BGH: Verwertung von außerhalb der Hauptverhandlung erlangten Erkenntnissen

Wird eine Person angefahren, muss für eine Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bereits durch den Anstoß eine körperliche Misshandlung vorliegen.

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Frankenthal wegen Körperverletzung in zwei rechtlich selbstständigen Fällen, einmal in Tateinheit mit Nötigung, Nötigung, vorsätzlicher Körperverletzung und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Dabei stützte sich das Landgericht vor allem auf die Aussage der Nebenklägerin. Das Gericht würdigte auch Aussagen von ihr aus der ermittlungsrichterlichen Vernehmung. Dies wird dadurch deutlich, dass teilweise wörtlich zitiert wurde und zusammenfassende Bewertungen vorgenommen wurden.

Problematisch war hier insbesondere, dass die Vernehmungsniederschrift nicht in der Hauptverhandlung verlesen und auch die vernehmende Emittlungsrichterin nicht als Zeugin gehört wurde. Dies wurde von der Strafverteidigung mit der Revision angegriffen. Denn so wurde die vorherige Vernehmung nicht Bestandteil der Hauptverhandlung und das Landgericht hätte ihr Urteil nicht darauf stützen dürfen. Dies sah auch der BGH so:

„Die Aussage der Nebenklägerin vor der Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht Frankenthal vom 15. Februar 2011 war nicht in dem Umfang ihrer Verwertung Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO).“

Auf Grund des Umfanges der Vernehmungsniederschrift können auch die Vorhalte durch die Strafverteidigung nicht dazu geführt haben, dass es Gegenstand der Hauptverhandlung wurde:

„Das Protokoll der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 15. Februar 2011 besteht aus sieben eng beschriebenen Seiten. Wie sich aus den übereinstimmenden dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Berichterstatterin sowie der Gegenerklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft ergibt, wurden der Nebenklägerin nur von der Verteidigung Vorhalte aus diesem Protokoll gemacht. Dabei ging es vornehmlich darum, Widersprüche und Unstimmigkeiten aufzuzeigen. Der Umfang der Vernehmungsniederschrift und die Zielrichtung der Vorhalte schließen aus, dass sich das Landgericht auf diesem Wege die Überzeugung verschafft haben kann, die seine umfassenden Feststellungen zu dem Inhalt der ermittlungsrichterlichen Vernehmung und dessen Übereinstimmung mit früheren Aussagen tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1991 – 5 StR 164/91, MDR 1991, 704 bei Holtz; Beschluss vom 11. August 1987 – 5 StR 162/87, StV 1987, 421).“

Ebenfalls bemerkt der Senat für die neue Hauptverhandlung etwas zum konkreten Sachverhalt an. So soll der Angeklagte die Geschädigte mit einem Auto angefahren haben. Dabei soll die Geschädigte gestürzt sein und sich verletzt haben. Dazu stellt der BGH fest:

„Wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen, sodass eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB allein darauf nicht gestützt werden kann (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11, Tz. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405).“

Dieser Frage muss nun eine neue Strafkammer des Landgerichts nachgehen. Die Revision der Strafverteidigung hatte somit Erfolg.

BGH, Beschluss vom 25. April 2012, Az.: 4 StR 30/12

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