Ablauf eines Strafverfahrens

Ablauf des Strafverfahrens aus Sicht des Beschuldigten

Vereinzelte Strafnormen und Delikte des Strafrechts sind vielen Menschen mehr oder weniger bekannt. Insbesondere wenn man zum ersten Mal als Betroffener oder als Verwandter eines Betroffenen mit einem Strafverfahren konfrontiert wird, ist man in der Regel gut beraten, sich mit dem konkreten Ablauf eines Strafverfahrens besser vertraut zu machen:

Was sollte man im Fall eines Ermittlungsverfahrens, eines Strafbefehls oder einer Anklage tun und wie kann der Rechtsanwalt als Strafverteidiger im Strafverfahren helfen? Wie sieht der konkrete Ablauf eines Strafverfahrens eigentlich aus?

Wir stellen Ihnen an dieser Stelle einen kurzen und groben Überblick über den Gang des Strafverfahrens vor und geben weitere Verhaltenstipps.

Liegt ein Anfangsverdacht für eine Straftat vor, ermittelt die Strafverfolgungsbehörde unter Hinzuziehung ihrer Hilfsbeamten (der Polizei) die konkrete Sachlage (§152 Abs. 2 StPO). Sie wird von Amts wegen oder aufgrund einer Strafanzeige tätig. Eine Strafanzeige kann von jedem Bürger erstattet werden. Sofern ein Strafantrag erforderlich ist, wie z.B. bei Delikten gegen die Ehre, muss ein solcher jedoch von dem Verletzten gestellt werden.

Im Ermittlungsverfahren wird zunächst der Sachverhalt ermittelt und Indizien bzw. Beweise gesammelt, Zeugen werden verhört und auch Tatbeteiligte zum Geschehen vernommen. Der Beschuldigte sollte in diesem Stadium nach Möglichkeit schweigen und keine Aussage ohne anwaltlichen Beistand machen, da seine Aussage im späteren Verfahren gegen ihn verwendet werden kann. Die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ ermittelt in der Theorie sowohl Fakten für als auch gegen den Beschuldigten. Die Praxis sieht im Strafverfahren häufig anders aus – oftmals agiert die Polizei „erfolgsorientiert“. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens kann es für erfolgsorientierte Polizisten sehr erstrebenswert sein, möglichst zeitnah einen Täter zu überführen und Ermittlungen zeitnah abzuschließen. Entlastende Umstände werden dabei tendenziell nicht ermittelt oder einseitig zulasten des (mutmaßlichen) Täters gewertet. In der Praxis agiert die Polizei oftmals selbstständig und alles andere als wertungsfrei. Nur bei umfangreichen Untersuchungen, die in die Grundrechte des Bürgers eingreifen (z.B. Durchsuchungen) oder eine schwerwiegende Tat betreffen, wirkt die Staatsanwaltschaft aktiv mit und lenkt das Verfahren.

Wichtig ist: Nehmen Sie jeden strafrechtlichen Vorwurf und das Strafverfahren ernst! Wenn ein Ermittlungsverfahren gegen Sie eingeleitet worden ist, dann ist bereits ein Anfangsverdacht bejaht worden, der schnell zu einem „hinreichenden Tatverdacht“ und damit zu einer Anklage führen kann.

Nach Beauftragung von Dr. Böttner Rechtsanwälte und Strafverteidiger werden wir zunächst Akteneinsicht beantragen, um das Informationsdefizit zwischen der Staatsanwaltschaft und Ihnen als Beschuldigten auszugleichen. Indem wir Akteneinsicht beantragen, erfahren wir nicht nur den konkreten Vorwurf gegen Sie, sondern erlangen auch Kenntnis von allen Beweismittel und Indizien, die gegen Sie vorliegen sollen. Im folgenden Artikel über die Akteneinsicht haben wir Ihnen die wichtigsten Informationen zur Akteneinsicht zusammengestellt.

