Untersuchungshaft

  • Dem Beschuldigten wurde am 17.12.2009 der Haftbefehl des AG Frankfurt (Oder) verkündet, er befindet sich derzeit in der JVA Cottbus-Dissenchen. Davor war er in der JVA Kempen und anschließend in der JVA Frankfurt (Oder) ansässig. Nach Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wurde der Beschuldigte durch den Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger vertreten. Hiergegen erhob er später eine Beschwerde, mit der er die Beiordnung des Pflichtverteidigers rügt.

    Die entscheidende Frage war, ob dem Beschuldigten die Gelegenheit gegeben worden ist bzw. er sich dessen bewusst war, in einem bestimmten Zeitraum einen Anwalt für seine Verteidigung zu benennen. Eine solche Möglichkeit entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und ist gesetzlich ausdrücklich normiert.

  • Az. 21 Qs 7/10 (LG Bonn)

    Nachdem der Beschwerdeführer am Abend des 18.12.2009 vorläufig festgenommen und am Tag darauf der Haftbefehl gegen ihn vom LG Bonn erlassen wurde, befand er sich in Untersuchungshaft. Bereits am 30.12.2009 beantragte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer einen Pflichtverteidiger beizuordnen, der am 6.01.2010 unter Vorlage einer Vollmacht gegenüber der Staatsanwaltschaft erschien und die Beiordnung als Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers beantragte.

    Am 8.01.2010 beantragte Rechtsanwalt Dr. K bei der Staatsanwaltschaft die Besucherlaubnis und konnte am 11.01.2010 den Beschwerdeführer aufsuchen. Am darauf folgenden Tag bestellte sich RA Dr. K als Wahlverteidiger des Beschwerdeführers und legte die Vollmacht von diesem vor. Hinzu kamen weitere Anträge sowie die schriftliche Erklärung des Beschwerdeführers, er wolle nur vom Rechtsanwalt Dr. K vertreten werden und das Mandatsverhältnis zum vorherigen Pflichtverteidiger sei erloschen. Dieses Schreiben sowie weitere Anträge des Wahlverteidigers übersandte die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Ermittlungsrichter am 19.01.2010. Jedoch hatte der Ermittlungsrichter bereits am 14.01.2010 die angefochtene Entscheidung erlassen und ist zu diesem Zeitpunkt in Unkenntnis hinsichtlich des Wahlverteidigers Dr. K gewesen.

    Die Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich der Beiordnung des Pflichtverteidigers ist aus folgenden Gesichtspunkten begründet:

    Wie das LG Bonn feststellt, kann der Beschuldigte die Beiordnung eines bestimmten Verteidigers wünschen, der das Amt des Pflichtverteidigers wahrnehmen kann, soweit keine wichtigen Hinderungsgründe bestehen. In diesem Fall ist das Auswahlermessen des Vorsitzenden regelmäßig auf Null reduziertt:

    „Nach diesen Kriterien hätte bereits am 14.01.2010  RA Dr. K. zum Pflichtverteidiger bestellt werden müssen. Zwar war die Entscheidung des Ermittlungsrichters subjektiv auf der Grundlage der dem AG am Donnerstag, 14.01.2010, vorliegende Aktenbestandteile nicht zu beanstanden. Objektiv war jedoch das Mandatsverhältnis des Beschwerdeführers zu RA H als Verteidiger im vorliegenden Ermittlungsverfahren bereits seit Dienstag, 12.01.2010, erloschen und der Beschwerdeführer hatte bereits RA Dr. K. als Verteidiger seines Vertrauens benannt. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Erklärung des Beschwerdeführers persönlich, die seitens RA Dr. K. am 12. 01.2010 zusammen mit seiner Bestellung zu den Akten gereicht worden ist. Die Erklärungen durften auch gegenüber der Staatsanwaltschaft und mussten nicht unmittelbar gegenüber dem Ermittlungsrichter abgegeben werden. Zwar beruhte die Bestellung als Pflichtverteidiger auf § 1,10 Abs. 1 Nr.4 StPO i. d. F ab 01.01.2010 mit der Folge, dass sich die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des AG Bonn unmittelbar aus §§ 141 Abs. 4 Halbs. 2, 126 Abs.1 S. 1 StPO ergibt, weil dort auch der U-Haftbefehl erlassen worden ist. Die Bestellung  als Verteidiger durch RA K. und der damit verbundene Antrag, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, bezog sich nämlich auf das Verfahren insgesamt und die Ermittlungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Damit war die StA insgesamt noch „Herrin des Ermittlungsverfahrens“. Verzögerungen in der Übermittlung zwischen der StA und dem für die Bestellung zuständigen Ermittlungsrichter des AG, die hier eine Woche betragen haben, können insoweit nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.“

    Folgerichtig ist die Beschwerde des Beschuldigten begründet und der Wahlverteidiger Rechtsanwalt Dr. K als solcher durch das Gericht beizuordnen, der bisherige Pflichtverteidiger zu entpflichten.


