BGH: Jugendstrafrecht – Erziehungszweck bei Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden

Die Strafwürdigkeit der Delikte, die im Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt werden, gilt grundsätzlich für alle strafmündigen Menschen. Nach dem StGB ist strafmündig, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat.

§ 19StGB: Schuldunfähigkeit des Kindes
Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.

Wenn eine Person über 14 Jahren eine Straftat nach dem StGB begeht, kommt also eine Strafe in Betracht. Das ist die zentrale Aussage der Schuldunfähigkeitsvorschrift für Kinder.
Für die Frage nach Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtswidrigkeit und Schuld kommt es also grundsätzlich auf die Vorgaben der Normen des regulären, für Jugendliche, Heranwachsende bis 21 Jahren und erwachsene Menschen gleichsam geltenden StGB an.

Allerdings unterscheiden sich Erwachsenen- und Jugendstrafrecht entscheidend in ihrer jeweiligen Zielvorgabe.
Für Straftaten von Erwachsenen gilt der jeweilige Strafrahmen des Delikts im StGB. Der erwachsene Straftäter wird entsprechend seiner Schuld und der schwere des Straftatbestandes bestraft.

Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht

Demgegenüber legt das Jugendstrafrecht der Bestrafung von Straftaten einen anderen Gedanken zugrunde: Der Erziehungsgedanke.

Es wird davon ausgegangen, dass Jugendliche und Heranwachsende noch in einem lernfähigen Alter sind und besser durch erzieherisch ausgerichtete Einwirkung als durch (Gefängnis-) Strafe von der wiederholten Begehung von Straftaten abgehalten werden können.

Der junge Mensch, der sich eine strafrechtliche Verfehlung geleistet hat, soll durch das Jugendstrafrecht zurück auf die richtige Bahn gebracht werden.

Ganz in diesem Sinne entschied auch jüngst der Bundesgerichtshof (BGH):

In einem kürzlich ergangen Urteil ging es um die Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, zu der ein heranwachsender Straftäter verurteilt wurde. Das zuständige Landgericht hatte den jungen Mann wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe verurteilt.

In der Revision vor dem BGH rügte der Angeklagte vor allem eines: Die Strafzumessung des Landgerichtes auf Grundlage des Erziehungszwecks des Jugendstrafrechts verkenne, dass der Angeklagte sich seit der Tat selbst schon deutlich gebessert habe. Es bestehe also weder die Notwendigkeit, auf ihn erzieherisch einzuwirken, noch eine so hohe Jugendstrafe zu verhängen.

Der BGH stellte zwar fest, dass das Landgericht „die rechtsfehlerfreie Feststellung [gemacht hatte, dass] schädliche Neigungen des Angeklagten […] nicht mehr vor[lägen], da sich „sein Leben mit Aufgabe des Drogenkonsums und Aufnahme einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit stabilisiert habe“, und sein „Leben inzwischen in geordneten Bahnen verläuft“.

Gleichzeitig wurde aber auch klargestellt, dass es für die Verhängung der Jugendstrafe entscheidend darauf ankommt, inwiefern zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch eine erzieherische Einwirkung möglich, notwendig und sinnvoll ist.

Nach Ansicht des BGH bestand „Anlass zu der Prüfung, ob und ggf. welche Erziehungsdefizite bei dem zur Zeit der Hauptverhandlung über 22 Jahre alten Angeklagten zu diesem Zeitpunkt noch vorlagen.“

Nur auf Grundlage solcher Erziehungsdefizite kann – „mit Blick auf den Vorrang des Erziehungszwecks“ – nämlich rechtmäßig eine Jugendstrafe verhängt werden.

Die Verurteilung des Angeklagten zu Jugendstrafe durch das Landgericht wurde deshalb aufgehoben.

Siehe dazu: BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 – 3 StR 15/12

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