Spätestens wenn nach Ansicht der Staatsanwaltschaft alle notwendigen Ermittlungen erledigt sind, wird dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt. Dies geschieht in der Regel durch eine Vorladung zu einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt im Strafverfahren sollten Sie einen guten Strafverteidiger beauftragen, damit dieser zunächst Akteneinsicht beantragt. Vor Sichtung der Akten ist es nicht ratsam, sich einer persönlichen Vernehmung auszusetzen. Sie treten bei einer Vernehmung geschulten Ermittlungsbeamten gegenüber, die Ihnen nicht immer wohlgesonnen sind. Sofern eine Einlassung bzw. Stellungnahme zu Ihrer Verteidigung sinnvoll erscheint, sollte diese nach Möglichkeit schriftlich durch Ihren Verteidiger erfolgen, nachdem dieser die Ermittlungsakten durchgearbeitet und die Verteidigungsstrategie mit Ihnen besprochen hat.

Kommt zu einem dringenden Tatverdacht ein Haftgrund wie Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr hinzu, dann beantragt die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren beim zuständigen Ermittlungsrichter einen Haftbefehl. Für einen Durchsuchungsbeschluss mit anschließender Hausdurchsuchung sind die Anforderungen erheblich geringer. Ein qualifizierter Strafverteidiger und Rechtsanwalt im Strafrecht berät Sie über die Wahrscheinlichkeit, mit der in Ihrem Fall mit solchen Zwangsmaßnahmen zu rechnen ist.

Wichtig ist auch hierbei, dass der Beschuldigte keine Aussage ohne Hinzuziehung eines Fachanwalts für Strafrecht macht und jeden Schritt mit dem Rechtsanwalt abspricht. In Fällen der Hausdurchsuchung oder angeordneten U-Haft sind weitere Punkte zu beachten, über die wir Sie im Rahmen der Rechtsberatung aufklären und Lösungsansätze aufzeigen.

In diesem Stadium befindet sich das Strafverfahren an einem entscheidenden Wendepunkt:

Liegen aus Sicht der Verteidigung keine ausreichenden Beweismittel vor, wird der Strafverteidiger mangels hinreichenden Tatverdachts die Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Gibt die Staatsanwaltschaft dem Antrag des Strafverteidigers statt, wird das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt – das beste Ergebnis für den Beschuldigten.

In Fällen, in denen es sich um einen Erstverstoß handelt und der Tatvorwurf sich im Bereich geringer Schuld bewegt, kann das Verfahren auch nach §153 Abs. 1 StPO eingestellt werden. In all diesen Fällen wird nicht weiter ermittelt und das Verfahren ohne Schuldspruch und Auflagen beendet.

Das Verfahren kann jedoch auch gegen Auflagen eingestellt werden. Dem Beschuldigten können beispielswiese die Zahlung einer Geldauflage oder andere Auflagen (z. B. Täter-Opfer-Ausgleich) auferlegt werden. Dann wird das Verfahren zunächst vorläufig und nach Erfüllung der Auflage endgültig eingestellt. Auch auf diesem Wege können wir in vielen Fällen nicht nur eine Anklage bzw. einen Strafbefehl und die Hauptverhandlung vermeiden, sondern auch einen Schuldspruch und die Verhängung einer Strafe.

Eine Einstellung im Strafverfahren gem. § 153a StPO ist in vielen Fällen ein erstrebenswertes Ziel und beinhaltet viele Vorteile. Zunächst stellt die Einstellung grundsätzlich einen endgültigen Abschluss des Verfahrens dar und das Verfahren kann nur wieder aufgenommen werden, sofern sich die Tat nicht nachträglich als Verbrechen herausstellt. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass sich der Beschuldigte trotz Erfüllung einer Auflage weiterhin als unschuldig bezeichnen kann. Die Einstellung wird weder im Bundeszentralregister, noch im polizeilichen Führungszeugnis eingetragen. Weitere Informationen zum Bundeszentralregister und Führungszeugnis finden Sie in unserem Artikel zum Führungszeugnis.

Des Weiteren kann die Staatsanwaltschaft nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens statt der Anklageerhebung direkt beim Gericht den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Hierfür darf es sich jedoch um keine schwerwiegende Tat handeln, also maximal eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf der Rechtsfolgenseite zu erwarten sein.

