Die Untersuchungshaft (U-Haft) eines Verdächtigen kann in Deutschland angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund besteht sowie die Verhältnismässigkeit eingehalten ist. Es muss daher also selbst bei Vorlage des Haftgrundes und des dringenden Tatverdacht immer noch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung geprüft werden. Ein Haftgrund kann zum Beispiel die Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr sein. Der häufigste Haftgrund ist jedoch die Flucht oder Fluchtgefahr aus § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO.
Ausländer und Fluchtgefahr
Die Fluchtgefahr liegt laut Definition vor, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher macht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Dabei ist allgemein anerkannt, dass das Fehlen der deutschen Staatsbürgerschaft oder ein Wohnsitz im Ausland nicht alleine die Fluchtgefahr begründen kann. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es sich um einen EU-Ausländer oder jemanden aus einem Drittstaat handelt. Auch eine hohe Straferwartung kann alleine eine Fluchtgefahr nicht begründen.
Trotzdem kann im Einzelfall die ausländische Staatsangehörigkeit zu einer Anordnung der Untersuchungshaft und Erlass eines Haftbefehls führen, vor allem wenn weitere Indizien dazu treten. Auch ist hier zu berücksichtigen, ob der Beschuldigte Versuche unternimmt, das Land zu verlassen. Jedoch selbst dies kann noch nicht automatisch die Fluchtgefahr begründen.
Darf man als Beschuldigter das Land verlassen?
In US-Krimis wird den Beschuldigten regelmäßig auferlegt, dass sie den Staat nicht verlassen dürfen. In Deutschland darf auch grundsätzlich ein Beschuldigter das Land verlassen, solange ihm dies nicht ausdrücklich untersagt ist. Oftmals sehen wir in prominenten Fällen, nicht zu letzt auch bei Uli Hoeneß, dass diese Personen trotz der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen andere Länder bereisen dürfen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass nicht der Eindruck einer Flucht entsteht. Aus diesem Grund sollte ein geplanter Auslandsaufenthalt mit seinem Strafverteidiger abgeklärt werden, damit dieser die Reise mit den Ermittlungsbehörden abklären kann.
Der Eindruck der Flucht kann vor allem dann entstehen, wenn ein Nichtdeutscher in sein Heimatland zurückreisen oder aber auch ein Deutscher an einen Ort reisen möchte, an dem beispielsweise seine Familie lebt. Hier können die Ermittlungsbehörden schnell den Verdacht hegen, dass sich jemand dem Verfahren entziehen möchte.
Die Ausreise alleine reicht nicht zur Begründung der Fluchtgefahr
Eine Flucht liegt jedoch nur dann vor, wenn jemand das Land verlässt und dies von dem Willen getragen ist, sich dauernd oder länger dem Strafverfahren hierzulande zu entziehen. Es reicht somit nicht aus, dass die Ausreise lediglich die praktische Unerreichbarkeit für die deutschen Strafverfolgungsbehörden bedeutet, weil das Heimatland eigene Staatsangehörige nicht an Deutschland ausliefert.
Auch wenn sich jemand im Ausland befindet und sich ernsthaft um die Rückkehr bemüht, liegt keine Flucht im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO vor, da es am Fluchtwillen fehlt. Dies bestätigte erst kürzlich das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 1. März 2013, Az.: 4 Ws 14/12).
Im konkreten Fall reist der Beschuldigte zurück nach Damaskus. Die syrischen Behörden verweigerten dem Beschuldigten jedoch auf Dauer die Ausreise und somit die Rückkehr nach Deutschland. Der Mann suchte daraufhin Kontakt mit der deutschen Botschaft um eine Lösung zu finden, wie er zurück nach Deutschland kommen könnte. Damit machte er deutlich, dass kein Fluchtwille besteht. Aus diesem Grund durfte auch keine Untersuchungshaft angeordnet werden.
Verhältnismäßigkeit der U-Haft
Nicht zuletzt bedarf es einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft. Hier wird abgewägt, ob die Maßnahme unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls, also den persönlichem Umständen wie der Familie, aber auch der dem Beschuldigten vorgeworfenen Schwere der Tat, außer Verhältnis steht nach § 112 Abs. 1 S. 2 StPO. Hinzu kommen weitere Aspekte und Vorschriften, die eine Außervollzugsetzung betreffen, was im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Vollziehung des Haftbefehls geprüft wird.
Die Gefahr der Untersuchungshaft darf nicht unterschätzt werden
Die U-Haft ist wohl die einschneidendste Maßnahme in einem Strafverfahren. Daher muss die Anordnung der Haftunterbringung um jeden Preis verhindert werden. Spätestens wenn der Verdacht aufkommt, dass die Ermittlungsbehörden einen Haftbefehl beantragen könnten, sollte der Kontakt zu einem Strafverteidiger gesucht werden. Der Anwalt kann bereits im frühen Ermittlungsverfahren mögliche Missverständnisse ausräumen, die zu einer Untersuchungshaft führen könnten. Bei nichtdeutschen Beschuldigten besteht eine hohe Untersuchungshaftgefahr vor allem dann, wenn sie das Land verlassen möchten. Ein guter Strafverteidiger hingegen kann mit der Ermittlungsbehörde kooperieren und z.B. durch Hinterlegung des Reisepasses oder sonstiger Absprachen so die Untersuchungshaft dem Beschuldigten ersparen.
Siehe dazu: KG Berlin, Beschluss vom 1. März 2013, Az.: 4 Ws 14/12