BGH: Auf die Niederschlagsmenge kommt es an

Das Gericht darf eine behauptete Tatsache nicht als unterstellbar wahr bewerten und anschließend abändern.

Dem Angeklagten wurde vor dem Landgericht Aurich vorgeworfen, dass er sein Internetcafé auf Norderney in Brand gesteckt haben soll. Vor und nach der Tat soll er sich in einer Gaststätte aufgehalten haben. Das Gericht verurteilte ihn wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Dagegen richtet sich die Revision der Strafverteidigung.

Die Strafverteidigung beantrage in der Hauptverhandlung einen Wetterbericht vom Deutschen Wetterdienst zu erhalten. Dieser sollte belegen, dass der Angeklagte hätte nass werden müssen, wenn er die Gaststätte verlassen hätte. Keiner der befragten Zeugen erwähnte jedoch, dass der Angeklagte vom Regen „nassgeregnet“ war.

Das Landgericht lehnte den Antrag ab, da man die Tatsache, dass es regnete, als wahr behandeln könne. Auch der Polizeibericht sprach von „Nieselregen“. Trotzdem hält das Gericht die behauptete Tatsache für bedeutungslos, weil es nicht die nötige Beweisbehauptung mit sich bringe. Im Urteil wurde jedoch dann die Aussage des Angeklagten, dass außerordentlich schlechtes Wetter herrschte, als widerlegt gewertet. Denn die Polizei sprach nur von Nieselregen und dagegen hätte man sich mit Regenschirm oder Jacke schützen können.
Der Generalbundesanwalt und der Bundesgerichtshof (BGH) teilen die Bedenken der Strafverteidigung. So kann das Gericht nicht einerseits die Behauptung als wahr hinnehmen und anschließend diese dahingehend einengen, dass lediglich Nieselregen herrschte. Für die Argumentation der Strafverteidigung war die Niederschlagsmenge nämlich ersichtlich entscheidend.

„Das Gericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es in der fraglichen Nacht geregnet und gestürmt habe, unzulässig abgeändert, indem es unterstellt, es hätte lediglich Nieselregen geherrscht, mithin von einer niedrigeren Niederschlagsintensität ausgeht. Die Niederschlagsmenge war – aus Sicht der Verteidigung – jedoch ersichtlich entscheidend für die Frage, ob der Angeklagte bei Regenwetter sich zum Tatort hätte begeben können, ohne dass seine Kleidung durchnässt gewesen wäre, was den in der Gaststätte befindlichen Besuchern – nach Auffassung der Revision – jedoch aufgefallen wäre.“

Aus diesem Grund hebt der BGH das Urteil des Landgerichts Aurich auf. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg.

BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012, Az.: 3 StR 366/12


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