in der Regel nicht zu selbstständigen Entscheidungen mit Wirkung auf das Bankvermögen befugt, so dass eine solche ausscheidet:
„Eine Vermögensbetreuungspflicht der Bank (und damit ihrer Angestellten) kommt in Betracht, wenn die Bank die Vermögensverwaltung des Kunden übernommen hat und im Rahmen eingeräumter Entscheidungsspielräume selbständig und eigenverantwortlich über Einzeldispositionen entscheiden kann. Dazu reichen aber die Giro- oder Sparkontenverträge nicht aus (BGH NStZ 1984, 118/119; Dierlamm in MünchKomm-StGB § 266 Rdn. 70).“
Angesichts dieses Umstandes kann keine Vermögensbetreuungspflicht seitens der Bank bestehen und somit der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB nicht erfüllt sein.
Weiter hat das OLG München auch einen Fehler in der Urteilsfeststellung zum subjektiven Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB festgesetellt:
Die Beihilfe zur Untreue setzt eine vorsätzliche Haupttat voraus. Die Feststellungen des Gerichts ergeben hierzu jedoch wenige Anhaltspunkte. Vielmehr liegt ein Zusammenwirken von verschiedenen Personen vor, die ihrerseits jedenfalls nicht vorsätzlich bezogen auf eine Untreue gehandelt haben. Da nicht ersichtlich und nachweisbar ist, wer welchen Vorgang konkret vorgenommen und etwaige Sorgfaltspflichten verletzt hat und sogar davon auszugehen sein kann, dass der Bankangestellte, der letztlich die Auszahlung tätigte, guten Glaubens war, scheidet eine vorsätzliche Tat bezüglich der Untreue aus. Genaue Anhaltspunkte und Feststellungen diesbezüglich lässt das Urteil vermissen, wie auch der Senat des OLG München rügt.
Eine Verurteilung der Angeklagten ist angesichts dieser nicht hinreichend bestimmten Vermögensbetreuungspflicht sowie angesichts der Unzugänglichkeiten des objektiven und des subjektiven Tatbestands der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB nicht möglich. Das Urteil des LG München II wurde daher vom OLG München aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG München II zurückverwiesen.