Beweiswürdigung im Strafverfahren bei der Wahllichtbildvorlage

Das Landgericht Heilbronn hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags und weiterer Gewaltdelikte sowie wegen mehrerer Unterschlagungen unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung (ebenfalls wegen vorsätzlicher Körperverletzung) zu einer Jugendstrafe verurteilt.

Der Geschädigte sowie andere Zeugen hatten den Angeklagten sowohl im Ermittlungsverfahren bei der durchgeführten Wahllichtbildvorlage als auch im Hauptverfahren nicht oder nicht sicher wiedererkannt.

Dazu der BGH – mit Erläuterungen zum Beweiswert einer Wahllichtbildvorlage:

[..]Allerdings sollen, dies ist ein Ergebnis kriminalistischer Erfahrung, einem Zeugen bei einer Gegenüberstellung „eine Reihe“ von Vergleichspersonen gegenübergestellt werden (vgl. Nr. 18 RiStBV), wobei eine Zahl von mindestens acht Vergleichspersonen empfehlenswert ist. Die gleiche Anzahl von Lichtbildern ist bei Wahllichtbildvorlagen sachgerecht (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Aufl., Rn. 1257, 1251 mwN). Dabei ist es vorzugswürdig, wenn dem Zeugen die Lichtbilder nicht gleichzeitig sondern nacheinander (sequentiell) vorgelegt werden (BGH, Beschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99, StV 2000, 603; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 501/10; generell zur sequentiellen Vorlage Odenthal NStZ 2001, 580 ff. mwN). Der nicht näher ausgeführte Hinweis des Generalbundesanwalts, der Abbruch einer Wahllichtbildvorlage, sobald eine Person erkannt sei, beruhe (nicht nur) auf „polizeilichen Richtlinien“ (vgl. insoweit auch Odenthal aaO S. 582), sondern sei auch „in entsprechender Software implementiert“, spricht dafür, dass hier – die Urteilsgründe äußern sich hierzu nicht ausdrücklich – die Wahllichtbildvorlage nicht in Papierform sondern (rechtlich unbedenklich) mit Videotechnik durchgeführt wurde. Unabhängig davon ist der Senat der Auffassung, dass einem Zeugen auf jeden Fall im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage (mindestens) acht Personen gezeigt bzw. vorgespielt werden sollten, auch wenn er schon zuvor angibt, eine Person erkannt zu haben. Denn er kann bei einer größeren Vergleichszahl etwaige Unsicherheiten in seiner Beurteilung besser erkennen und dementsprechend offen legen, sodass im Ergebnis eine Wiedererkennung unter (mindestens) acht Vergleichspersonen einen höheren – in Grenzfällen möglicherweise entscheidenden – Beweiswert gewinnen kann (vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 7. Aufl., Rn. 1405, Odenthal aaO, jew. mwN).

Damit stellt der BGH klar, dass einem Zeugen bei der Wahllichtbildvorlage grundsätzlich acht Lichtbilder vorgelegt werden sollten. Zudem sei es sinnvoller, die Bilder nacheinander zu zeigen. Dies erhöhe den Beweiswert. Ebenso wird nach Ansicht des BGH der Beweiswert dadurch erhöht, dass die Wahllichtbildvorlage durch einen Zeugen nicht abgebrochen wird.

BGH, Beschluss vom 09.11.2011, Az.: 1 StR 524/11

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