Der Strafbefehl ist in der Regel in einfachen Strafsachen zu finden. Er dient in erster Linie der Beschleunigung des Strafverfahrens. In diesen Fällen kann der Angeschuldigte innerhalb von 2 Wochen nach Erlass des Strafbefehls den Einspruch erheben, so dass das Strafverfahren vor Gericht im Rahmen einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden wird. Wird innerhalb der Frist kein Einspruch eingelegt, wird der Strafbefehl rechtskräftig und wirkt wie ein Strafurteil.

Wichtig: Ein rechtskräftiger Strafbefehl ist in rechtlicher Hinsicht wie ein rechtskräftiges Strafurteil zu bewerten und zwar mit allen seinen Konsequenzen (Vorstrafe, Vollstreckbarkeit etc).

Die häufigste im Rahmen von Strafbefehlen ausgesprochene Sanktion ist eine Geldstrafe:

Geldstrafe – Tagessätze

Das Strafsystem der Geldstrafe ist für Laien oft nicht einfach zu verstehen. So hat der Gesetzgeber zwei Faktoren bestimmt, die letztlich die Höhe der Geldstrafe individuell nach Schwere der Tat und persönlichen Lebensumständen des Angeklagten bemessen. Neben anderen Faktoren werden die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten bzw. Angeklagten in erster Linie nach dem Einkommen oder Bezügen bestimmt, die er netto pro Monat zur Verfügung hat.

  • Die Höhe der Tagessätze lässt sich aus dem monatlichen Nettoeinkommen des Angeklagten berechnen. Dieses wird dabei durch Dreißig geteilt.

Beispiel: Verdient der Angeklagte monatlich 3.000 Euro netto, ergibt sich daraus ein Tagessatz in Höhe von 100 Euro. Teilweise werden laufende Zahlungsverbindlichkeiten (wie z.B. Schuldentilgung) abgezogen. Feste verbindliche Regelungen, welche Verbindlichkeiten abzugsfähig sind und welche nicht, existieren nicht.

  • Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach dem Schuldmaß des Täters und wird durch das Gericht je nach vorliegender Situation (z.B. Ersttäter) verhängt.

Beispiel: Wird der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt, dann würde die Geldstrafe bei einem monatlichen Nettogehalt von 3.000 Euro insgesamt 12.000 (120 x 100) Euro zzgl. der Verfahrenskosten betragen.

Weitere Informationen zum Strafbefehl und dem Strafbefehlsverfahren haben wir Ihnen in unserem Artikel zum Strafbefehl zusammengefasst.

Erhebt die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren Anklage, so wird diese dem Gericht zugestellt. Mit Eingang der Anklageschrift beginnt das sog. Zwischenverfahren. Der einst Beschuldigte ist sodann „Angeschuldigter“, bis über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden worden ist.
Bevor es jedoch zur Hauptverhandlung kommt, wird dem Strafverteidiger (und dem Angeschuldigten) die Anklageschrift durch den Richter im Strafverfahren zugestellt. Jetzt kann der Strafverteidiger im Strafverfahren erneut eingreifen und durch Anträge die Eröffnung des Hauptverfahrens verhindern. Insbesondere wenn es um Rechtsfragen geht, kann der Strafverteidiger im Zwischenverfahren mit guten Argumenten erreichen, dass die Anklage nicht oder nicht im vollen Umfange eröffnet wird. Ebenfalls kann der Strafverteidiger mit Beweisanträgen auf den Akteninhalt einwirken und ggf. auch im Zwischenverfahren noch auf eine Einstellung des Verfahrens hinwirken.

Gleichzeitig sollte das Zwischenverfahren die Entwicklung einer Taktik – und natürlich der richtigen Verteidigung – werden, da nun der konkrete Anklagevorwurf und die Beweismittel bekannt sind, die die Staatsanwaltschaft zusammen mit den Akten eingereicht hat. Sowohl Akteneinsicht als auch die Benennung weiterer Zeugen oder Beweise erlauben dem Strafverteidiger auch in diesem Verfahrensstadium einen gewissen Handlungsspielraum.

Weitere Informationen zur Anklageschrift und dem Zwischenverfahren haben wir Ihnen in diesem Artikel zur Anklageschrift aufbereitet.

Wird das Hauptverfahren im Strafverfahren durch das Gericht eröffnet und die Anklage zugelassen, dann wird eine Hauptverhandlung anberaumt.

