Der Verurteilte wurde vom Landgericht Kassel wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Strafverteidigung richtet dagegen die Revision.
In einem der vier Fälle gab der Angeklagte dem Kind einen Zungenkuss. Das Landgericht sah darin eine beischlafähnliche Handlung im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB, wertete dies jedoch als minder schweren Fall im Sinne von § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB, weil die Schwelle der Erheblichkeit der sexuellen Handlung nur leicht überschritten wurde.
Hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch Bedenken. Bei den drei anderen Taten, bei denen der Täter mit seinem Finger in die Scheide und After eindrang, ist auch nach Ansicht des BGH eine beischlafähnliche Handlung gegeben. Bei einem Zungenkuss, bei dem keine primären Geschlechtsorgane beteiligt sind, ist dies jedoch abzulehnen.
Der BGH zielt dabei vor allem auf das geschützte Rechtsgut ab:
Geschütztes Rechtsgut ist in den Fällen des § 176a StGB die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132; Beschluss vom 19. Dezember 2008 – 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119). Der Zungenkuss wirkt hierauf regelmäßig nicht so intensiv ein wie ein Vaginal-, Oral- oder Analverkehr. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber den Fall des Zungenkusses der Norm unterwerfen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.; zuvor BT-Drucks. 13/2463 S. 7 und 13/7324 S. 6, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
Der BGH stellt somit fest, dass ein Zungenkuss in der Regel keine beischlafähnliche Handlung ist. Daher wird der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte in einem Fall lediglich wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist.
Die Revision hatte insoweit Erfolg.
BGH, Beschluss vom 14. April 2011, Az.: 2 StR 65/11