  • Az: 1 Ws 789/09 (OLG Naumburg)

    Am 22. September 2009 wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des dringenden Tatverdachts der Steuerhinterziehung in acht Fällen sowie den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft.

    Gegen den Haftbefehl legte der Angeklagte eine Beschwerde ein, die als unbegründet zurückgewiesen wurde. Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Magdeburg nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    Das OLG Naumburg hält die Revision jedoch für begründet. Nach Auffassung des OLG ist von einer Fluchtgefahr des Angeklagten nicht auszugehen. So würde ihm zwar eine nicht unerhebliche Gesamtstrafe drohen, allerdings begründete sich die Straferwartung nicht von alleine aus den Anreiz einer Fluchtgefahr. Vielmehr müssten alle sonstigen und individuellen Umstände berücksichtigt werden.

    Zu den Voraussetzungen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr führt der Senat aus:

    Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die bloße Fortwirkung einer früheren Verdunkelungshandlung, die hier im vom Beschuldigten nicht hinreichend erklärten Verschwinden eines gefüllten Plastikmüllsacks im unmittelbaren Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen am 22. September 2009 erblickt werden könnte, reicht für die Annahme einer noch bestehenden Verdunkelungsgefahr grundsätzlich nicht aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112 Rdnr. 35). Die auf bestimmte Tatschen begründete Gefahr zukünftiger Verdunkelungshandlungen ist derzeit nicht ersichtlich. [..]
    Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist ebenfalls nicht gegeben. Eine solche besteht dann, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher machen, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Dabei erfordert die Beurteilung der Fluchtgefahr die Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der Art der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat, seiner Persönlichkeit, seiner Lebensverhältnisse, seines Vorlebens und seines Verhaltens vor und nach der Tat (Meyer-Goßner, a. a. 0., § 112 Rdnrn. 17, 19).“

    Im vorliegenden Fall verfügt der Beschuldigte über „gefestigte soziale Bindungen“ zu seiner Lebensgefährtin und seinem Umfeld. So ist er zwar auf der einen Seite derzeit arbeitslos und lebt von seiner Ehefrau getrennt, anderseits ist er bis 2008 längere Zeit seinem Beruf als Schweißer kontinuierlich nachgegangen. Ferner hat er sowohl zu seinen Verwandten als auch zu seinen minderjährigen Kindern regelmäßig Kontakt. Zwar verfügt er weiterhin über Kontakte zu seinem Heimatland und auch über einen kasachischen Pass, jedoch reicht dies nicht aus, um damit eine Fluchtgefahr zu begründen. Auch die Höhe des Steuerschadens, der sich nach ersten Ermittlungen zwischen 47.000 und 88.000 Euro bewegt, rechtfertigt keine Annahme der Fluchtgefahr.

    Folglich besteht kein Haftgrund, so dass der Haftbefehl nach Auffassung des Senats aufzuheben ist.

  • Gegen den Beschuldigten führt die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren wegen diverser Straftaten. Vorgeworfen wird ihm unter anderem Diebstahl im mehreren Fällen sowie das unerlaubte Fahren mit einem fremden, vorher entwendeten Wagen unter Trunkenheit (§316 StGB). 

    Aufgrund dieser Umstände wurde der Beschuldigte am 31.3.2009 festgenommen und ein Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr gemäß §112a Abs. 1 Nr. 2 StPO gegen ihn erlassen. Hiergegen legte der Beschuldigte Beschwerde ein und begehrt damit die Aufhebung der Untersuchungshaft, hilfsweise Außervollzugsetzung der U-Haft. Hierüber hatte das zuständige LG Berlin zu entscheiden.

  • Gegen den Beschuldigten ist vom AG Frankfurt/Main ein Haftbefehl gestützt auf Verdunkelungsgefahr erlassen worden. Er wird in mehreren Fällen der Straftat der Hehlerei dringend verdächtigt. Im Raum standen in diesem Fall 33 entwendete Tauchermasken. So sprachen nach Aktenlage dringende Gründe dafür, dass der Beschuldigte einige Teile der Ware besitzt – über den Aufenthaltsort des restlichen Teils der Masken ist nichts Weiteres bekannt.

    Aufgrund des davon ausgehenden dringenden Tatverdachts gemäß §112 StPO erließ das AG einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten, weil dieser den Verbleib der restlichen Beute nicht preisgab und möglicherweise einen Teil bereits verkauft hatte.

    Die hiergegen eingelegte Haftbeschwerde des Beschuldigten ist nach Ansicht des OLG Frankfurt begründet. Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr nach §112 StPO Abs. 2 Nr. 3a StPO bestand nach Auffassung des Gerichts zu keinem Zeitpunkt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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