Die Hauptverhandlung im Strafverfahren kann selber über viele Tage oder bei komplexen Sachverhalten sogar über Wochen bzw. Monate andauern. Ablauf und Zeitumfang der Hauptverhandlung hängen von der Sache selbst ab und können durch die Arbeit der Staatsanwaltschaft und des Strafverteidigers erheblich beeinflusst werden.

Ablauf des Strafverfahrens

1. Hauptverhandlung

Fragen zur Person des Angeklagten, Verlesung der Anklage (Stellungnahme durch den Angeklagten).

2. Beweisaufnahme

Anhörung von Zeugen/Sachverständigen, Verlesung von Urkunden, Aufnahme der Beweismittel etc.
Anschließend: Plädoyer des Staatsanwalts (und Beantragung der Strafe).
Danach folgen das Plädoyer des Verteidigers und das „letzte Wort“ des Angeklagten.

3. Entscheidung des Gerichts

Das Gericht zieht sich daraufhin zur geheimen Beratung zurück und verkündet direkt im Anschluss das Urteil („Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil:“). Hierbei kann das Gericht von den Anträgen der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers abweichen oder einem entsprechen. Bis zur Verkündung eines Urteils ist auch im Rahmen der Hauptverhandlung noch eine Einstellung des Verfahrens möglich, wenn sich z.B. die Schuld des Angeklagten unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme nunmehr doch als nicht so schwerwiegend herausgestellt hat.

Tipp: Ihr Strafverteidiger wird Ihre Verteidigung während des Hauptverfahrens aktiv führen und alle vorhandenen Zeugen und Dokumente in den Prozess einführen, die zu Ihrer Entlastung beitragen. Er lotet während der Gerichtsverhandlung Ihre Chancen und Aussichten aus und berät Sie im Hinblick auf den jeweiligen Verfahrensstand, ob die Abgabe einer Einlassung sinnvoll erscheint. Ebenfalls wird er Sie hinsichtlich einer möglichen Urteilsabsprache im Strafverfahren beraten, falls die Verhandlung dazu Anlass bietet. Nach unserem Verständnis von Strafverteidigung erhalten Sie durch die Beratung im Strafverfahren durch einen Fachanwalt für Strafrecht eine Entscheidungshilfe für die wichtige Frage, ob Sie zu den Vorwürfen Stellung beziehen wollen und gegebenenfalls mit welchem Inhalt und zu welchem Zeitpunkt.

Das Hauptverfahren endet – wenn keine Einstellung erfolgt – im Strafverfahren mit einem Urteil durch das Gericht. Dieses kann sowohl den Freispruch als auch die Verurteilung mit Geldstrafe bis zu Freiheitsentzug von vielen Jahren bedeuten. Nach den neuen Verschärfungen ist die schärfste Sanktion des deutschen Strafrechts die lebenslange Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung.

Nach ergangenem Urteil haben Strafverteidiger und Staatsanwaltschaft im Strafverfahren die Möglichkeit, weitere Rechtsmittel einzulegen, wie Berufung oder Revision. Verzichten beide Seiten auf weitere Rechtsmittel im Strafverfahren, wird das Urteil rechtskräftig und alsbald vollzogen.

Grundsätzlich ist nach der Urteilsverkündung der Rechtsweg im Strafprozess bzw. im Strafverfahren noch nicht erschöpft. So kann der Verurteilte gegen das Urteil eines Amtsgerichts (z.B. in Hamburg) Berufung einlegen, in der die Richter erneut über die Sachlage zu entscheiden haben. Der gesamte Prozess im Strafverfahren findet somit „von vorn“ statt. Gegen Urteile des Landgerichts ist ausschließlich das Rechtsmittel der Revision gegeben, in der das Urteil auf Verfahrensfehler oder Fehler in der materiellen Rechtsanwendung durch das Oberlandesgericht oder – wenn die erste Instanz bereits vor einem Landgericht stattgefunden hat – vor dem Bundesgerichtshof überprüft wird.

Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten zur Revision sowie Berufung.

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Kontaktieren Sie uns. Wir helfen Ihnen gern. Als Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht übernimmt Herr Dr. Böttner die Beratung und Verteidigung für Strafverfahren in Hamburg und auch bundesweit.

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Strafverteidiger)

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